Rhein-Neckar. Es begann vor einigen Wochen. Erst still und heimlich, entwickelte sich der Zuzug aber in kurzer Zeit zum handfesten – und vor allem lautstarken – Problem für Anwohner und Pächter. Auf einmal wurde auf dem Gelände gegrillt, es gab Trinkgelage, Zelte wurden aufgeschlagen und ein Holzverschlag aufgebaut. Eine Gruppe von Menschen, Nachbarn zufolge zehn in der Spitze plus Hunde, hat sich in der stillgelegten Autowaschanlage in der Weinheimer Bergstraße häuslich eingerichtet.
Als unser Reporter vor Ort ist, ist gerade niemand zu Hause. Der Bauzaun, der sich um das Gelände herum befindet, steht dennoch offen. Vom häufigen Kommen und Gehen hat sich ein Trampelpfad gebildet. Auf dem Gelände liegen Müll und leere Alkoholikabehältnisse herum. Die einzelnen Boxen der Selbstwaschanlage sind zu Wohnparzellen umfunktioniert worden. In einer steht ein Zelt, in einer weiteren eine Matratze. Und in einer wieder anderen wurde sogar ein selbst gebauter Holzverschlag errichtet. Am Ende der Reihe gibt es noch eine Box, die offensichtlich als Toilette dient.
Anwohner berichten von nächtlichen Ruhestörungen und Handgreiflichkeiten unter den neuen „Nachbarn“. Zwei Frauen, die in der Nähe wohnen, schildern zudem ihre Angst, wenn sie abends an dem Gelände vorbeimüssen. „Einige von ihnen scheinen sehr aggressiv zu sein – ich finde das nicht okay“, sagt eine 29-Jährige im Gespräch mit der Redaktion. Wenn sie etwas erledigen muss, etwa ein Paket abholen, nehme sie mittlerweile einen großen Umweg in Kauf, um nicht an den Leuten vorbeigehen zu müssen. Eine weitere Anwohnerin unterstreicht das. Ihr machten vor allem die Hunde Angst. Seit die 71-Jährige von einem Vierbeiner gebissen wurde, flößten ihr Tiere ohnehin Angst ein. Ein anderer Anwohner schildert die Eskapaden, die für Unruhe sorgten. „Es wird nachts herumgeschrien, sich beleidigt, angespuckt – auch Handgreiflichkeiten hat es schon gegeben“, so die Beobachtungen des 36-Jährigen.
Die Menschen, die sich dort niedergelassen haben, halten auch die Polizei auf Trab: „Die Ordnungsstörungen können einem abgrenzbaren Personenkreis zugerechnet werden, der sich dort regelmäßig aufhält und die Örtlichkeit als Treffpunkt nutzt“, erklärt Philipp Kiefner vom Polizeipräsidium Mannheim. Vor allem, wenn sie Alkohol getrunken haben, sorgen sie häufig für Ärger: bellende Hunde, laute Gespräche, Grölen oder Musik stören die Ruhe. Außerdem kommt es zu kleineren Straftaten wie gegenseitigen Beleidigungen.
Bekannt gewordene Straftaten verfolge das zuständige Revier Weinheim konsequent und gehe auch gegen die Ordnungsstörungen vor. Unbefriedigend für die Polizei: „Wir können nur situativ aktiv werden und Platzverweise aussprechen“, so Kiefner. Bislang sei keine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs durch den Eigentümer eingegangen. Auch ein generelles Betretungsverbot sei keines ausgesprochen worden.
Für die Stadt gestaltet sich die Situation ebenfalls knifflig. Rathaussprecher Roland Kern erklärt, dass es bereits eine Ansprache an den Personenkreis gegeben habe. Da es sich um obdachlose Menschen handelt, sei auch ein Kontakt zur hiesigen Unterkunft hergestellt worden. Zum Ausgang dieses Austausches sagt Kern: „Es war nicht kompatibel.“ Zuletzt seien die Waschanlagen-Bewohner in Mannheim und Viernheim ohne festen Wohnsitz registriert gewesen.
Was klar ist: In der Waschanlage können sie nicht bleiben. Und nun soll auch endlich Bewegung in die Sache kommen. Wenn es nach dem Pächter geht, hätte das schon längst der Fall sein können. Als unsere Redaktion ihn anruft, ist seine Frustration deutlich spürbar. Schon mehrere Male habe er die Menschen angesprochen, die sich ihm gegenüber immer freundlich gezeigt hätten. Jedes Mal sei ihm versprochen worden, dass das Lager aufgelöst wird. Ihm täten die Obdachlosen ja leid. Aber er verstehe auch die Sorgen der Anwohner. Bislang seien ihm die Hände gebunden gewesen, da er nur Pächter und nicht Eigentümer ist. Anwohner können jedoch aufatmen: Mittlerweile liege ihm eine Vollmacht des Grundstücksbesitzers vor, der mehrere Hundert Kilometer entfernt von Weinheim wohnt.
In dieser Woche findet ein gemeinsames Treffen mit der Polizei und Vertretern des Rathauses statt. Das Gelände soll bald geräumt werden. Bis dahin bittet der Pächter die Nachbarschaft noch um ein wenig Geduld. gab
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-obdachlose-belagern-eine-stillgelegte-waschanlage-in-weinheim-_arid,2336921.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/weinheim.html
