Regionalgeschichte 1 - In Affolterbach im Odenwald ist eine Kirche nach dem schwedischen König benannt

Mit Gustav Adolf kann kaum jemand noch etwas anfangen

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tom
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Odenwald. Mit dem Namensgeber der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche in Affolterbach können heute nur noch die wenigsten Menschen etwas anfangen. „Gustav wer?“, heißt es zum schwedischen König des 17. Jahrhunderts, der im Dreißigjährigen Krieg bei der Wahl der Mittel zur Verbreitung des protestantischen Glaubens nicht gerade zimperlich war. 400 Jahre ist es 2018 her, dass durch den eigentlich unspektakulären Prager Fenstersturz ein Brand auf dem Kontinent ausgelöst wurde, der diesen entvölkerte und gravierend veränderte. Auch der Überwald war danach praktisch menschenleer.

Gustav Adolfs Namen trägt heute noch die 1907 eingeweihte Affolterbacher Kirche, für die im Juni 1906 Baubeginn war. Wobei Pfarrerin Tabea Graichen die Einschränkung macht, dass dafür durchaus auch das nach ihm benannte Gustav-Adolf-Werk mit Sitz in Leipzig Pate gestanden haben könnte, da es durch einen erklecklichen Geldbetrag den Bau erst ermöglichte. Doch in der Affolterbacher Kirchengemeinde, die sich zu dieser Zeit zu einer Filialgemeinde von Wald-Michelbach entwickelte, gab es sogar einen nach Gustav Adolf benannten Verein und eine Jugend. Unter den Wappen über der Kanzel ist neben dem von Landesherren und Reformatoren folgerichtig auch seines zu finden.

Idealisiert und verklärt

Von den deutschen Protestanten wurde Gustav II. Adolf zu seiner Zeit als Vorkämpfer, Held und Retter des Protestantismus idealisiert. Sein Eingreifen in den Krieg verhinderte nach landläufiger Meinung einen katholischen Sieg. Sein Schlachtentod machte ihn in der öffentlichen Wahrnehmung zum Märtyrer des Glaubens. Auch in der Romantik wurde er als Verbreiter des Protestantismus verklärt. Anlässlich der 400. Wiederkehr des Kriegsausbruchs spielt Gustav Adolf wohl in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle mehr. „Ich wurde bisher überhaupt nicht darauf angesprochen“, so Graichen. Wenn überhaupt, könnten noch die älteren Gemeindeglieder etwas damit anfangen. Graichen sieht den Kirchen-Namen vor dem Hintergrund der Zeitläufe. Auch andere Gläubige, nach denen Gotteshäuser benannt sind, „haben nicht unbedingt nach den Zehn Geboten gelebt“, sagt sie. Beispiel Luther: „Der hat auch Klopper rausgehauen“, so die Pfarrerin, aber trotzdem die Reformen maßgeblich vorangebracht. Natürlich steht für sie die Frage im Raum, „ob man vor 400 Jahren dem Protestantismus mit anderen Mitteln zum Durchbruch verhelfen konnte“.

Die Methoden des Schweden „sind natürlich nicht mein Mittel der Wahl“, macht Graichen klar. Allerdings „habe ich auch nicht vor vier Jahrhunderten gelebt“. Gustav Adolf habe „sehr martialisch“ im Namen der Konfession in den Krieg eingegriffen. Allerdings müsse man alles „vor dem Hintergrund der damaligen Zeit sehen, auch wenn es das Tun nicht rechtfertigt“. Leider geschehen auch noch heute im Namen von Religionen Gräueltaten, bedauert sie.

Umbenennung war nie ein Thema

Die Benennung der Kirche vor mehr als 110 Jahren sieht sie „als Zeugnis dieser Zeit und des Blicks auf Gustav Adolf“. Einer kritischen Auseinandersetzung stehe die Bewahrung nicht im Wege, „weil es Teil des protestantischen Erbes ist“. In den Kirchenprotokollen ist zumindest „noch nie die Idee aufgetaucht, die Kirche umzubenennen“.

Das denkmalgeschützte Jugendstil-Kirchengebäude wurde von 1905 bis 1907 nach Plänen von Friedrich Pützer errichtet. Fast 200 Jahre lang war die Gemeinde zuvor ohne Gotteshaus, denn die erste erwähnte Kirche von 1568 wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts wegen Einsturzgefahr geschlossen. Danach fanden Gottesdienste in Wirtshaussälen statt, es gab aber auch 30 Jahre gar keinen eigenen.

Russische Kaiserin gab Geld dazu

„Affolterbach konnte sich damals einen Neubau mit 40 000 bis 50 000 Mark nicht leisten“, weiß Graichen aus der Kirchenhistorie. Mit allen möglichen Mitteln wurde versucht Geld zu akquirieren. Die Rede ist von einem Postkartenverkäufer, „der den Leuten kräftig auf die Nerven ging“, schmunzelt die Pfarrerin. Ab 1874 gab’s Pläne für einen Neubau, die immer wieder verschoben wurden. 1894 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, der dann die großzügige Zusage des Gustav-Adolf-Werks erhielt. Sogar die Kaiserin von Russland, die öfters im Überwald weilte, gab 100 Goldrubel dazu. tom

Gustav II. Adolf

Gustav II. Adolf (geboren 1594 in Stockholm, gestorben 1632 bei Lützen, Kurfürstentum Sachsen) war von 1611 bis 1632 König von Schweden und eine der wichtigsten Figuren der schwedischen Geschichte und des Dreißigjährigen Krieges.

Er trug durch Reformen und sein militärisch-politisches Handeln wesentlich dazu bei, Schweden eine Hegemonialstellung im nördlichen Europa zu verschaffen, die bis Anfang des 18. Jahrhunderts bestand.

Sein Eingreifen in den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland ab 1630 verhinderte einen Sieg des kaiserlichen Lagers der Habsburger und sicherte damit indirekt die Existenz des deutschen Protestantismus.

Allerdings war Gustav Adolf auch ein machtorientierter Realpolitiker, dessen Hauptziel die Herrschaft Schwedens über den Ostseeraum und die Absicherung als Großmacht im nordeuropäischen Raum war.

Evangelische Überzeugungen und nationaler Ehrgeiz gingen in ihm eine untrennbare Verbindung ein. Damit passte er in seine Zeit, die auf der katholischen Seite von Männern wie Wallenstein und Tilly gekennzeichnet war.

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