Erste Hilfe

Personalnot beim Bergsträßer Rettungsdienst

Zu wenig Personal für zu viel Arbeit - Personalengpässe sind ein weit verbreitetes Problem, auch im Kreis Bergstraße. Besonders prekär ist das aktuell in Bereichen der Gesundheit und Pflege. Das bekommen auch Rettungsdienst-Mitarbeiter im Kreis Bergstraße zu spüren - der Druck auf das Personal ist groß.

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Sina Roth
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Markus Stracke, stellvertretender Leiter der Gefahrenabwehr im Landratsamt (links) und Jörg Oberkinkhaus, Fachbereichsleiter Rettungsdienst, in der Zentralen Leitstelle Bergstraße in Heppenheim. © Ernst Lotz

Bergstraße. Zu wenig Personal für zu viel Arbeit - Personalengpässe sind ein weit verbreitetes Problem, auch im Kreis Bergstraße. Besonders prekär ist das aktuell in Bereichen der Gesundheit und Pflege. Das bekommen auch Rettungsdienst-Mitarbeiter im Kreis Bergstraße zu spüren - der Druck auf das Personal ist groß.

Wie es um die Notfallversorgung im Kreis Bergstraße steht, darüber haben der stellvertretende Leiter der Abteilung Gefahrenabwehr, Markus Stracke, und der Fachbereichsleiter Rettungsdienst, Jörg Oberkinkhaus, mit dieser Zeitung gesprochen.

In der Zentralen Leitstelle des Kreises Bergstraße dreht sich alles um Rettungsdienst, Feuerwehr und Katastrophenschutz. Die Mitarbeiter nehmen hier alle eingehenden Meldungen zu Hilfe-Rufen entgegen, veranlassen, lenken und koordinieren die notwendigen Einsatzmaßnahmen.

DRK, Johanniter und Malteser

Denn der Kreis ist Träger des sogenannten bodengebundenen Rettungsdienstes - einschließlich der notärztlichen Versorgung sowie der Berg- und Wasserrettung. Ist der Einsatz koordiniert, ist das der Startschuss für die entsprechenden Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Johanniter oder der Malteser, die für die Hilfe am Einsatzort zuständig sind.

„Generell haben wir einen verschärften Fachkräftemangel, seitdem der Beruf des Rettungsassistenten im Jahr 2014 durch den des Notfallsanitäters ersetzt wurde - von einer zweijährigen Ausbildung hin zu einer dreijährigen“, berichtet Stracke. „Für uns fehlen dadurch drei Jahre an Personal.“ Der Grund: Rettungsassistenten wurden nicht mehr ausgebildet, ausgebildete Notfallsanitäter standen noch nicht zur Verfügung.

„Hohe personelle Schwankungen“

Und Oberkinkhaus ergänzt: „Leider gibt es im Rettungsdienst auch sehr hohe personelle Schwankungen. Die wenigsten Mitarbeiter bleiben bis zur Rente im Rettungsdienst aktiv.“

Beispielsweise sei Schichtdienst nicht familienfreundlich, oder aber Mitarbeiter entscheiden sich für ein Studium im medizinischen Bereich. „Deswegen bieten die Leistungserbringer beispielsweise Möglichkeiten an, bei Bedarf Studium und Beruf miteinander zu vereinbaren“, berichtet Stracke.

Auch Corona habe in den vergangenen Jahren zum Personalmangel beigetragen - in allen Dienstleistungsbereichen. „Das ganze System war am Anschlag.

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Zuletzt seien vermehrt Rettungsdienst-Mitarbeiter selbst an Corona erkrankt, was die Situation noch verschärft habe. Zwar seien alle Mitarbeiter geimpft und auf der Arbeit durch entsprechende Schutzkleidung und Ausrüstung bestmöglich geschützt. Jedoch sei es zu Ansteckungen außerhalb der Arbeit gekommen. „Dazu kommt, dass viele länger als fünf Tage lang positiv waren und es teilweise auch Mehrfachinfektionen gab“, so Oberkinkhaus.

Außerdem sei die „Hilfe zur Selbsthilfe“ in der Bevölkerung nicht mehr so gegeben. „Ein Beispiel: Den klassischen Wadenwickel kennen viele nicht mehr; da wird bei Fieber auch mal der Rettungswagen gerufen“, berichtet Oberkinkhaus.

Gegenseitige Unterstützung

Das treffe auch auf andere Bereiche im Zuständigkeitsbereich der Leitstelle zu, ergänzt Stracke. Und führe zu mehr Einsätzen. Gerade in den Monaten Mai, Juni und Juli war das der Fall: Waren es beispielsweise noch 4708 im Juli 2021, so waren es 5521 im gleichen Monat dieses Jahres.

Der Kreis als letzte Instanz

Durch den Personalmangel kommt es auch dazu, dass Rettungsmittel im Krankentransport und für weniger akute Einsätze ausfallen. Im Juli sei das im Vergleich zu den Vormonaten vermehrt der Fall gewesen - in der Zeit, in der die Corona-Welle auch das Personal erreicht hat. 7,33 Prozent der Ausfälle habe es im Vergleich zur maximalen Bereithaltungsdauer im Bereich Rettungswagen gegeben, 15,26 Prozent waren es bei Notfall-Krankentransportwagen und 1,06 Prozent bei Notfalleinsatzfahrzeugen.

„Allerdings kommt es wirklich nur dann zu Ausfällen, wenn absolut alle Mittel ausgeschöpft sind“, so Oberkinkhaus. Und: Die Lage scheint sich etwas zu entspannen. „Mit Blick auf den August geht die Anzahl der Ausfallzeiten bereits zurück“, ergänzt er.

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Wird das Personal knapp, helfen sich die Dienstleister auch untereinander aus. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter im Rettungsdienst seien auch in solchen Fällen sehr wertvoll. „Die ehrenamtliche Rettungsdienstverstärkung unterstützt auf Anforderung. Alle Maßnahmen bei Personalausfällen werden mit dem diensthabenden Lagedienstleiter der Abteilung Gefahrenabwehr abgesprochen und koordiniert, so dass keine Eigendynamik entsteht. Und die Notfallversorgung war und ist zu jeder Zeit sichergestellt“, betont Oberkinkhaus.

Baustellen und Kreisverkehre

Bei der Hilfsfrist von zehn Minuten liegen die Einsatzkräfte im Kreis Bergstraße bei einer Zeit von zehn Minuten und 32 Sekunden. Die Zeitverzögerung ergebe sich beispielsweise dadurch, dass Anfahrten durch Ausfälle länger werden, aber auch durch Baustellen oder Kreisel - wie am Berliner Ring in Bensheim. „Doch es ist unser eigener Anspruch und unsere Aufgabe, dass wir uns den zehn Minuten weiter annähern“, betont Stracke. Bei der 15-Minuten-Frist sind die Rettungsdienstmitarbeiter an der Bergstraße aber absolut über dem Soll, so Oberkinkhaus.

Weitere Fahrzeuge sollen helfen

Im Falle von größeren Einsatzlagen unterstützen auch Rettungsmittel aus anderen Einsatzbereichen; parallel muss aber auch an deren eigentlichem Einsatzort die Versorgung sichergestellt sein.

Um für solche Fälle bestmöglich vorzusorgen, wird an Einsatzschwerpunkten nachgesteuert: Im kommenden Jahr ist für Bensheim ein zweiter 24-Stunden Wagen eingeplant. In Bürstadt soll ein Notfall-Einsatz-Fahrzeug von neun auf 16 Stunden erhöht werden.

Und Lorsch soll im kommenden Jahr erstmals ein hauptamtliches Rettungsmittel bekommen, das von Montag bis Freitag im Tagdienst im Einsatz ist, berichten die beiden in der Leitstelle. „Lorsch ist beispielsweise aufgrund seiner Lage an der Autobahn und der Bundesstraßen gut als Standort geeignet“, erklärt Oberkinkhaus. (ssr)

Redaktion

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