Jahresbericht

Legalisierung von Cannabis heißt mehr Arbeit für die Suchtberatung

Prisma plädiert für einen Ausbau der Hilfsangebote für Erwachsene und gefährdete Jugendliche.

Von 
Stephen Wolf
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Die Vorstellung des Jahresberichts und der aktuellen Präventionsbroschüre bei Prisma in Lampertheim. © Berno Nix/sm

Bergstraße. Mit der geplanten Legalisierung von Cannabis dürfte der Arbeitsaufwand bei der Suchtberatungsstelle Prisma steigen. Die Mitarbeiter erwarten einen „deutlich steigenden Bedarf“ an Unterstützung für Jugendliche und Familien, wie es heißt. Bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021 hat der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo), Sebastian Parker, zudem darauf aufmerksam gemacht, dass schon im Jahr 2021 der Bedarf in den Beratungsstellen in Lampertheim, Viernheim und Bensheim gestiegen ist. Dem Bericht zufolge wurden im Jahr 2021 insgesamt 544 Menschen von den Prisma-Fachleuten beraten. „Der Konsum von Alkohol und Cannabis wurde als häufigster Grund bei der Kontaktaufnahme angegeben“, sagte Parker.

Längere Wartezeiten möglich

Allerdings sei auch der Opiatgebrauch für viele Konsumierende zunehmend problematisch, da riskante Konsumweisen zu einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheit führten. Außerdem habe sich gezeigt, dass Glücksspiel und übermäßige Mediennutzung für zahlreiche Hilfesuchende sowie oftmals auch für deren Familien zum Problem geworden sind. Zu den Folgen dieser Abhängigkeiten gehöre etwa der drohende Verlust des Arbeitsplatzes und der Wohnung sowie das Anhäufen von Schulden.

Da es an Personal und Geld fehle, leide die zeitnahe und ausreichende Unterstützung für betroffene Menschen und deren Familien. Beratungsangebote der Awo Bergstraße sind für alle Menschen kostenfrei. Finanziert werden sie durch öffentliche Mittel. Durch weiterhin steigende Kosten in der Zukunft werde das Angebot zudem weiter eingeschränkt, sagte Prisma-Mitarbeiterin Nikita Girard. So sei etwa zu erwarten, dass sich die Wartezeiten verlängern – und das trotz steigender Nachfrage.

Prisma-Jahresbericht 2021

Prisma mit seinen drei Standorten Lampertheim, Viernheim und Bensheim ist ein Angebot des Arbeiterwohlfahrt-Kreisverbands Bergstraße (Awo).

544 Klienten kamen 2021 (2020: 537). Dabei gab es insgesamt 2568 Kontakte zu Mitarbeitern von Prisma.

Hauptsubstanzen: Alkohol, Cannabis und Opiate, aber auch Amphetamine und Kokain.

Cannabis wird vor allem von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konsumiert. Alkohol ist vor allem im Alter zwischen 45 und 60 Jahren ein Problem. Opiate werden eher in der Altersgruppe von 35 bis 60 Jahren konsumiert.

Seit Januar 2021 bietet Prisma eine Fachberatung sowie Präventionsangebote für Betroffene und Angehörige von Medienabhängigkeit an.

Der Trend zunehmender Beratung von Angehörigen hat sich mit 131 Personen weiter fortgesetzt. Prisma beriet also mehr als doppelt so viele Angehörige wie noch 2019. Damit ist fast jede dritte Beratung eine Angehörigen- oder Elternberatung.

Bei der Suchtberatung hat auch die Betreuung von konsumierenden Vätern oder Müttern mit Kindern weiterhin einen hohen Stellenwert. Im Jahr 2021 betreuten die Mitarbeiter von Prisma insgesamt Familien mit 26 minderjährigen Kindern. wol/sm

Der Faktor Zeit sei aber von erheblicher Bedeutung. Das gelte beispielsweise für die Vermittlung in einen Entzug, in eine Rehabilitation oder auch in eine Selbsthilfegruppe. „Vielfach haben Menschen, die in die Beratung kommen, Familie und Kinder, für die mit der Sucht einhergehende Belastungen schwer auszuhalten sind.“ Daher sei Eile geboten, wenn es etwa um die Unterstützung von Familienmitgliedern gehe.

„Die Angehörigenberatung ist ein wichtiger Bestandteil unseres Angebots“, betonte Girard. So sei 2021 fast jede dritte Beratung ein Gespräch mit Eltern oder Angehörigen gewesen. Im Zentrum der Arbeit mit Suchtkranken stehe der Aufbau einer belastbaren Beziehung, um Klienten unterstützen zu können. Das erfordere viel Zeit und häufig mehrere Beratungstermine.

„Zudem gibt es einige Hilfesuchende, die zu einem problematischen Konsum auch eine psychische Erkrankung haben. Dies benötigt Bedarf an flexiblen und individuellen Hilfestellungen“, heißt es im Jahresbericht. Auch Einrichtungen wie Schulen wenden sich demnach verstärkt mit der Bitte um Unterstützung und Intervention an Prisma.

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Daher fordert die Arbeiterwohlfahrt für Suchtberatung und -prävention eine am Bedarf orientierte und ausreichende Finanzierung. Wie groß der Bedarf ist, zeige sich anhand von Befragungen bei Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe im Kreis. Daran nahmen im vergangenen Jahr 33 Einrichtungen teil, darunter 20 weiterführende Schulen, wie auch Einrichtungen der Jugendhilfe und weitere Beratungsstellen, die mit Jugendlichen zusammenarbeiten, heißt es von Prisma.

Nach Einschätzung der dortigen Fachkräfte benötigen aktuell etwa 440 Jugendliche Hilfe aufgrund ihres Drogenkonsums. Jedoch gebe es bisher kein entsprechendes, flächendeckendes Angebot im Kreis. Dabei sei ein Angebot für Jugendliche dringend notwendig, um riskanten Konsum zu reduzieren und Abhängigkeit vorzubeugen.

Es fehlt an Geld

Die Suchtberatungsstelle Prisma würde daher gerne die Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten (FreD) anbieten. Dabei handelt es sich um ein kostenfreies Kursangebot für Jugendliche und junge Erwachsene, die erstmals durch den Besitz von Cannabis aufgefallen sind. Die jungen Menschen könnten von Schulen, Ausbildungsbetrieben, Eltern, aber auch von Behörden wie Jugendhilfe und Justiz für einen solchen Kurs bei einer Beratungsstelle wie Prisma angemeldet werden.

Mögliche Probleme, etwa Schulverweise, Verlust des Ausbildungsplatzes oder Straffälligkeiten könnten durch eine Kurzintervention und einen solchen Kurs entschärft werden, argumentiert Prisma. Die Beratungsstelle würde den Bedarf im Kreis nach eigenen Angaben gerne decken. Allerdings fehle bisher noch das nötige Geld. /sm

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