Bergstraße. In der Sporthalle der Werner-von-Siemens-Schule in Lorsch werden ab nächster Woche Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Das teilten Landrat Christian Engelhardt und Kreisbeigeordneter Karsten Krug am Donnerstag mit. Das Gebäude dient dem Kreis dabei als Erstaufnahmeeinrichtung. Bis zu 200 Personen sollen dort temporär Platz finden.
Bis Sonntag kann die Halle noch für den Schul- und Vereinssport genutzt werden, ab Montag beginnen die Arbeiten zur Umgestaltung. Neben Schlafgelegenheiten müssen unter anderem Waschmaschinen und Trockner installiert werden. Die ersten Geflüchteten sollen nach Auskunft von Krug ab Donnerstag (31.) nach Lorsch kommen. Der Kreis bekommt wöchentlich vom Land 150 Menschen aus den Kriegsgebieten zugewiesen, die dann auf Unterkünfte verteilt werden müssen.
Am Donnerstagabend kamen jedoch nur 50 Geflüchtete an. „Darum hatten wir mit Blick auf die noch nicht vorhandenen Kapazitäten gebeten“, erklärte der Bergsträßer Sozialdezernent. Die meisten erhalten über private Kontakte ein Zimmer oder eine Wohnung, eine achtköpfige Familie wird kurzfristig im Dorfgemeinschaftshaus Affolterbach unterkommen können, wo eine ehrenamtliche Betreuung eingerichtet wird.
Landrat Engelhardt bedankte sich bei allen Helfern und Unterstützern sowie ausdrücklich beim Schulleitungsteam der Werner-von-Siemens-Schule. In der ersten Flüchtlingswelle 2015 habe man es noch vermeiden können, Hallen zu belegen. Dieses Mal lasse es sich nicht vermeiden. Neben den Menschen aus der Ukraine müsse man noch „mehrere tausend andere Flüchtlinge unterbringen“, so der Behördenchef.
Aus diesem Grund habe man die eigenen Immobilien in den Blick genommen, um der schnellen Zuströme Herr zu werden. Beim Telefonat mit den Verantwortlichen in Lorsch habe Engelhardt schon mit einer gewissen Frustration gerechnet, „weil das bedeutet, dass Sportunterricht umorganisiert werden muss oder so nicht stattfinden kann“.
Die Reaktionen seien jedoch absolut positiv gewesen. Schulleiter Alexander Böhm habe gesagt, dass man sich der Herausforderung stelle und es wichtig sei, Solidarität zu zeigen. Es sei auch ein wichtiges schulisches Thema. „Der einzige wesentliche Wunsch war, dass möglicherweise andere Fächer anstelle des Sportunterrichts angeboten werden“, erklärte der Landrat. Das sei ein absolut starkes Signal.
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Bedarf an Zelten ist groß
Engelhardt bestätigte darüber hinaus, dass der Festplatz in Bensheim am Berliner Ring in den Planungen des Kreises eine Rolle spielt (wir haben berichtet). Dort könnte ein großes Zeltdorf als erste Anlaufstelle entstehen, ähnlich wie es vor sieben Jahren der Fall war. Ein konkreter Zeitplan konnte am Donnerstag nicht genannt werden. Die Geflüchteten könnten dort aber kurzzeitig untergebracht werden, bevor sie in Unterkünfte verteilt werden mit einer besseren Aufenthaltsqualität – und wo sie im Zweifel auch mehrere Monate oder dauerhafter leben können.
„Die Aufteilung soll dann innerhalb weniger Tage erfolgen“, bemerkte der Landrat. Eine ausreichend große Einrichtung, wie sie in Bensheim möglich ist, würde das Management der gesamten Situation einfacher machen. Ob demnächst die ersten Zelte gestellt werden, steht nicht fest. „Wir sind zurzeit dabei, den Markt zu sondieren, das ist nicht so einfach. Die Nachfrage ist groß.“ Die Zelte des Katastrophenschutzes wolle man dafür nicht heranziehen, vielmehr sucht der Kreis nach besseren Alternativen mit Boden. Schließlich dürften dort viele Familien mit kleinen Kindern und Hochbetagte Unterschlupf finden.
Bei der Aufteilung des Geländes sollten die Verantwortlichen genügend Erfahrungswerte und Pläne aus 2015 vorliegen haben, so dass an dieser Stelle nicht mit Verzögerungen zu rechnen ist.
„Technische Herausforderungen, die in der Verantwortung des Eigentümers liegen“ (Karsten Krug) gibt es aktuell noch beim 2016 geschlossenen Luisenkrankenhaus in Lindenfels. Diese betreffen wohl Wasserleitungen ebenso wie die Heizungsanlage. Im Moment laufe die Abstimmung mit den Handwerkern. Ab Mitte April will der Kreis das Gebäude für Flüchtlinge öffnen, die dann unter anderem aus Lorsch dorthin gebracht werden.
Nicht nur im Odenwald und an der Bergstraße läuft die Suche nach geeigneten Immobilien – von Wohnungen über Hotels bis hin zu Gewerbehallen – auf Hochtouren. Engelhardt bestätigte auf Nachfrage, dass in Viernheim keine Schulsporthalle belegt werde, dafür seien umgebaute Lagerhallen ein Thema.
Nach wie vor gibt es eine Abweichung bei der Zahl der Geflüchteten, die im Kreis vermutet werden (wohl mehr als 1000) und der Anzahl derjeniger, die vor Ort bei den Behörden gemeldet sind. Stand Mittwoch waren es in den Kommunen 950 Personen und ausländerrechtlich beim Kreis knapp 600. „Es ist wichtig, dass sich alle bei uns anmelden, sowohl in den Rathäusern als auch beim Ausländeramt“, appellierte Engelhardt.
Auf der Homepage informieren
Auf der Homepage des Kreises kann man sich mehrsprachig informieren, darüber hinaus steht die vor ein paar Monaten gestartete Integrations-App ab sofort zusätzlich auf Ukrainisch zur Verfügung. Versorgungen im Krankheitsfall oder Erstattungskosten für die Behörde in Heppenheim hängen beispielsweise von einer Registrierung ab.
Der Landrat sprach allgemein von einem „riesigen Personalaufwand“ für seine Verwaltung – und das in einer Zeit, in der man seit Pandemiebeginn „bis in die Haarspitzen mit Zusatzaufgaben versehen ist“. Das System sei enorm belastet, viele Leute hätten Außergewöhnliches geleistet. Engelhardt hat deshalb die Bürgermeister gebeten zu prüfen, ob sie Mitarbeiter erübrigen können. Eine entsprechende Bitte will er auch an das Land schicken. „Es müssen alle aushelfen. Ich bin froh über jeden, der mit anpackt.“
Generell sei die Lage sehr fordernd, weil sie wie eine Blackbox sei. Man bekomme vom Land täglich Prognosen, aber das Ganze habe sich weniger dynamisch entwickelt. Bisher sind in Hessen weniger Flüchtlinge über die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen angekommen als gedacht. „Wir erwarten aber mehr als ursprünglich geplant“, blickte Engelhardt voraus. In dieser unsicheren Situation versuche man einerseits, die Ressourcen zu schaffen, um Geflüchtete schnell unterzubringen.
Andererseits wolle man nicht zu viele Kapazitäten kaufen. Wenn diese nicht genutzt würden, koste das Geld. Das Finanzielle ist durchaus ein Punkt, das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der humanitären Hilfe und der Verpflichtung, die daraus erwächst. „Es darf keine Grenze nach oben geben“, sagte der Verwaltungschef in Bezug auf die Aufnahmemöglichkeiten. Man werde alle in Deutschland unterbringen, die nach Deutschland fliehen. „Das ist humanitäre Verantwortung und das werden wir auch schaffen.“
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