Geldanlage - Entwicklung der Aktienmärkte hängt stark von der Geldpolitik ab / Nur wer überproportionales Wachstum bietet, schlägt sich besser

Merck sei Dank: Aktienportfolio aus der Region kann sich knapp behaupten

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Michael Roth
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Der Höhenflug der Aktien des Pharma- und Chemiekonzerns Merck hält an. Analysten loben Verbesserungen in allen Geschäftsbereichen. © Arne Dedert/dpa

Bergstraße. Die Luft wird dünner an der Börse und bis zum Jahresende sind weitere Turbulenzen nicht ausgeschlossen. Klar ist, die Notenbanken in Amerika und Europa werden angesichts zunehmend beängstigender werdender Inflationszahlen ihre expansive Geldpolitik nicht weiter fortsetzen können. Wie stark gebremst wird, ob, wo, wann und wie stark Zinserhöhungen erwogen werden, und die Folgen dieser Politik für die Aktienmärkte, lässt sich derzeit schwer vorhersagen. Grundsätzlich bedeutet weniger Liquidität in einem Umfeld, in dem Konzerne damit rechnen müssen, dass ihre Kosten genauso schnell steigen wie ihre Umsätze, höhere Risiken. Die werden sich stärker schwankenden Aktienkursen widerspiegeln.

Nicht täuschen lassen

Angesichts dieser Gemengelage wird es die Anleger aus der Region freuen, dass sich das Aktienportfolio Bergstraße/Südhessen im Vergleich zur Nachbarschaft und auch gegenüber dem Aktienindex Dax in den vergangenen Wochen wacker geschlagen hat. So verlor das Depot Bergstraße/Südhessen nur gut ein Prozent. Schlimmer hat es die Papiere aus dem Depot Rhein-Neckar erwischt, mit einem Minus von fast vier Prozent. Und noch weiter in den Keller ging es mit den Aktien aus dem Depot Rhein-Main, die sanken um mehr als zehn Prozent. Allerdings sollte man sich von der guten Depotentwicklung im südlichen Hessen nicht täuschen lassen. Sie geht alleine auf die gute Kursentwicklung des Darmstädter Merck-Konzerns zurück. Alle anderen Papiere gaben nach.

Gute Nachrichten, sinkender Kurs

Den Grund für den anhaltenden Höhenflug von Merck sieht David Evans von der Investmentbank Kepler Cheuvreux in der großen Dynamik sowie Verbesserungen in allen Geschäftsbereichen. Insbesondere in der Sparte Life Science (unter anderem Laborausrüstung). Ins gleiche Horn stößt Rosie Turner von der britischen Investmentbank Barclays. Sie führt die starken Ergebnisse im dritten Quartal und ermutigenden Aussagen des Unternehmens zur Forschungs- und Entwicklungspipeline an. Merck sei eines der qualitativ hochwertigsten Unternehmen mit einem starken und beständigen Wachstumsprofil.

Eigentlich sollte auch TE Connectivity mit seinem großen Standort in Bensheim gut dastehen. Der Boom in Sachen Elektromobilität füllt die Bücher, das Unternehmen präsentierte zuletzt starke Zahlen und dieser Tage wurde noch bekanntgegeben, dass die Dividende steigt. Dem Aktienkurs half das nichts. Er gab in den vergangenen Wochen nach.

Das Papier von Dentsply Sirona, dem größten Arbeitgeber an der Bergstraße, hat sich von seinem Kurstief von Anfang Dezember erholt, kann aber noch nicht an frühere Höhen anknüpfen. Hier dürfte die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie eine Rolle spielen. Entspannt sie sich, werden Zahnärzte, dank dann wieder steigenden Patientenzahlen, wieder vermehrt in neue Ausrüstung für ihre Praxis investieren und Verbrauchsmaterialien einkaufen. Das wäre gut für Sirona, wobei in Bensheim die Auslastung zuletzt gut war.

Brain-Aktie wieder unter zehn Euro

Der Gabelstaplerhersteller Jungheinrich hat sich ebenfalls vom Tief Anfang Dezember erholt, wie es weitergeht, ist am Aktienkurs momentan nicht abzulesen. Analysten hatten zuletzt die guten Quartalszahlen, gute Strategie-Aussichten sowie eine gelungene Investorenveranstaltung hervorgehoben.

Beim Zwingenberger Biotechnologieunternehmen Brain dagegen rutschte der Aktienkurs wieder deutlich unter die Marke von zehn Euro. Das Unternehmen hatte zuletzt Fortschritte und eine neue Partnerschaft mit einem Meeresforschungsinstitut in Sachen Genom-Editierung bekanntgegeben. Bis sich diese wirtschaftlich auswirken, dürfte es aber noch eine Weile dauern.

Im Depot Rhein-Neckar brillierte die Aktie des Energieversorgers MVV Energie. Der lieferte die Tage das beste Ergebnis seiner Firmengeschichte ab. Die Sparte erneuerbare Energien baute neue Solar- und Windenergieanlagen, die kühle Witterung und höhere Preise für Gas und Strom machten sich sehr positiv im Zahlenwerk bemerkbar. Außerdem gibt es noch eine höhere Dividende. Das alles führte zu einem deutlich gestiegenen Aktienkurs. Gute Zahlen lieferte auch Südzucker, dank höherer Zuckerpreise und einem guten Bioethanolgeschäft. Der Aktienkurs legte aber nur leicht zu.

Schwächelnde Schwergewichte

Die Schwergewichte im Depot Rhein-Neckar, wie die BASF und SAP, schwächelten hingegen. Die Schweizer Großbank UBS hat die BASF-Aktie abgestuft. Analyst Andrew Stott sieht 2022 nur geringe Chancen für eine Trendwende der Papiere der Ludwigshafener. Die im Oktober noch erhoffte längere Stärkephase im Basischemiegeschäft dank China scheine nicht einzutreffen. Aufgrund neuer Ethylen-Kapazitäten, die an den Markt kämen, ist Stott inzwischen sogar sehr skeptisch.

Anders sieht das Oliver Schwarz von der Investmentbank Warburg. Die Schritte von BASF zu mehr Nachhaltigkeit sowie die Pläne, ein größerer Zulieferer für Hersteller von Elektroautos zu werden, verdienten weiterhin Applaus.

Zweistelliges Wachstum erwartet

Bei SAP dürfte nach Ansicht von Michael Briest von der Schweizer Großbank UBS die Beschleunigung des Cloud-Geschäfts im kommenden Jahr die Neubewertung der Aktien der Walldorfer antreiben. Er rechnet für 2022 mit einer Wachstumsrate über Plan hinsichtlich der Ziele für 2025. Der US-Bank JPMorgan zufolge hat der digitale Wandel mit der Pandemie Fahrt aufgenommen, so Analystin Stacy Pollard. Es winke für Jahre zweistelliges Wachstum bei SAP.

Im Depot Rhein-Main hoffen die Geldhäuser auf höhere Zinsen der Notenbanken. Damit könnten sie neue, alte Einnahmequellen zurückbekommen. Klassenbester in Europa in einem schlechten Jahrgang ist die Deutsche Bank. Aber auch hier kam der Aktienkurs zuletzt nicht vom Fleck. Der US-Konkurrenz hinkt sie noch meilenweit hinterher. Die Deutsche Bank habe ihre Kosten im Griff loben Analysten. Das ist anderswo eine Selbstverständlichkeit, sagt aber viel aus.

Omikron trifft auch Lufthansa

Bei der Commerzbank ging es sogar noch weiter bergab. Andreas Pläsier von der Investmentbank Warburg hob möglicherweise schnelle Fortschritte bei Kostensenkungen und weniger Rückstellungen für Kreditausfälle hervor. Einzige Chance und auch nur für langfristig orientierte Anleger: Die Kurse der deutschen Banken scheinen angesichts der aktuellen Bewertungen günstig.

Bei der Lufthansa bedrohen neue Corona-Einschränkungen und die Omikron-Variante die Erholung. Weitere Lockdown-Maßnahmen erhöhten jedoch die Paketvolumina, ähnlich wie im Vorjahr. Und die Preise für Containerfracht bleiben extrem hoch, so William Howard von der Privatbank Berenberg.

Auch beim Flughafenbetreiber Fraport sorgt die neue Omikron-Variante für Unsicherheit, meint Analystin Elodie Rall von der US-Bank JPMorgan. Am Erholungsszenario ändere sich aber nichts, es werde höchstens etwas verzögert. Unterdessen werde die neue Konzession für den Flughafen Antalya teuer, meint Analystin Ruxandra Haradau-Doser von Kepler Cheuvreux. Barmittelzuflüsse erwartet sie daraus erst 2027.

Drei Regionen – drei Depots: Das Aktienranking des Bergsträßer Anzeigers

Der Bergsträßer Anzeiger hat verschiedene regionale Aktiendepots zusammengestellt und berichtet in regelmäßigen Abständen über die Entwicklung dieser (fiktiven) Geldanlagen.

Im Depot Bergstraße/Südhessen sind die Anteilsscheine des Dentaltechnikweltmarktführers Dentsply Sirona enthalten, ebenso die Papiere von TE Connectivity. Beide Konzerne sind an US-Börsen notiert. Für den besseren Vergleich werden Euro-Wechselkurse verwendet. Mit von der Partie sind die Anteilsscheine des Flurfördertechnikunternehmens Jungheinrich und des Zwingenberger Biotechunternehmens Brain. Nicht fehlen darf natürlich der Dax-Konzern Merck aus Darmstadt.

Im Depot Rhein-Neckar liegen Aktien des Softwarekonzerns SAP, des Mannheimer Energieversorgers MVV, von Südzucker, dem Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub sowie der BASF.

Das Depot Rhein-Main enthält Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank, sowie von Lufthansa und Fraport. Hinzu kommt der Bad Homburger Fresenius-Konzern. mir

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