Bergstraße. Die Uhren wurden am Sonntag wieder auf Winterzeit umgestellt. Jetzt wird es morgens wieder früher hell und abends eine Stunde früher dunkler. Damit fällt die Dämmerungszeit, in der sich die heimischen Wildtiere auf Nahrungssuche machen, wieder in die Hauptverkehrszeit. Deshalb ist auf den Straßen besondere Vorsicht geboten.
Der Landesjagdverband (LJV) Hessen weist auf den Ratgeberfilm „Wildunfälle verhindern“ (www.ljv-hessen.de/wildunfall-film) hin, der in Zusammenarbeit mit der Polizei, dem ADAC Hessen-Thüringen und dem Jagdverein „Hubertus“ Gießen und Umgebung entstanden ist. Der Film zeigt, wie Wildunfälle verhindert werden können, was zu tun ist, wenn ein Wildtier plötzlich auf die Straße springt und wie man sich nach einem Zusammenstoß richtig verhält.
Was tun bei Wild am Straßenrand?
Entlang unübersichtlichen Wald- und Feldrändern sollten Autofahrer ihre Geschwindigkeit reduzieren.
Besonders gefährlich sind neue Straßen durch Waldgebiete, da das Wild seine gewohnten Wege beibehält.
Die größte Gefahr droht in der Morgen- und Abenddämmerung, bei Nacht und bei Nebel.
Ein Tier kommt selten allein. Autofahrer sollten stets mit Nachzüglern rechnen.
Wenn ein Tier am Straßenrand steht, sollte der Fahrer kontrolliert bremsen, abblenden und hupen.
Die Augen der Wildtiere sind deutlich lichtempfindlicher als die des Menschen, das Fernlicht blendet und macht orientierungslos.
Der Hupton hilft Wildtieren, sich akustisch zu orientieren und zu flüchten.
Falls eine Kollision unvermeidbar ist, sollte der Autofahrer nicht riskant ausweichen, sondern das Lenkrad gut festhalten und bremsen.
Ein unkontrolliertes Ausweichmanöver erhöht das Unfallrisiko erheblich – besonders wenn das Auto in den Gegenverkehr gerät oder die Fahrt an einem Baum endet. red
„Tiere kennen weder Verkehrsregeln noch Uhrzeit. Daher sollten Verkehrsteilnehmer in den Wochen nach der Zeitumstellung besondere Vorsicht walten lassen“, rät Wolfgang Herda, Verkehrsexperte des ADAC Hessen-Thüringen. „Nur mit ausreichend Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug behalten Autofahrerinnen und Autofahrer den Überblick und kommen bei einer Gefahrenbremsung rechtzeitig zum Stehen“, so Herda.
Die Dämmerungszeit ist die Zeit, in der Wildtiere aktiv werden. Reh, Wildschwein oder Hirsch orientieren sich am Tageslicht und kennen die Zeitumstellung nicht. Während sie am Vortag die Fahrbahn noch gefahrenlos überqueren konnten, braust einen Tag später plötzlich der Berufsverkehr über die Straße.
„Besonders die Morgenstunden werden zur Falle für Tier und Mensch. Zwischen 6 und 8 Uhr morgens ist das Risiko für einen Zusammenstoß besonders hoch.“, so LJV-Pressesprecher Markus Stifter. Am Abend wird es eine Stunde früher dunkel. Die Dämmerungsphase beginnt bereits gegen 17 Uhr und fällt damit ebenfalls in die Rushhour.
Wenn es zu einem Wildunfall gekommen ist
Was nach einem Wildunfall zu tun ist:
Nach einer Kollision muss die Unfallstelle unverzüglich gesichert werden: Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anlegen und Warndreieck aufstellen.
Sind Personen verletzt, muss der Notruf 112 gewählt werden.
Aufgrund der Infektionsgefahr niemals tote Tiere ohne Handschuhe anfassen. Abstand halten zu lebenden Tieren.
Tote Tiere sollten nicht angefasst oder mitgenommen werden. Das Mitnehmen von getötetem Wild kann darüber hinaus als Wilderei zu bewerten sein.
Einem geflüchteten Tier nicht folgen.
In der Unfallmeldung die Fluchtrichtung mitteilen und die Unfallstelle markieren. Dies gelingt zum Beispiel mit einem weißen Papiertaschentuch, das an einen Ast oder Busch, von der Straße aus gut sichtbar, befestigt wird. Auch ein Einmalhandschuh aus dem Verbandskasten kann beispielsweise über den nächstgelegenen Leitpfosten gestülpt werden, um den Unfallort zu markieren. So kann der Jäger das verletze Tier leichter finden.
Im Interesse des Tierschutzes ist es nach einem Wildunfall Pflicht, die Polizei anzurufen, selbst wenn das Tier geflüchtet ist. Diese kontaktiert den zuständigen Jäger, der das verletzte Tier suchen und erlösen kann.
Die Polizei oder der Jäger stellen vor Ort eine Wildunfallbescheinigung aus, die als Nachweis bei der Versicherung dient.
Wer einen Wildunfall nicht meldet, macht sich nach Paragraf drei des hessischen Jagdgesetzes strafbar. red
Über die kostenlose App „hessenWARN“ des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport werden Verkehrsteilnehmer vor Wildwechseln gewarnt. Während der Fahrt ertönt aus dem Smartphone ein Signalton sowie ein Sprachhinweis, sobald sich das Fahrzeug einem Wildunfallschwerpunkt nähert. Sollte es zu einem Zusammenstoß mit einem Wildtier gekommen sein, lässt sich über die App ganz einfach ein Notruf mit Positionsübermittlung (GPS-Daten) absetzen.
Weitere Gefahrenquellen im Herbst: das wechselhafte Wetter mit Laub und Schmutz auf nassen Straßen. Autofahrer sollten deshalb besonders an unübersichtlichen Feld- und Waldrändern mit Wild rechnen und die Geschwindigkeit anpassen, rät der Landesjagdverband Hessen: Wer Tempo 80 statt 100 fährt, verkürzt den Bremsweg bereits um 25 Meter. red
Dreistelliger Millionenschaden
Die Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt, dass es im vergangenen Jahr rund 800 Mal am Tag auf deutschen Straßen zu Zusammenstößen mit Wildtieren gekommen ist.
Insgesamt wurden für 284 000 Wildunfälle mehr als 940 Millionen Euro von den Versicherungen gezahlt – pro Tag also rund 2,6 Millionen Euro.
Die Auswertung der hessischen Jagdstreckenstatistik zeigt, dass die meisten Wildunfälle mit Rehwild passieren. Im Jagdjahr 2021/2022 (vom 1. April 2021 bis zum 31. März 2022) wurden hessenweit Wildunfälle mit insgesamt 16 177 Tiere gemeldet. Davon waren 13 032 Rehe, 2976 Wildschweine und 131 Stück Rotwild betroffen.
Viele kleine Wildtiere wie Füchse, Waschbären, Feldhasen, Igel oder Marder werden durch die offiziellen Statistiken nicht erfasst. Die App „Tierfundkataster“ macht diese Daten jedoch sichtbar. Außerdem werden so auch Meldungen von seltenen Arten wie Biber/Fischotter, Wildkatze etc. erfasst und liefern Rückschlüsse darauf, wo diese Arten vorkommen. red
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