Bergstraße. Wer schreibt, der bleibt. Karl-Josef Bänker hat sein ganzes Berufsleben lang fast täglich journalistische Texte verfasst: stilsicher und meinungsstark. Dass er überwiegend Hauptsätze aneinanderreihte, war genauso ein Markenzeichen wie sein Autorenkürzel: bj. Vor allem war es Ausdruck seines beruflichen Selbstverständnisses: Dinge klar, exakt und für jedermann verständlich zu beschreiben. An mehr als 12.400 Zeitungsausgaben hat der passionierte Lokal- und langjährige Chefredakteur des Bergsträßer Anzeigers, „seines“ BA, in 41 ereignisreichen Berufsjahren maßgeblich mitgewirkt. Hochgerechnet 40 Millionen Buchstaben aus seiner Feder stehen für eine einmalige Lebensleistung, im Zeitungsarchiv dokumentiert für die Ewigkeit.
Auch deshalb hinterlässt Karl-Josef Bänker, der im Odenwälder Friedwald seine letzte Ruhe gefunden hat, Spuren über seinen Tod hinaus. Mit der gleichen Entschlossenheit und Selbstdisziplin, die ihn im Beruf ausgezeichnet hat, bot er drei Jahre lang dem Feind in seinem Körper die Stirn. Mehrmals zwang die Krankheit ihn in den Rollstuhl. Immer wieder hat sich der unheilbar Kranke mit unbändigem Willen zurückgekämpft, bis in den Sattel seiner Motorräder. Hier erfuhr er bis zuletzt das Gefühl von Freiheit, Leidenschaft und Abenteuer, das ihn weit länger am Leben hielt als seine Ärzte ihm vorausgesagt hatten. Karl-Josef Bänker wurde 73 Jahre alt.
Das Bild des Menschen Karl-Josef Bänker setzt sich aus vielen Facetten zusammen. Er ging zur Jagd und auf Fischfang, verbrachte Tage und Nächte auf seinem Motorboot, am Sehnsuchtsort Norwegen wie auf dem Mittelmeer – mit Anlegeplatz direkt am Steg der Terrasse seines südfranzösischen Ferienhäuschens. Bis er dort ankerte, reiste Karl-Josef Bänker mit Frau und Hund oft, lang und weit, am liebsten abseits der Touristenwege. Er las viel und entwickelte eine besondere Vorliebe für Lyrik. Er begeisterte sich für anspruchsvolle Musik und interessierte sich für bildende Künste. Er kochte gern und gut. Kleine Portionen gehörten nicht zu seinem kulinarischen Repertoire. Sprichwörtlich war sein – bisweilen schwarzer – Humor: nicht selten bissig, nie verletzend, häufig mit einem kräftigen Schuss Selbstironie.
In die BA-Redaktionsstube kam Karl-Josef Bänker als 18-Jähriger direkt von der Schulbank. In Bensheim fand er – nach dem elften Umzug – mit 16 seinen Heimathafen. Eine glückliche Fügung wollte es, dass sein Vater, Bänker senior, als damaliger Chefredakteur der Zeitung zwei Jahre später Verstärkung für sein kleines Team brauchte. Damit hatte es sich aber bereits mit dem Familienbonus. Für klare Verhältnisse sorgte schon das Autorenkürzel, das der „Zucht- und Lehrmeister“ an seinen Filius vergab: bj – Bänker junior. Daran hat sich in den nächsten 41 Jahren bis zu seinem letzten Arbeitstag an seinem 60. Geburtstag nichts geändert, wohl aber an der Rolle und Funktion im Verlag: Mit 28 wurde „bj“ an die Spitze der Redaktion befördert.
Als Volontär stand er frühmorgens am Bahnhof, um die per Express von der Deutschen Presseagentur verschickten Fotos aus aller Welt für die mittags erscheinende Zeitungsausgabe des Tages in Empfang zu nehmen. Im Druckhaus an der Schwanheimer Straße schaltete er danach die Setzmaschinen ein, damit das Blei flüssig war, bis das Tagwerk in der Technik begann. Vor dem Andruck karrte der Redaktionsnovize mit dem Gabelstapler die zentnerschweren Zeitungsrollen an die Rotationsmaschine.
Auch später, als Chef der Redaktion, war sich Karl-Josef Bänker für nichts zu schade. Dann hat er bei Veranstaltungen Werbebanner eigenhändig aufgehängt oder zu den Anfangszeiten der von ihm initiierten Weihnachtsbaum-Verkaufsaktionen im Morgengrauen Biwaks für die Bewirtung der Besucher aufgeschlagen und die Glühweinkessel zur Theke mit den Gaskochern geschleppt.
Zupackend vorangegangen ist „bj“ auch im Alltagsgeschäft. Er fotografierte und entwickelte seine Filme selbst in der Dunkelkammer. Zum Berufsbild gehörten auch das Setzen von Überschriften, der Umbruch ganzer Seiten, das Prägen der Matern und Gießen der Druckzylinder. Als schließlich der Computer den Bleisatz ablöste, führte der BA als einer der ersten Verlage in Deutschland ein rechnergesteuertes Texterfassungssystem ein und leistete sich dank des damit einhergehenden Produktivitätssprungs wieder eine Vollredaktion für einen eigenen überregionalen „Mantel“.
1989 erfolgte, längst unter dem Dach der Mannheimer-Morgen-Gruppe, der Umzug von der grünen Wiese in der Bensheimer Weststadt ins Pressehaus am Ritterplatz. Die Auflage wuchs stetig, von ursprünglich 5000 auf 16.000 Exemplare. Aus der einst reinen Stadt- wurde Schritt für Schritt die auflagenstärkste Regionalzeitung im Landkreis Bergstraße.
An den Anfängen der Transformation der Inhalte in die digitale Medienlandschaft war Karl-Josef Bänker noch beteiligt, bevor er sich vor 13 Jahren in den Ruhestand verabschiedete. Dass die ersten gedruckten Zeitungen von der Bildfläche verschwinden, hat er noch wenige Tage vor seinem Tod im Austausch mit dem langjährigen Weggefährten als ein Stück Kulturverlust beklagt.
Die Charakterisierung als „Lokaljournalist der alten Schule, dem das Reporter-Gen nie abhandengekommen ist“, empfand „bj“ stets als Auszeichnung. Dabei konnte er seinem feinen Gespür dafür vertrauen, was Menschen interessiert und was sie bewegt. Umgekehrt verlassen konnten sich alle, die mit ihm zu tun hatten – privat wie beruflich –, auf seine Redlichkeit, Hilfsbereitschaft und Loyalität. Danke für die gemeinsame Zeit! Karl-Heinz Schlitt
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