Bergstraße. 10,3 Millionen Deutsche sollen im Zuge des Zensus 2022 Fragebögen ausfüllen, um Bund, Ländern und Kommunen statistisches Material zu liefern. Fragen zu Berufen, Schulabschlüssen, Wohnsituation und vielem mehr werden gestellt. Bisweilen müssen dabei aber auch Angaben für Tote gemacht werden – so geschehen im Falle eines Mannes aus Sachsen. Sein an der Bergstraße lebender Vater war für die „Volkszählung“ ausgewählt worden, dann aber verstorben. Die Erhebungsstelle im Kreis Bergstraße nahm deshalb den Hinterbliebenen in die Pflicht, die Fragen zu beantworten.
Auch Demenzkranke betroffen
Der empfindet das als ziemliche Zumutung. Erschwerend kam noch hinzu, dass er auch für seine Mutter einen Erfassungsbogen ausfüllen musste – sie leidet nach Angaben ihres Sohnes an einer beginnenden Demenz. Seine Bitte an den Kreis, unter diesen Umständen von der Befragung abzusehen, wurde abgelehnt. Da der Vater nach dem Stichtag 15. Mai – dem Beginn der Volksbefragung – verstorben sei, müsse für ihn der Fragebogen ausgefüllt werden, hieß es. Im Fall der Mutter flatterten sogar Mahnungen mit Androhung eines Vollstreckungsverfahrens ins Haus. „Somit sah ich mich genötigt, für einen Toten und eine Demenzkranke die gewünschten Angaben zu machen“, klagt der Sachse.
Versehen kann er das alles nicht: „Wie kann es sein, dass ich als Sohn alle Angaben im Zensusformular für einen Toten und für eine Demenzkranke machen muss, unter Androhung von Vollstreckungsverfahren, obwohl ich rechtzeitig auf die ungewöhnlichen Umstände schriftlich hingewiesen habe?“, fragt er sich.
Die allgemeine Vorgehensweise erläutert der zuständige Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne, BILD: Thomas Neu). Beim Zensus würden alle Personen befragt, die am Stichtag an der ausgewählten Anschrift wohnten. Das bedeute, dass auch Verstorbene erfasst werden sollen, die zum Stichtag 15. Mai unter der betreffenden Adresse lebten.
Zum Fall des Sohnes aus Sachsen mit den Bergsträßer Eltern kann der Kreisbeigeordnete aus Datenschutzgründen und wegen des Statistikgeheimnisses gegenüber dieser Zeitung keine Angaben machen. Versterbe eine für den Zensus ausgewählte Person, würden die Auskünfte bei den Angehörigen erfragt, bestätigt Schimpf jedoch. In so einem Fall werde aber kein Vollstreckungsverfahren gegen den Dritten eingeleitet.
Wenn die Erhebungsstelle keine Kenntnis vom Ableben eines vorgesehenen Zensusteilnehmers habe – etwa, weil die Person erst im Laufe des Befragungszeitraums verstarb –, könne es auch vorkommen, dass eine verstorbene Person selbst Post mit einer Erinnerung und einem Hinweis auf ein sich anschließendes Vollstreckungsverfahren erhält. In der Regel meldeten sich aber dann die Angehörigen, die die Post der Verstorbenen erhalten, und machten die Angaben. „Da wir keinen aktuellen Datenaustausch mit dem Einwohnermeldeamt haben dürfen, können wir ja auch keine andere Informationsquelle über die Personenstandsdaten haben“, hebt Schimpf hervor: „Hier funktioniert der Datenschutz.“
Etwas anders sei es, wenn noch lebende Auskunftspflichtige die Angaben nicht selbst machen können – etwa wegen einer Demenz. Sie fielen nicht aus der Auskunftspflicht, führt Schimpf aus. Stattdessen müsse dann die Auskunft durch einen Dritten erteilt werden. Das könnten etwa Haushaltsangehörige sein, Pflegekräfte, Einrichtungsleitungen oder benannte Vertrauenspersonen sein. Geregelt sei dies in Paragraf 25 des Zensusgesetzes.
Im Einzelfall könne es wegen des fast achttägigen Postlaufes dazu gekommen sein, dass die Erhebungsstelle Informationen, die die Auskunftspflicht im Zusammenhang mit Demenz oder Pflege betreffen, erst erhielten, als Briefe an die ausgewählten Personen schon verschickt waren. Das sei in solchen Fällen aber unvermeidbar, betont Schimpf.
„Wir versenden aus Gründen der Bürgerfreundlichkeit mehrere Erinnerungen mit Hinweisen bevor wir in ein Verwaltungsvollstreckungsverfahren eintreten“, fährt der Kreisbeigeordnete fort. Der Hinweis auf das Verwaltungsvollstreckungsverfahren sei in den Erinnerungsschreiben auch gegenüber den Stellvertretern von Auskunftspflichtigen enthalten – solange es nicht um einen Todesfall geht.
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