Bergstraße und Odenwald - Bestände sind erhöht und sollen ausgedünnt werden / Schonzeit ausgesetzt / Probleme auch mit nicht angeleinten Hunden

Jäger sprechen noch nicht von einer Wildschweinplage

Von 
Konrad Bülow
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Kein Grund zur Panik in Sachen Wildschweine, sagt auch die Kreisverwaltung. © dpa

Bergstraße. Von einer „Wildschweinplage“, wie es sie derzeit in der Umgebung von Heidelberg gibt, möchte Rolf Stadler, Pressesprecher des Jagdklubs Sankt Hubertus mit Blick auf die Bergstraße und den Odenwald nicht sprechen. Er formuliert es so: „Wir haben erhöhte Bestände, die wir versuchen auszudünnen.“

Getummel am Schlossberg

Wegen des Fehlens eines harten Winters und eines großen Nahrungsangebots würden die Tiere früh geschlechtsreif und vermehrten sich schnell. Besonders am Schlossberg in Heppenheim gebe es verwilderte Areale, an denen sich die Borstentiere tummeln und hin und wieder auch mal einen Vorgarten betreten. Kürzlich hätten einige Tiere den Mühlenweg umgegraben. Schlimmer als in den Vorjahren sei die Lage dennoch nicht, sagt der Jäger: „Es ist eher stagnierend oder geht zurück“.

Die Schonzeit für erwachsene Tiere wurde in ganz Hessen ausgesetzt, auch um dem Risiko der afrikanischen Schweinepest vorzubeugen. Nur Muttertiere dürfen nicht geschossen werden. „Das wäre dann sogar ein Straftatbestand“, betont Stadler. Die frühe Geschlechtsreife der Tiere könne dabei zum Problem werden, wenn Schweine erschossen werden, die wider Erwarten doch schon trächtig waren. Wichtig sei, dass Menschen nicht achtlos Essensreste wegwerfen.

Es gebe seit einigen Jahren eine hohe Wildschweinpopulation und damit einhergehend auch Probleme und Schäden, heißt es vom Kreis Bergstraße. Dieses Jahr solle es auch mehr der Tiere geben. Grund zur Panik sieht die Verwaltung aber ebenfalls nicht: „Es sind aktuell noch keine außerordentlichen Schäden bekannt, die über das mittlerweile normale Maß hinausgehen.“

Revierübergreifende Jagden seien das probate Mittel zur Reduzierung der europaweit erhöhten Population. „Wir rufen seit Jahren die Jäger zur verstärkten Bejagung auf. In den vergangenen Jahren sind hohe Strecken zu verzeichnen“, heißt es in der Antwort auf eine Presseanfrage dieser Zeitung.

Der Tiere habhaft zu werden, sei indes gar nicht so einfach, führt Stadler vor Augen. Die sprichwörtliche „dumme Sau“ gebe es nicht: „Wenn wir eine Drückjagd veranstalten, merken die Tiere oft, was los ist und verdrücken sich.“

Trotzdem ist die Zahl der Wildschweine, die in Bergsträßer Wäldern erjagt wurden, zwischen den Jagdjahren 2014 und 2018 kontinuierlich angestiegen. Danach nahm die Zahl aber noch einmal deutlich ab. Für das Jagdjahr 2019/2020 liegt die Statistik noch nicht vollständig vor, die Abschusszahl liege aber über jener des Vorjahres, heißt es vom Kreis (siehe Infobox).

Beim Fallwild – also Tieren, die nicht durch den Schuss des Jägers zur Strecke gebracht wurden – gibt es auf die Wildschweine bezogen ein Auf und Ab in der Statistik. Während 2015/2016 und 2017/2018 besonders viele Kadaver im Kreis Bergstraße gefunden wurden, ging die Zahl im Jagdjahr 2018/2019 deutlich runter.

Auch für das Fallwild liegt noch keine vollständige Statistik zum Jagdjahr 2019/2020 vor.

Unfallspitzenzeiten

Zusätzlich führt die Polizei eine Statistik über die Unfälle mit Wildtieren, wobei die Tierarten nicht getrennt aufgeführt werden. Im Schnitt waren es 530 Stück pro Kalenderjahr in den Revieren des Kreises, wobei das Jahr 2017 mit 582 solcher Vorfälle einen Höhepunkt darstelle. In dieser Erfassung seien bis zu fünf Prozent Schwarzwild enthalten, im Revier Bergstraße gar acht Prozent.

Die Unfallspitzenzeiten lägen im April und Mai sowie im September und Oktober, meist morgens zwischen 5 und 8 Uhr und abends zwischen 17 und 22 Uhr, teilt die Kreisverwaltung mit.

Wildtiere sind indes nicht das einzige Problem, das Jäger derzeit sehen. Es häuften sich die Meldungen über Hunde, die auch in der Brut- und Setzzeit, in der viele Tiere ihren Nachwuchs zur Welt bringen, von ihren Besitzern nicht an die Leine genommen werden und Rehe reißen, sagt Stadler. „Das kann auch zu einer Gefahr für Menschenleben werden“, gibt er zu bedenken – etwa dann, wenn Hunde das Wild auf die Straßen hetzten und es zum Unfall kommt.

Ob in einem Waldgebiet eine Leinenpflicht für die Brut- und Setzzeit herrscht, entscheiden die jeweiligen Kommunen; in Heppenheim etwa gibt es derzeit keine.

Zahlen

Zwischen 2014 und 2018 hat die Zahl der erschossenen Wildschweine im Kreis Bergstraße kontinuierlich zugenommen. 2014/2015 waren es 2088 Stück. Im Jahr darauf wurden bereits 2422 erlegte Schweine gezählt, 2016/2017 waren es 2439.

Einen Höhepunkt brachte das Jagdjahr 2017/2018 mit 3081 Stück erschossenen Wildschweinen. Im Jahr darauf sank die Zahl auf 2352. Für 2019/2020 gibt es noch keine Statistik. Bereits jetzt ist aber klar, dass die Zahl höher liegt als im Vorjahr.

Zum Fallwild gibt es für dieses Jahr ebenfalls noch keine vollständige Statistik. 2014/2015 wurden 109 Schwarzwild-Kadaver gefunden. Ein Rekordjahr war 2015/2016 mit 172 Stück. 2016/2017 sank der Wert auf 112 Tiere, um im Jahr darauf wieder auf 151 anzusteigen. 2018/2019 sank die Zahl dann wieder auf 106 Stück.

Die Zahl der Wildunfälle im Kreis bewegt sich ebenfalls auf einem erhöhten Niveau. In der Statistik wird nicht zwischen den Tierarten unterschieden, fünf bis acht Prozent sind jedoch Wildschweine und der Großteil Rehe. 2014 kamen so 479 Stück Wild zu Tode, 2015 waren 531 Stück Wild, im Jahr darauf 513 Stück, im Jahr 2017 folgte mit 582 Stück die Höchstzahl. 2018 sank die Zahl auf 509 und stieg 2019 wieder auf 519.

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