Bergstraße. Sie kommen aus Nordamerika und sind äußerst gefräßig. Auf dem Speiseplan der Kalikokrebse stehen
- Insekten und ihre Larven
- Froschlaich und Kaulquappen
- Fischlarven
- Schnecken
- Algen
- Wasserpflanzen
Im Oberrhein und seinen Nebenarmen fühlt sich der eingewanderte Flusskrebs schon lange wohl. Mittlerweile hat die invasive Art den Strom bis in den Niederrhein bei Düsseldorf erobert. Durch Gräben und Kanäle breitet sie sich inzwischen auch in Gebieten aus, die gar nicht direkt in Flussnähe liegen. Damit ist der Flusskrebs eine Bedrohung für die heimische Tier- und Pflanzenwelt, die vielen aber noch gar nicht so recht bewusst ist.
Das sagt Rainer Hennings. Er betreibt in Fürth im Odenwald ein Büro für Fischereiberatung und Gewässerökologie und ist Vizepräsident und Referent für Naturschutz beim Verband Hessischer Fischer. Am Freitag, 25. Oktober, hält er ab 19 Uhr im Vereinsheim des Angelsportvereins Lampertheim, Rheinstraße 100, einen Vortrag über die Problematik. Der Titel lautet: „Hübsch, aber gefräßig ... Die Invasion des Kalikokrebses im Hessischen Ried – das Ende der Characeen-, Libellen- und Amphibienbestände?“
Kalikokrebs auf Raubzug durch heimische Gewässer
„Da steht uns noch was ins Haus“, prophezeit der Experte, der sich in dieser Woche auf der Internationalen Tagung des Forums Flusskrebse mit anderen Fachleuten im schwäbischen Löwenstein-Reisach zu dem Thema austauscht. Der Kalikokrebs sei die inzwischen fünfte Flusskrebs-Art, die nach Deutschland eingewandert ist, erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Dabei sei sie wohl die einzige Art, die mit dem Düsenjäger nach Europa gelangt ist, berichtet er und erläutert, wie die Art eingeschleppt wurde. Noch bis in die 1990er Jahre habe es in Baden-Baden eine Luftwaffen-Basis der kanadischen Streitkräfte gegeben. Für die Angler unter den Soldaten hätte die Army damals einen Baggersee in der Nähe des heutigen Flughafens Baden-Baden / Karlsruhe gepachtet. Die haben den Kalikokrebs als Angelköder benutzt – wie es in Kanada üblich ist.
Vermutlich dort hat er also seinen Raubzug durch die heimischen Gewässer begonnen. Ein Forscherteam der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe um den Biologen Andreas Martens beobachtet die Ausbreitung seit vielen Jahren und erfasst auch die Zerstörung. Gleichzeitig suchen die Wissenschaftler nach Möglichkeiten, dem gefräßigen Scherentier Einhalt zu gebieten. Wie Hennings berichtet, wurde der Kalikokrebs 2016 erstmals in Mannheim nachgewiesen.
Wo sich der Kalikokrebs breitmacht, bleibt nicht viel übrig. Laut Hennings bevorzugt der das Tier, das meist beige-braun gefärbt ist, selten auch bau oder rose, langsam fließende Gewässer mit weichem Untergrund. Das bedeutet, dass der schnell strömende Rhein eigentlich gar kein idealer Lebensraum ist. Das führt dazu, dass sich die Krebsart in den Nebenarmen und Gräben ausbreitet. Und auch in Seen und Weihern, denn die Tiere können kurze Strecken über Land zurücklegen. So sei der Kalikokrebs auch schon im Lampertheimer Heideweiher, einem Angelteich im Osten der Kernstadt, zu finden.
Kalikokrebs ist kaum gefährdet und selbst äußerst fruchtbar
Wie alle Flusskrebse ist der Kaliko ein Allesfresser mit enormem Appetit. Dass er sowohl tierische als auch pflanzliche Kost zu sich nimmt, macht ihn zum Jäger wie zum Konkurrenten um die Nahrung für die anderen Gewässer-Bewohner. Er selbst hat kaum etwas zu befürchten, da er bisher auf keinem tierischen Speiseplan der heimischen Räuber steht, sich in einem weit verzweigten Höhlensystem bewegt und sich dazu noch eifrig vermehrt. „Ein Weibchen kann zwischen 150 und 500 Eier haben“, sagt Hennings. Der Nachwuchs ist schon nach drei Monaten geschlechtsreif, so dass sich die Populationen rasant vergrößern können. Allein deswegen sei die Art eine „biologische Atombombe“, bemüht Hennings einen drastischen, aber plakativen Vergleich. Er nennt den Kalikokrebs, der bis zu neun Zentimeter lang werden kann, einen „perfekten Invasor“ und zeichnet ein düsteres Bild.
Wo der Räuber das Biotop beherrscht, sei es mit der Vielfalt schnell vorbei, bekräftigt Hennings. Weil er den Nachwuchs und die Nahrung von Fischen und Amphibien frisst, verändere sich das Ökosystem der betroffenen Gewässer. Noch sind die Mittel und Wege, wie der Invasor wirksam bekämpft werden kann, begrenzt. Der einzige Rat, den der Experte den Anglern geben kann, ist, den Krebs aus den Gewässern herauszufischen so oft es geht. Eine weitere Hoffnung: Dass heimische Räuber Gefallen an dem kanadischen Flusskrebs finden und ihn verstärkt jagen.
Die Bedrohung durch den invasiven Kalikokrebs stand bisher noch nicht im Fokus
Klaus Feldhinkel, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Lampertheim, wird mit Interesse Hennings Ausführungen am Freitagabend verfolgen. „Wir hatten diese Bedrohung bisher noch nicht so sehr im Fokus“, sagt er auf Anfrage dieser Redaktion. Zwar gebe es schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts Krebse aus Nordamerika in der Region, aber diese Art könnte tatsächlich zu einem großen Problem werden.
Ob das Biotop Grube Feuerstein, um das sich der Lampertheimer Nabu seit vielen Jahren kümmert, bereits betroffen ist, weiß Feldhinkel nicht. Aber Tatsache sei, dass die Zahl der dort lebenden Amphibien in den vergangenen Jahren spürbar zurückgegangen ist. „Wir haben einen Rückgang bemerkt, das aber immer auf die jagenden Fische geschoben“, sagt er.
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