Bergstraße. Wo andere zu Beginn des Arbeitstages ihren Computer hochfahren und im Halbschlaf zur Kaffeemaschine schlurfen, startet Felix Hummel erst einmal einen tonnenschweren Jet, der kurz darauf abheben wird.
Denn der aus dem Fürther Ortsteil Kröckelbach stammende und heute bei Frankfurt lebende 30-Jährige hat einen nicht ganz alltäglichen Beruf: Seit über drei Jahren steuert er als Erster Offizier, auch Co-Pilot genannt, für eine große deutsche Airline einen Airbus A320 auf Linienflügen – vor allem auf Kurz- und Mittelstrecken.
Dass er einmal hoch hinaus will, war ihm bereits als Teenager klar, erzählt er bei einem Treffen mit unserer Redaktion. Bereits mit 14 Jahren steuerte er zum ersten Mal einen Segelflieger beim Luftsportverein in Weinheim und legte mit 16 Jahren den Segelflugschein ab. Die Berechtigung, Motorsegler zu fliegen, folgte. Den Traum, einmal beruflich zu fliegen, hegte er schon damals: „Das war schon immer mein Plan A.“
So hat seine Ausbildung schon vor der eigentlichen Zeit an der Flugschule in Bremen begonnen. „Beim LSV Weinheim lernt man nicht nur Flugzeuge kennen, sondern auch die Zusammenarbeit im Team und die Kommunikation untereinander in einem komplexen, technischen Umfeld zu beherrschen“, sagt er. „Klar, es ist nicht unbedingt der Traum eines jeden Segelfliegers, Berufspilot zu werden, aber der Verein ist eine tolle Basis.“
So kam auch der Kontakt zur Airline zustande, denn einige Vereinskollegen seien ebenfalls dort angestellt.
Herausfordernde Ausbildung
Bis er allerdings seinen ersten Linienflug bestreiten konnte, sollte noch einige Zeit vergehen. Denn zuvor müssen Piloten eine Flugschule besuchen – sei es die einer Airline oder eine private. Diese Ausbildung schloss er 2020 ab, aufgrund der Pandemie ist er aber erst seit 2022 als Co-Pilot tätig.
Heute blickt Hummel mit Stolz zurück auf seinen Werdegang – auch wenn dieser aufgrund von Wartezeiten und der Corona-Pandemie nicht immer geradlinig verlief und das Risiko, zu scheitern, stets präsent war. „Ich denke, es lohnt sich, Ausdauer und Willenskraft für die Dinge im Leben aufzubringen, die einem wichtig sind. Für mich war es eben der Weg ins Airline-Cockpit.“
An seinen ersten Linienflug kann er sich noch gut erinnern: Los ging es gleich international mit einer Strecke nach Griechenland. „Ich habe es genossen, war aber auch gleichzeitig etwas aufgeregt. Man wird zwar in der Ausbildung gut darauf vorbereitet und hat schon einmal eine Linienmaschine gelandet, aber mit den Passagieren ist es schon etwas anderes.“
Keine normalen Arbeitszeiten
An diesem Tag ging es auch gleich wieder nach Deutschland zurück. Den Feierabend aber in den eigenen vier Wänden zu verbringen, ist nicht selbstverständlich. Herkömmliche Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr gibt es als Pilot nicht. Drei bis vier Flüge können auf einen Arbeitstag entfallen, vor allem, wenn es sich um kurze Flugzeiten handelt, erklärt er. „Mein längster Flug bisher war nach Marsa Alam (Ägypten), das waren etwa fünfeinhalb Stunden“, sagt er. Den Rückweg und die Vorbereitungszeit nicht eingerechnet. Diese Tage können dann ziemlich lang werden.
Der Dienstplan regelt auch, wo Hummel seinen Feierabend verbringt. So kommt es zuweilen vor, dass er fünf Tage am Stück unterwegs ist und jede Nacht an einem anderen Ort in einem anderen Hotel übernachtet, bevor es am nächsten Tag wieder weitergeht. „Das hat alles seine Vor- und Nachteile“, sagt er. Er habe dafür auch mal dann frei, wenn alle anderen arbeiten müssen, und kann seinen Feierabend – und mit etwas Glück sogar einen freien Tag – dort verbringen, wo andere Urlaub machen. „Die Pizza in Neapel oder das Entrecote in Toulouse schmecken nach den Flügen besonders gut“, sagt er überzeugt. „Man ist überall ein bisschen daheim.“
Inzwischen hat er ganz Europa bereist. Wo es ihm am besten gefällt, kann er gar nicht so recht sagen. „Ich bin gern in Skandinavien oder Italien, aber auch in Deutschland gibt es viele schöne Orte“, zählt er auf. Fernweh in seinem eigenen Urlaub habe er trotzdem – „auch wenn ich meine Freizeit gern am Boden mit Freunden verbringe“.
Es gibt natürlich auch andere Seiten der Berufsfliegerei für Hummel: Linienflüge finden unter anderem nachts oder eben auch am ganz frühen Morgen statt. Und damit es pünktlich losgehen kann, muss er in diesen Fällen dann, wenn andere gerade ins Bett gehen oder bereits selig schlafen, wieder aufstehen. „Aber wer sich für die Fliegerei entscheidet, muss damit umgehen können“, sagt er klipp und klar. „Man arrangiert sich mit dem Wecker um 3 Uhr nachts. Der Sonnenaufgang über den Wolken ist aber ein schöner Nebeneffekt, vor allem, wenn es darunter im Berufsverkehr noch regnet.“
Bevor der Jet nämlich abheben kann, geht es für ihn und seinen Flugkapitän erst einmal zum Briefing, dann muss der Airbus durchgecheckt und startbereit gemacht werden. „Beim Start und der Landung fliegen wir selbst, das Geradeausfliegen im Reiseflug übernimmt dann der Autopilot“, erklärt er. Was nicht heißt, dass sich die Piloten einfach zurücklehnen können. Schließlich will das Flugzeug auch bedient, der Funkverkehr betreut und die Navigation übernommen werden. In der Regel wechseln sich er und der Flugkapitän bei diesen Aufgaben ab.
Zusammenhalt wichtig
Besonders schätzt er nicht nur die Ausblicke, die Geschwindigkeit und die Orte, die er besucht, sondern auch den Zusammenhalt. „Es ist schön, mit den Flugkapitänen, die mich teilweise als Segelfluglehrer in Weinheim ausgebildet haben, gemeinsam unterwegs zu sein und die Welt kennenzulernen“, erzählt er. Manchmal komme es vor, dass ihn der Flugweg auch über die Bergstraße führe.
„Dann schaue ich gerne runter und muss lächeln. Denn da ist er, der Segelflugplatz in Weinheim“ – dort, wo die Geschichte ihren Anfang nahm.
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