Bergstraße. Der Kreis Bergstraße belegt im Ranking der sichersten Landkreise und kreisfreien Städte in Hessen den fünften Platz. 2021 war es Rang vier. „Damit können wir buchstäblich gut leben. Die Bergstraße ist nach wie vor sehr sicher“, so Kriminaldirektorin Juliane Ries bei der Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2022 am Donnerstag in Darmstadt. Die Leiterin der Polizeidirektion Bergstraße meldet für die Region eine insgesamt erfreuliche Entwicklung.
Die Zahlen sprechen für sich: Jeder vierte Wohnungseinbruch wird aufgeklärt, die Straßenkriminalität zeigt sich gegenüber dem statistisch relevanten Vergleichsjahr 2019 – vor der Pandemie – sowie im Gesamtblick seit 2003 weiterhin rückläufig. Auch die Aufklärungsquote rangiert insgesamt weiter auf hohem Niveau und hat sich in den letzten 20 Jahren um 18 Prozentpunkte auf aktuell 63,4 Prozent gesteigert. Damit liegt sie sogar leicht über dem südhessischen Durchschnitt.
Schutz gegen Wohnungseinbrüche
Zudem verzeichnet die zweitgrößte Flächendirektion des Polizeipräsidiums Südhessen mit ihren rund 270 000 Einwohnern weiterhin niedrige Fallzahlen. Die sogenannte Häufigkeitszahl, die Straftaten pro 100 000 Einwohner definiert, ist im vergangenen Jahr auf 3311 (knapp 9000 Delikte) gesunken. Damit ging die Kriminalitätsbelastung in der Region seit 2004 um über 42 Prozent zurück. Im Vergleich zu 2015 – mit 478 Fällen ein Rekordjahr bei Wohnungseinbrüchen – verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr nur 208 gemeldete Straftaten. 37 Prozent endeten im Versuchsstadium.
Südhessen ist ein Hotspot bei der Sprengung von Geldautomaten
- Es ist eine explosive Variante des Banküberfalls: die Sprengung von Geldautomaten. Ein Raubdelikt, der über organisierte Banden nach Deutschland gekommen war.
- Die Bergstraße hatte sich 2021 zu einem negativen Hotspot in Südhessen entwickelt. Von den acht Fällen wurden sechs im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Bergstraße begangen; davon wiederum fünf in Lampertheim und Viernheim sowie einer in Lautertal.
- Im Jahr 2022 wurden hessenweit 41 Sprengungen erfasst – davon sieben in Südhessen mit einem finanziellen Schaden von über einer Million Euro, die in drei Fällen erbeutet wurden.
- Der Schwerpunkt hatte sich zuletzt auf den Landkreis Darmstadt-Dieburg verlagert. Durch die Kooperation mit Banken sei es landesweit gelungen, dieses Phänomen durch erhöhte Prävention und intensiven Kontrolldruck einzudämmen, so die Polizeidirektion. Hessen sei für Täter unattraktiv, so Björn Gutzeit. tr
Laut Benjamin Henne, seit Herbst neuer Leiter der Regionalen Kriminalinspektion Bergstraße, sei dies auch ein Zeichen für eine erhöhte Sensibilität in der Bevölkerung, die sich heute weitaus besser gegen Einbrüche schütze. Im Landkreis nehmen besonders viele Kommunen an der polizeilichen Präventionsinitiative Kompass für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum teil.
Weniger gute Nachrichten gibt es beim Thema Fahrraddiebstahl zu vermelden. Im vergangenen Jahr wurden im Kreis 439 geklaute Räder der Polizei mitgeteilt. Die Zahl liegt zwar etwas unter dem Vor-Corona-Niveau, doch die Schadenhöhe steigt weiter deutlich an. Dies liegt an den teureren E-Bikes, auf die es Langfinger besonders abgesehen haben.
Hochpreisige E-Bikes im Visier
Laut Dieter Rein, Leiter der Abteilung Einsatz, sind in jüngster Zeit wieder vermehrt organisierte Banden unterwegs, die es besonders auf hochpreisige Elektro-Fahrräder abgesehen haben. Benjamin Henne weist auf die Codierungsaktionen hin, die auch im laufenden Jahr wieder im Kreis Bergstraße stattfinden werden. Dies sei eine von mehreren Maßnahmen, um sich vor Diebstahl besser schützen zu können.
Eine Zunahme zeigt die regionale Statistik bei Fällen von Einbruchdiebstahl an Fahrzeugen. 2022 wurden 328 Delikte gemeldet, das sind knapp 100 mehr als 2019 und 74 mehr als im Vorjahr. Laut Henne gehen allein 80 Taten auf das Konto einer Gruppe von Jugendlichen, die im Weschnitztal unterwegs waren. Die Polizei rät dingend, Wertgegenstände wie Sonnenbrillen, Taschen oder Smartphones nicht offen im Fahrzeug liegen zu lassen.
Übergriffe auf Polizei und Helfer
Ein allgemeiner Trend, auch im Bund, ist der Anstieg von Rohheitsdelikten, also gewaltsamen Übergriffen auf die Polizei und andere Hilfs- und Rettungskräfte. Polizeipräsident Björn Gutzeit, seit August im Amt, spricht von einer besorgniserregenden Entwicklung und kündigt strafrechtlich scharfe Maßnahmen an. Die Täter müssten schnell und konsequent die Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.
In enger Kooperation mit der Staatsanwaltschaft Darmstadt hat das Polizeipräsidium Südhessen ein eigenes Sachgebiet bei der Kriminaldirektion eingerichtet, um Verfahren zügiger bearbeiten zu können. Gutzeit begrüßt die Forderung der Landesregierung nach einer weiteren Strafverschärfung bei Fällen, bei denen Einsatzkräfte angegriffen werden.
2022 wurden 513 Polizeibeamten Opfer einer solchen Straftat. Auch bei Feuerwehr und Rettungsdiensten weist die Statistik steil nach oben. Im Kreis Bergstraße waren im vergangenen Jahr 42 Personen betroffen, die Zahlen sind hier seit 2017 relativ konstant. „Leider ein Dauerthema“, betont Juliane Ries. Laut Polizei stelle man bei den Tatverdächtigen oft einen Solidarisierungseffekt fest, der sich gegen Vertreter des Staats richtet.
Die Täter werden immer jünger
Ebenfalls kritisch blickt Gutzeit auf die hessenweit wachsende Jugendkriminalität. Die Zahl der Straftaten von Menschen unter 21 Jahren ist auf einem neuen Höchststand, besonders bei Körperverletzungen. Und die Täter werden immer jünger: Der Anteil der straffällig gewordenen Kinder (unter 14 Jahre) ist in den letzten fünf Jahren von zwei auf 3,3 Prozent gestiegen. Die Polizei will dagegen mit entsprechenden Präventionskonzepten vorgehen, doch der Präsident weist auch auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung hin. „Wir brauchen eine institutionsübergreifende Zusammenarbeit.“
Noch dramatischer sieht es bei Sexualdelikten aus: Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben sich in den zurückliegenden sechs Jahren mehr als verdoppelt. Allein im Vergleich zu 2021 gab es 36 Prozent mehr Fälle. Die Öffnungen nach der Pandemie mit einer Rückkehr zum öffentlichen Leben hätten die Gelegenheiten für solche Übergriffe wieder verstärkt, doch der deutliche Anstieg der Zahlen ist laut Polizei Südhessen aber auch auf ein verändertes Anzeigeverhalten zurückzuführen: Opfer melden sexualisierte Gewalt häufiger als früher.
Delikte im digitalen Raum
Das gleiche Bild zeigt sich bei der Verfolgung von Kinderpornografie, durch mehr Strafanzeigen ergeben sich mehr Ermittlungsverfahren. Delikte bezüglich der Herstellung und Verbreitung sowie des Besitzes von Kinderpornografie haben sich seit 2017 verzwölffacht, im vergangenen Jahr wurden in Südhessen 627 Taten erfasst. Dieter Rhein betont, dass das Gros dieser Delikte im digitalen Raum stattfindet. „Viele Tatverdächtige sind Jugendliche, die oft in Unwissenheit über die Strafbarkeit Bilder über ihre Smartphones verschicken oder empfangen“, so der Abteilungsdirektor in Darmstadt. Im vergangenen Jahr wurde daher an hessischen Schulen die Interventionskampagne „Denken statt Senden“ gestartet, um über die Risiken im Netz und die potenziellen Konsequenzen aufzuklären. Über 15.000 Schüler, mehr als 800 Lehrer und knapp 1400 Eltern habe man damit bereits erreichen können.
„Brich Dein Schweigen“
Seit einem Jahr läuft zudem die Präventionskampagne „Brich Dein Schweigen“, die vom Polizeipräsidium Südhessen, den Rotary-Clubs aus der Region Darmstadt und Bergstraße und dem Verein „Bürger und Polizei Bergstraße“ initiiert wurde und von weiteren Hilfestellen und Kooperationspartnern unterstützt wird. Auch im Kreisgebiet gab es bereits mehrere Veranstaltungen dazu. Nach dem Motto „Hinter jedem Missbrauch steckt ein Gesicht“ kämpfen unterschiedliche Akteure gemeinsam gegen die Sprachlosigkeit.
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