Bergstraße. Der Kreis Bergstraße wird infolge des Ukraine-Krieges und der andauernden Pandemie auch im kommenden Jahr knapp bei Kasse sein. Diese Sprache spricht der erste Haushaltsentwurf, den Kreisbeigeordneter Matthias Schimpf (Grüne) nach seiner Rückkehr ins Amt des Finanzdezernenten in den Kreistag eingebracht hat. Wie schon in der Etatplanung für das laufende Jahr stehen auch im Papier für 2023 rote Zahlen unterm Strich.
Immerhin ist die Prognose dieses Mal etwas weniger düster. Lag das erwartete Minus vor zwölf Monaten bei 5,1 Millionen Euro, geht die Finanzabteilung im Landratsamt für das nächste Jahr von einem 370 000-Euro-Defizit aus. Der Fehlbetrag könne mithilfe von Rücklagen ausgeglichen werden, sagte Schimpf. Die Finanzplanung sei allerdings noch mit vielen Unsicherheiten behaftet.
Gestiegene Energiekosten belasten die Schatullen des Kreises. Schimpf verwies außerdem auf die Mehrkosten in Höhe von 7,5 Millionen Euro für die Unterbringung von Geflüchteten – der Kreis rechnet allein bis zum Jahresende mit 800 bis 900 Neuankömmlingen. Waren es bis zum Sommer vor allem Ukrainer, die in den Kreis einreisten, weist das Land der Bergstraße nun auch wieder vermehrt Menschen aus weiteren Staaten zu. Für sie alle sucht der Kreis händeringend Unterkünfte.
Umlagen steigen zunächst nicht
Auch die Personalkosten in der Kreisverwaltung schlagen auf der Ausgabenseite stärker zu Buche als bisher. Zusätzliche Stellen würden immer dann notwendig, wenn Gesetze und Erlasse zu neuen Aufgaben führen, verdeutlichte Schimpf: „Alleine die Rechtsänderungen für die Gewährung von Wohngeld sorgen fast für eine Verdreifachung der zu bearbeitenden Fälle.“
Die Umlagen, die Städte und Gemeinden an den Kreis zahlen müssen, werden in den nächsten zwei Jahren trotzdem nicht erhöht. Das hat auch damit zu tun, dass die bisherige Entwicklung der Umlagegrundlagen – also der Steuereinnahmen – einen höheren Fehlbetrag wohl verhindert, wie der Dezernent hervorhob. Er kündigte aber an, dass eine Erhöhung der Kreisumlage um 1,25 Prozentpunkte in den Jahren 2025 und 2026 nötig wird. Zuletzt hatte der Kreistag Ende 2021 eine Erhöhung beschlossen.
Die angespannte Lage hat den Kreis auch dazu veranlasst, um Aufschub bei der Tilgung von Schulden gegenüber dem Land Hessen zu bitten. Der Kreistag hat dazu einen Antrag der Verwaltung mehrheitlich beschlossen. Konkret geht es um zurückzuzahlende Raten für die sogenannte Hessenkasse. Bei diesem Programm hat das Land Hessen Dispo-Kredite von Landkreisen, Städten und Gemeinden übernommen. Diese müssen aber die Hälfte der übernommenen Schulden an das Land zurückbezahlen.
Nach diesem Schema bezahlte das Land im Jahr 2018 insgesamt 162 Millionen Euro an Kassenkrediten für den Kreis ab. Der verpflichtete sich, 81 Millionen Euro zurückzuzahlen, in Jahresbeiträgen à 6,7 Millionen Euro von 2019 bis 2030, im Jahr 2031 wäre noch eine Restzahlung von gut einer Million Euro fällig. Bis Ende 2023 wird der Kreis nach eigenen Angaben etwa 48 Millionen Euro zurückgezahlt haben. Im Angesicht der prekären Situation soll der Kreis nun beim Landesfinanzministerium eine Pause der Tilgung für die Jahre 2024 bis 2026 beantragen. Ganz abbezahlt sein soll die Hessenkasse somit erst 2034.
FDP enthält sich
In der Frage nach der Aussetzung der Tilgung enthielt sich die FDP, alle anderen Fraktionen stimmten dafür. Nach Ansicht des Liberalen Christopher Hörst sollte der Kreis seinen Verpflichtungen nachkommen, außerdem rechnet er nicht unbedingt damit, dass bald bessere Zeiten anstehen. Das Gesetz über die Hessenkasse lässt Ratenpausen in Ausnahmefällen jedenfalls zu. „Wenn jetzt keine außergewöhnlichen Zustände herrschen, wann dann?“, fragte Grünen-Fraktionschef Erik Tjarks, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Bensheim.
Entscheidung im Dezember
Über den Kreishaushalt für 2023 wird der Kreistag am 12. Dezember entscheiden. Zuvor wird auf Ausschuss-Ebene noch über einen Antrag der FDP-Fraktion beraten. Die Liberalen fordern zum einen die Erstellung eines Konzeptes zur Sicherung des Haushalts. Zum anderen soll nach ihrem Willen der Kreisausschuss eine Aufstellung der verschiedenen Aufgaben des Kreises und ihrer jeweiligen Kosten vorlegen.
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