Gäbe es eine Auszeichnung für die Beherrschung der leisen Töne, Martina Weber hätte sie verdient. Sachte, wie auf Zehenspitzen, schleichen sich ihre Verse in die Gedanken. "über dem heizungskörper am fenster kann ich ein gitter ertasten während der erste schnee sich auf die autos auf dem parkplatz legt": So beginnt eines ihrer 59 Gedichte in ihrem jetzt erschienen ersten Gedichtband "erinnerungen an einen rohstoff". Die gedämpfte Wortmelodie unterstreicht die Lyrikerin, indem sie ausschließlich Kleinbuchstaben verwendet.
Lyrikdebüt der Preisträgerin
Weber wurde 1966 in Mannheim geboren, lebt inzwischen in Frankfurt. Die Juristin hat ihre Werke bisher unter anderem in Literaturzeitschriften veröffentlicht. Im Jahr 2007 wurde sie mit dem Mannheimer Literaturpreis der Räuber '77 ausgezeichnet, außerdem erhielt sie 2009 das Frankfurter Autorenstipendium und ist Trägerin des Georg K. Glaser-Förderpreises (2008).
In ihren Gedichten beobachtet Martina Weber mit einem unglaublichen Scharfsinn selbst banale Dinge wie Regentropfen: "oben am steinacker fällt regen auf die weißen zweige das ist alles was im Himmel wohnt auf eine art die unangreifbar macht beugen sie sich".
Das Fehlen der Satzzeichen erschwert das Lesen, hat aber zur Folge, das man das Geschriebene mehrmals lesen muss, was das Tempo verringert. Das Lyrische Ich will die Leser keinesfalls auf eine Reise in die Glückseligkeit mitnehmen. Im Gegenteil, die Gedichte sind durchzogen von düsteren Stimmungen, Hilflosigkeit und Einsamkeit. Fast schon depressiv klingen Aussagen des Gedichts "eine rot gestrichelte linie im meer". Verse wie: "gelingt es der Mutter nicht: wegzuatmen den Schmerz" wirken beklemmend. Aufgeworfene Fragen werden nicht beantwortet und wirken teilweise sogar anklagend.
Etwas zu abstrakt wirkt das Gedicht "ohne kompass ohne atlas", in dem die Autorin den Vorgang, Zucker durch Umrühren im Kaffee zu schmelzen, auf den Menschen transportiert. So leise, wie die Lyrikerin die Bühne der Poesie betritt, so behutsam verabschiedet sie sich. Plötzlich steht der Leser allein da - um sich zu vergewissern, ob die Strophen doch Antworten parat haben, wird er die Texte ein zweites Mal lesen. cap/sm/Bild: Hentrich/sm
Das Buch: "erinnerungen an einen rohstoff", Poetenladen, 88 Seiten
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