Ausbildung

Wenn Azubis eine Krankenstation im Kreiskrankenhaus leiten

Im Kreiskrankenhaus Heppenheim waren die Lernenden drei Wochen für eine Station verantwortlich.

Von 
Angela Schrödelsecker
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In einem geschützten Rahmen haben die Auszubildenden die Möglichkeit, wichtige Erfahrungen im Alltag auf einer Krankenstation zu sammeln. © Thomas Neu

Bergstraße. Pflegekräfte tragen in ihrem Beruf eine enorme Verantwortung – schließlich sind sie da, wenn Menschen ihre oft schwierigsten Momente erleben. Sei es in Pflegeheimen, wenn die Bewohner nicht mehr allein für sich sorgen können oder auch im Krankenhaus, wenn sie mit Schmerzen und Beschwerden Hilfe suchen. Pflegekräfte sind in diesen Situationen an der Seite der Patienten. Dafür braucht es zum einen Wissen, aber auch Erfahrung.

Eine junge Pflegekraft, die gerade ihr Examen bestanden hat, hat zwar durch die Prüfung bewiesen, dass sie fachlich dem Beruf gewachsen ist, aber was nach der dreijährigen Ausbildung fehlt, ist die Erfahrung selbstständig zu arbeiten. Im Kreis Bergstraße nehmen die Auszubildenden deshalb kurz vor dem Examen an dem Projekt „Lernende leiten eine Station“ (LleS) teil. Das bedeutet tatsächlich das, was der Titel sagt: Die Auszubildenden übernehmen für drei Wochen die Verantwortung für eine Station im normalen Betrieb mit echten Patienten am Kreiskrankenhaus Heppenheim.

In diesem Jahr wurde die Station 12 mit 24 Betten ausgewählt, auf der vor allem Patienten liegen, die auf eine Operation vorbereitet werden oder die sich nach einem Eingriff erholen. Zum 14. Mal mussten Lernende beweisen, dass sie dem anspruchsvollen Beruf in der Praxis gewachsen sind – und das vor allem auch sich selbst. Celine Victoria Schössow ist eine von 24 Auszubildenden, die gemeinsam die Herausforderung angenommen haben: „Ich hatte immer Angst, dass ich was falsch mache. Mir hat die Zeit hier sehr geholfen. Ich habe gelernt eigenständig zu arbeiten und auch Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten zu haben. Es war natürlich anstrengend und stressig, das alles zu koordinieren. Auch das hat mir am Ende aber wieder Sicherheit gegeben. Denn es hat ja alles geklappt.“

Die Azubis haben einen eigenen Schichtplan erstellt

Bereits in der Schule – die Azubis kommen alle von der Gesundheitsakademie Bergstraße – bereiteten sich die Lernenden auf die Aufgaben, die sie erwartete, vor. Sie erstellten zum Beispiel einen eigenen Schichtplan. Wie die hauptamtliche Praxisanleiterin Jasmin Schäffer erklärt, sind die Wochen LleS das letzte Fitting, der letzte Schliff, den die Azubis bekommen – bevor sie ihr Examen angehen: „Ich kenne die Auszubildenden. Ich weiß, was sie können und was sie gelernt haben. Wir hatten da gar keine Bedenken, ihnen die Station anzuvertrauen. Sie sind gut und man sieht bei jeder LleS, wie motiviert alle sind.“

Natürlich stehen im Hintergrund auch immer erfahrene Fachkräfte. Das ist zum einen ein Praxisanleiter und zum anderen ein Mitarbeiter, der sonst auf der Station tätig ist. „Die examinierte Fachkraft ist immer im Background. Aber die Auszubildenden geben den Ton an. Sie müssen auch wirklich alles alleine machen. Im Sekretariat zum Beispiel müssen sie die Entlassung der Patienten planen. Sie müssen die Medikamente richten, Transporte in den OP übernehmen oder auch den Schichtplan bei Ausfall überarbeiten. Der Betrieb läuft eben ganz normal weiter – und er muss laufen. Das ist sicher auch die größte Herausforderung für die Auszubildenden,“ so die Pflegerische Gesamtleitung der Stationen 11 und 12 Svantje Bocksch.

Die Lernenden decken den Früh- und den Spätdienst von Montag bis Sonntag ab: „Die Übergabe ist dann auch immer ein Zeitpunkt, an dem wir reflektieren, was gut lief und was verbessert werden kann. Wobei es nicht den erhobenen Zeigefinger brauchte, die Gruppe machte das schon sehr gut.“

Das Feedback der Patienten sei, wie alle berichten, durchweg positiv: „Es gab bei der letzten LleS sogar eine Patientin, die am letzten Tag des Projekts geweint hat, weil sie wusste, dass die Auszubildenden morgen nicht mehr da sein werden. Die Patienten erleben durch die Auszubildenden eine außergewöhnliche Versorgung, die sonst in der echten Krankenhauswelt nur selten stattfinden kann,“ so Schäffer.

Übrigens ist das Projekt auch ein Erfolg bei der Fachkräftegewinnung. Celine Victoria Schössow plante eigentlich einen anderen beruflichen Weg einzuschlagen, aber nach der Erfahrung der LleS hat sie sich, wie sie erzählt, entschieden, im Kreiskrankenhaus bleiben zu wollen.

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