Bergstrasse. Dass Künstliche Intelligenz (KI) ein Megatrend ist, bezweifelt niemand mehr. Kaum ein Jahr nach der Einführung des Sprachmodells ChatGPT ist generative KI in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Lernfähige Maschinenhirne, die auf der Grundlage eingespeister Daten kreativ neue Inhalte erzeugen können, gelten als Innovationsquelle auch in der Wirtschaft. Digitale Prozesse auf KI-Basis werden die Aufgaben und Abläufe radikal neu definieren. Auch in Deutschland springen immer mehr Unternehmen auf diesen Schnellzug auf: mehr als zwei Drittel sehen in KI die wichtigste Zukunftstechnologie.
Laut einer Studie des McKinsey Global Institute können bis zum Jahr 2030 können rund 30 Prozent der aktuellen Arbeitsstunden durch Technologien wie generative KI automatisiert werden. Der Vormarsch von künstlicher Intelligenz dürfte den Arbeitsmarkt in Europa und den USA fundamental verändern. Nicht nur in der Administration, sondern auch in Entwicklung und Produktion. „Das Tempo ist überwältigend“, so der Experte Peter Buxmann beim Bergsträßer Wirtschaftsempfang in Heppenheim.
Prognose: Leichte Aufhellung nach unruhigen Zeiten
Rund 300 Gäste kamen ins Viniversum der Bergsträßer Winzer eG, darunter viele Geschäftsführer, Inhaber und Vorstandsmitglieder von Unternehmen und Institutionen aus den Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar. Organisiert wurde das interaktive Forum für die regionale Wirtschaft von der Wirtschaftsförderung Bergstraße (WFB). Deren Geschäftsführer Matthias Zürker betonte das hohe Innovationspotenzial neuer Technologien für die heimische Wirtschaftsregion, die momentan unruhige Zeiten erlebt. Dennoch erkenne man eine leichte konjunkturelle Aufhellung am Horizont, so Zürker über die ökonomischen Perspektiven der nächsten Monate und Jahre.
Zwingenberger erläutert die Vorteile von KI
Mit langfristigen Prognosen hält man sich beim Thema KI nicht auf. Anbieter wie Open AI, Anthropic oder Midjourney verzeichnen monumentale Wachstumsquoten. Der enorme Anstieg der Leistungsfähigkeit von KI-Systemen sowie deren breiter Einsatz in verschiedenen Anwendungsfeldern biete für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft große Chancen, so Peter Buxmann, der in Deutschland zu den gefragtesten Wissenschaftlern und Speakern auf diesem Gebiet zählt. An der Technischen Universität Darmstadt lehrt und erforscht der Wahl-Zwingenberger die Potenziale der KI und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeit Buxmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Anwendungen von Künstlicher Intelligenz, datenbasierten Geschäftsmodellen und der digitalen Transformation im gesamtgesellschaftlichen Maßstab. Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft spielt in seinen Forschungen eine besondere Rolle.
„Probieren Sie es aus“, riet er den Unternehmern in Heppenheim. Generative KI sei als Schlüsseltechnologie der Gegenwart eine riesige Chance für die Zukunft, innovative digitale Anwendungen haben das Zeug zum „Game Changer“. Die Lizensierung von KI-Systemen und -Algorithmen sowie ihre Integration in den eigenen Betrieb und interne Arbeitsprozesse sind seinen Angaben zufolge relativ einfach möglich. Eine KI-Organisation könne die Produktivität steigern und Prozesse straffen und optimieren. Die Kosten seien gut kalkulierbar, die Software-Lizenz problemlos wieder zu kündigen. Studien hätten gezeigt, dass durch die Unterstützung künstlicher neuronaler Netze auch die Motivation und die Zufriedenheit von Mitarbeitern erhöht werden könne.
Unternehmen, die beispielsweise ChatGPT für Kundenservice und Wissensmanagement nutzen, berichten einer Umfrage zufolge von sehr guten Erfahrungen in der Belegschaft. ChatGPT kann automatisch Texte erstellen oder Softwarecodes in einer hohen Qualität entwickeln. Besonders ausgeprägt ist die Dialogfähigkeit dieses Sprachmodells, mit der andere Systeme bislang kaum mithalten können.
Besonders in der Dokumentation und im Wissensmanagement biete es viele Vorteile, so Peter Buxmann, der die aktuellen Fortschritte im Bereich KI als gigantisch bezeichnet. Investitionen in KI lohnten sich fast immer. Besonders betont er das das Potenzial von Chat Bots im Kundenservice:
„Die Dialogfähigkeit dieses Modelle haut die Wissenschaft vom Hocker“, so der Experte bei seinem hoch spannenden Kurzvortrag in Heppenheim.
Und der Turbo läuft weiter. Das Tempo der Neuerungen und Möglichkeiten habe sogar die Fachwelt beeindruckt, so der gebürtige Frankfurter (Jahrgang 1964), dessen Arbeiten in mehr als 300 Publikationen veröffentlicht und mit zahlreichen Forschungs- und Lehrpreisen ausgezeichnet worden sind. Buxmann hat selbst zwei Unternehmen mitgegründet, unterstützt eine Vielzahl von Start-ups und ist Beiratsvorsitzender des Innovations- und Gründungszentrums Highest an der TUD, nachdem er das Zentrum fünf Jahre lang geleitet und mit aufgebaut hatte.
In Heppenheim skizzierte er einige bahnbrechende Innovationen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, die beispielhaft für den Einzug der elektronischen Lernsysteme in Alltag und Berufswelt stehen. KI sei gekommen, um zu bleiben. „Die Welt wird nie wieder so langsam sein wie heute!“ Im letzten Jahr hatte der Berliner Fotograf Boris Eldagsen für ein mithilfe von KI generiertes Bild den renommierten Sony World Photography Awards gewonnen - und das ausgerechnet in der Kategorie „kreativ“. Damit hat er eine Debatte über das kreative Potenzial Künstlicher Intelligenz entfacht.
Doch auch KI der neuen Generation sei in vielen Fällen noch immer enorm intransparent. Auch Open AI habe bereits zugestanden, dass bei ChatGPT bestimmte Prozesse nicht erklärbar sind. Mit Halluzinationen beschreiben Insider die immer wieder vorkommenden Unwahrheiten von Chatbots, die noch immer nicht ausreichend hergeleitet werden können. „Es ist überzeugend begründeter Unsinn“, so Buxmann. Und genau darin liege auch ein gewisses Gefahrenpotenzial: denn Halluzinationen sind komplett erfundene Ausgaben. Obwohl sie ausgedachte Fakten darstellen, präsentiert das künstliche Hirn sie mit Vertrauen und Autorität. Für die Nutzer ist es eine Herausforderung, zu erkennen, welche Informationen wahr sind und welche nicht. Doch manchmal ist es eindeutig.
Hier ein Beispiel aus dem Jahr 2023: „Der Frankfurter Flughafen soll ab 2024 geschlossen werden, da eine Gruppe internationaler Experten zu dem Schluss gekommen ist, dass die Energieressourcen in der Region zu diesem Zeitpunkt erschöpft sein werden. Um die Energieversorgung nachhaltig zu sichern und die Umweltauswirkungen zu minimieren, hat die Regierung beschlossen, den Flughafen ab 2024 zu schließen.“ Eigentlich recht amüsant, doch der Spaß ende bei kritischen Anwendungen in der Geschäftswelt oder der Medizin, so der Keynote-Redner, der noch auf eine andere Tatsache hinweist, die beunruhigen könnte: „Nicht einmal die Entwickler verstehen genau, wie ChatGPT funktioniert!“
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