On-demand-Verkehr

Lampertheim: Neuer Bus auf Abruf startet holprig

Nach der Einführung des neuen Angebots ist der Beratungsbedarf groß. Vor allem ältere Menschen fühlen sich überfordert.

Von 
Stephen Wolf
Lesedauer: 
Die Buchung des neuen On-Demand-Verkehrs per App gestaltet sich schwierig. Auch die Bestellung eines Kleinbusses per Telefon ist noch umständlich. © Berno Nix

Lampertheim. Öffentlicher Nahverkehr, der dem Fahrgast viele Freiheiten zubilligt: Wer könnte etwas dagegen haben? Idealerweise könnten Passagiere ungefähr dort einsteigen, wo sie gerade unterwegs sind. Und sie könnten mit dem Bus ziemlich genau dorthin gelangen, wohin sie wollen, es wäre genial. Tatsächlich gibt es seit wenigen Tagen ein solches Verkehrssystem, das die Menschen in Lampertheim nicht mehr an einen starren Fahrplan bindet, sondern flexibel sein soll. Seit Mitte August ist der sogenannte VRNflexline-Dienst in der Stadt aktiv, ein ÖPNV-Angebot, das ohne festen Fahrplan agiert und per App oder Telefon gebucht wird. Gut, oder?

Mitnichten. Denn der nun eingeführte Bedarfsverkehr sorgt für gemischte Reaktionen. Manche loben Flexibilität und Modernität des Systems, andere Lampertheimer zeigen sich verunsichert oder frustriert über mangelnde Kommunikation und technische Hürden. Einer von ihnen ist Horst Gützkow. „Ich bin 73 Jahre alt und muss sagen, mir fällt es wirklich schwer, einen Bus auf diese Weise zu bestellen“, sagt er am Telefon. Er ist nicht der einzige Leser, der sich gemeldet.

Technische Barrierensorgen für Schulungsbedarf

Dass mit dem neuen Busverkehr nicht alles rund läuft, wurde beispielsweise im Umweltausschuss der Stadt Lampertheim deutlich. Besonders die Kommunikation rund um das neue Angebot lasse zu wünschen übrig, lautete dort am Mittwoch der Tenor. Informationen zu der ÖPNV-Neuerung seien nicht überall zugänglich gewesen, eine Broschüre vom Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) habe nicht alle Haushalte erreicht, wie etwa Ute Striebinger vom Seniorenbeirat betonte. „Es besteht nach wie vor enormer Informationsbedarf“, bekräftigte sie im Ausschuss.

ÖPNV

Neues Angebot in Lampertheim: Kombination aus Taxi und Bus

Veröffentlicht
Von
Stephen Wolf
Mehr erfahren

Weil gerade ältere Menschen mit dem neuen System überfordert sind, habe man für den kommenden Seniorentag gemeinsam mit VRN verschiedene ehrenamtliche Mitarbeiter geschult. Diese sollen bei der Veranstaltung am letzten Augustwochenende den Frauen und Männern im gesetzten Alter die neue Praxis erklären.

Dennoch, angesichts der allgemeinen Verunsicherung, sei eine Veranstaltung dringend nötig, die sich an alle Bürger wende. Außerdem, so die Sprecherin des Seniorenrates, solle der Fahrgastbeirat zeitnah zusammenkommen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Auch Carola Biehal von der SPD und Franz Korb von der CDU mahnten, ohne ausreichende Information gerate ein eigentlich positives ÖPNV-Projekt in Misskredit. „Der Start war, nach dem, was ich gehört habe, nicht optimal. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass umfassende Informationen im Vorfeld unverzichtbar sind“, betonte Biehal.

Auch die telefonische Buchung ist mit Hürden verbunden

Auch die telefonische Buchung einer Fahrt gestaltet sich als Hürde. Denn eine Registrierung ist erforderlich, die über ein Online-Formular erfolgt, das anschließend per Post geschickt werden muss. Nach eigenen Angaben will der VRN auf diese Weise verhindern, dass Spaßvögel regelmäßig die kleinen Busse zu irgendwelchen Adressen beordern, wo am Ende womöglich niemand wartet. Aus Sicht mancher Bürger, insbesondere Senioren, dürfte der Gang zur Post nicht gerade benutzerfreundlich wirken. Zumal es dabei nur darum geht, später telefonisch einen Kleinbus bestellen zu können.

Positivere Töne schlug hingegen die FDP-Fraktion im Ausschuss an. Wie Thomas Bittner berichtet, habe er von Bürgern gehört, die den Service erfolgreich genutzt und besonders die Flexibilität geschätzt hätten. Dennoch betonen alle Fraktionen, dass es an der Zeit sei, dass der VRN eine erste Bilanz zieht und die Gelegenheiten nutzt, das Angebot den Bürgern näherzubringen. Lara Strubel, Vorsitzende des Lampertheimer Fahrgastbeirats, spricht ebenso von Startschwierigkeiten, sieht aber auch Potenzial im neuen Angebot. „Es ist ein gutes Angebot, gute Informationen sind aber zentral und müssen sorgfältiger beachtet werden.“

Der VRN betont, bei der Einführung neuer Systeme, wie etwa dem neuen Busverkehr in Lampertheim, seien Anfangsschwierigkeiten nicht ungewöhnlich. „Wir sind in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess und arbeiten daran, Probleme zügig zu lösen“, verspricht die zuständige Abteilungsleiterin des Verbands, Cristina Reisenauer.

Verkehrsverbund gibt sich selbstkritisch

Künftig wolle man sich um mehr Aufklärung und Unterstützung bemühen. Gleichwohl habe es auch eine Verkettung unglücklicher Zufälle gegeben. So sei etwa die Versendung von Info-Broschüren daran gescheitert, dass die Post diese als Werbung behandelte und nicht überall zustellen konnte. So seien die Broschüren nicht in Briefkästen eingeworfen worden, die mit dem Hinweis „Bitte keine Werbung“ versehen waren. „Das heißt, von 12.000 Postsendungen sind etwa 6.000 angekommen“, sagt Reisenauer.

Bei aller Selbstkritik, der VRN gibt sich auch zuversichtlich. Obwohl die App-basierte Buchung anfangs Probleme bereite, erwarte man eine Verbesserung im laufenden Betrieb. Ähnlich sei es auch in Landau gewesen, wo der VRN ebenfalls ein solches Angebot zur Verfügung stellt.

Beim Fahrgastverband Pro Bahn & Bus stellt man sich die Frage, wieso der VRN überhaupt die Nutzung einer App zur Bedingung gemacht hat, um einen Bus zu bestellen. „Aus unserer Sicht ist das unnötig kompliziert für die Kunden, solche Hürden müssen nicht sein“, sagt Peter Castellanos von Pro Bahn & Bus. Demnach dürfte es auch möglich sein, ein Buchungssystem zu etablieren, dass ohne Nutzerkonto funktioniert.

Redaktion

Copyright © 2025 Südhessen Morgen

VG WORT Zählmarke