Wirtschaft

Marktpotenzial für Bensheimer Unternehmen Reckeweg in Indien

Von 
Thomas Tritsch
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Besuch aus Indien bei der Firma Reckeweg in Bensheim (von links): Natalie Reckeweg, David Reckeweg-Lecompte, der indische Generalkonsul Amit Telang, Konsul Vinod Kumar sowie Matthias Zürker und Kathrin Fausel von der Wirtschaftsförderung Bergstraße. © Thomas Neu

Bergstraße. Bei seinem Besuch der Firma Dr. Reckeweg in Bensheim hat sich der Generalkonsul der Republik Indien in Frankfurt, Amit Telang, über die Historie und aktuellen Expansionsbestrebungen des Familienunternehmens informiert. Neben dem Schwerpunkt homöopathische Arzneimittel ging es bei dem Treffen auch um das neue Geschäftsfeld der Pharmazeutischen Fabrik, die ihr Produktportfolio in den kommenden Jahren um medizinische Cannabis-Präparate erweitern wird.

Unter den internationalen Märkten rangiere Indien in diesem Segment ganz vorn, sagte Geschäftsführer David Reckeweg-Lecompte im Gespräch mit dem Diplomaten. Amit Telang zeigte sich an den Plänen des Unternehmens sehr interessiert und sagte zu, den wissenschaftlichen Austausch zwischen Forschungseinrichtungen in Indien und Deutschland zu unterstützen, um mehr über die heilenden Wirkungen der Pflanze herauszufinden.

„Beeindruckende Historie“

Konsul Telang trat 2005 in den Auswärtigen Dienst ein. Er wurde 2007 in die indische Botschaft in Berlin versetzt und war dort beim Start einer zwischenstaatlichen Kommission beteiligt, die die strategische Partnerschaft beider Länder ausbauen sollte. Seit August 2020 ist er Generalkonsul der Republik Indien in Frankfurt. Sein Konsularbezirk umfasst die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland. „Die Historie des Unternehmens ist sehr beeindruckend“, sagte er in Bensheim.

Das Wissenschaftsgebiet der auf Cannabis basierenden Arzneimittel entwickle sich gerade sehr rasant, so Reckeweg-Lecompte. Die bisherige Produktpalette soll von der Dynamik in der neuen Sparte nicht beeinflusst sein und wie gewohnt weiterlaufen, hieß es bei dem Termin. Die Potenziale von Cannabis seien indes enorm – allein an der medizinischen Anerkennung hapert es. Die fehlende wissenschaftliche Bestätigung hat Cannabis mit der Homöopathie gemein.

Die Forschung beschleunigen

Weltweit laufen derzeit hunderte von klinischen Studien, die die Effekte von Arzneimitteln auf Cannabisbasis untersuchen und zu neuen Erkenntnissen führen sollen. Gemeinsam mit der Firma Eurox Pharma, die zusammen mit Partnern weltweit unterwegs ist, um cannabis-basierte Arzneimittel und Produkte herzustellen und zu vertreiben, arbeite man bereits mit führenden Universitäten auf diesem Gebiet zusammen, um den wissenschaftlichen Fortschritt zu beschleunigen. Neben Bernhard Babel ist Reckeweg-Lecompte Co-Geschäftsführer des Unternehmens.

Das Kürzel GMP spielt in diesem Prozess eine wichtige Rolle: die Good Manufacturing Practice („gute Herstellungspraxis“) als Bündel an Vorschriften und Richtlinien soll gewährleisten, dass alle Aspekte des Entwicklungsprozesses den höchsten Sicherheits- und Qualitätsstandards entsprechen. In Bensheim sei dies im Bereich des homöopathischen Portfolios bereits seit Anfang der 1990er Jahre der Fall, als das Unternehmen in moderne Produktionsgebäude investiert hatte, wie Natalie Reckeweg bei einem kurzen Blick in die Biografie der Firma erläuterte. Seit kurzem könne man diesen Anspruch auch bei der neuen pflanzlichen Sparte erfüllen.

Der Weg zu Cannabis „made in Germany“ sei daher bereits auf der Zielgeraden, so David Reckeweg-Lecompte. Seit Gründung der Pharma-Gesellschaft im Jahr 2019 habe sich eine Menge getan. Schon ein Jahr später folgten die Vertriebslizenz für Deutschland und der Beginn des Verkaufs von cannabisbasierten Arzneimitteln. Seit Sommer 2020 dürfen solche Produkte in Deutschland hergestellt werden. Eine Markteinführung stehe demnächst bevor. Schon seit längerem gibt es Anbaulizenzen in Dänemark, Spanien und Portugal. In Bensheim werden die Blüten in einem stark gesicherten „Bunker“ unter dem Firmengebäude weiter verarbeitet.

Hier hat Eurox einen eigenen spezialisierten Produktionsbereich aufgebaut. Reckeweg ist als einer der Anteilseigner bei dieser Kooperation exklusiver Produzent für Deutschland. Die lange Erfahrung in der Produktion pflanzlicher Arzneimittel auf hohem pharmazeutischen Niveau sei auch auf die Cannabis-Medizin übertragbar, so der Geschäftsführer, der das Bensheimer Unternehmen in der vierten Generation leitet und nun ein zweites Standbein aufbauen möchte.

Die Wertschöpfungskette soll komplett in eigener Hand bleiben – vom Anbau bis zur Lieferung an Apotheken. Ziel ist der Sprung auf den deutschen und internationalen Markt. Das größte Potenzial sieht die Fabrik in verarbeiteten und medizinisch relevanten Cannabisprodukten wie etwa Extrakten, die in Bensheim nach hohen Qualitätsstandards hergestellt werden. Seit März 2017 dürfen Ärzte jeder Fachrichtung in Deutschland Cannabisblüten und Extrakte verordnen. Die regulatorischen Anforderungen beim Handel sind allerdings hoch. Cannabis fällt unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Als eine der zentralen Herausforderungen neben der eigentlichen Marktpräsenz sieht David Reckeweg-Lecompte eine forcierte Grundlagenforschung sowie eine gesellschaftliche Anerkennung der Pflanze als Heilmittel. „Cannabis muss das Stigma als Rauschmittel loswerden.“ Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das Unternehmen eng mit Kliniken und Wissenschaftlern zusammen. Unter anderem mit der Universität Frankfurt. Weitere Kooperationen mit Hochschulen sind in Planung.

Besserer Ruf in Indien

Für das 1947 gegründete mittelständische Familienunternehmen ist die Erweiterung des Sortiments ein Teil der internen Diversifizierungsstrategie mit einer Streuung der Geschäftsbereiche. Die Exportquote der Bensheimer rangiert bereits heute bei rund 90 Prozent, der Wachstumskurs dauert seit Jahren an. Seit 1955 befindet sich das Unternehmen in Bensheim und beschäftigt am Standort rund 235 Mitarbeiter. Für die neue Sparte wurden 35 zusätzliche eingestellt. Derzeit beliefert man 40 Länder aus einem Portfolio von verschiedenen Produkten.

Mit Cannabis kommt nun ein weiterer natürlicher Rohstoff hinzu. „Der Markt boomt“, so David Reckeweg-Lecompte, der vor allem in Indien ein beachtliches Potenzial erkennt. Die traditionelle Heilkunst Ayurveda, die dort seit Jahrhunderten praktiziert wird, verwendet Cannabis in Kombination mit anderen Stoffen als Heilmittel. Daher werde die Pflanze auf dem Subkontinent nicht ausschließlich mit einer berauschenden Wirkung verbunden und genieße daher ein positiveres Image. Im kommenden Jahr möchte Reckeweg die Drähte nach Indien festigen und erste Produkte anbieten. Der Konsul will dabei helfen.

Reckeweg in Indien

Der Reckeweg-Partner in Indien ist dort wichtigster Importeur der Branche seit fast 40 Jahren.

Das Bensheimer Unternehmen ist aktuell Marktführer im Bereich homöopathischer Produkte.

Alle zwei Sekunden kauft in Indien jemand ein Reckeweg-Präparat.

Im Jahr 2021 verzeichnete das Unternehmen in Indien über 20 Millionen Euro Umsatz.

Durch ein breit aufgestelltes Produktsortiment wird der Markt mit über 2.500 Präparaten versorgt. tr

Begleitet wurde der Besuch des indischen Gastes bei Reckeweg ...

Begleitet wurde der Besuch des indischen Gastes bei Reckeweg von der Wirtschaftsförderung Berg straße. Geschäftsführer Matthias Zürker informierte den Generalkon sul über die Dynamik am Wirt schaftsstandort und das Potenzial für weitere Ansiedlungen.

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