Das Unternehmergespräch - Infectopharm-Geschäftsführer Philipp Zöller über zweistelliges Wachstum und Konzerne, die sich nicht für kranke Kinder interessieren

Infectopharm: Ein Riese in vielen kleinen Märkten

Von 
Michael Roth
Lesedauer: 

Bergstraße. Wenn Unternehmen neue Kantinen planen, dann sagt die Zahl der Plätze viel aus über die künftig zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung. Beim Pharmaunternehmen Infectopharm in Heppenheim hat die neue Kantine Platz für bis zu 400 Personen, sagt Philipp Zöller, geschäftsführender Gesellschafter, im Gespräch mit dieser Zeitung. Vor gut zehn Jahren hatte das Familienunternehmen noch 110 Mitarbeiter, derzeit sind es 220. „Die Belegschaft wird weiter wachsen in den nächsten Jahren“, kündigt Zöller, Sohn des vor neun Jahren verstorbenen Unternehmensgründers, an.

Neben Zöller arbeiten auch seine Mutter, sie ist Vorsitzende der Geschäftsführung, seine Schwester und sein Schwager im Unternehmen in führenden Positionen. Und Infectopharm soll ein Familienunternehmen bleiben. Anfragen von Interessenten, die Infectopharm kaufen wollen, werden schon länger nicht mehr beantwortet und die Börse ist auch kein Thema. „Unser Umsatz legt seit mehr als 20 Jahren im Schnitt um 15 Prozent im Jahr zu und wir haben eine hohe Liquidität“, so Zöller. „Die Zahl der Mitarbeiter steigt pro Jahr im Schnitt um zehn Prozent“, rechnet er weiter vor. Bei dem Wachstumstempo könnte auch das erst vor zwei Jahren neu eingeweihte Logistikzentrum in Heppenheim schon wieder zu klein werden. „Da will ich eine Erweiterung in den nächsten fünf Jahren nicht ausschließen“, so Zöller. Künftiges Wachstum soll aber hauptsächlich aus der Internationalisierung kommen.

Kleine Veränderung, großer Wert

Die Strategie hat sich seit der Gründung im Jahr 1988 durch Zöllers Vater kaum geändert. Der hatte einen Penicillin-Saft für Kinder entwickelt. Der Saft war höher konzentriert, musste seltener am Tag eingenommen werden und hat auch noch geschmeckt – im Gegensatz zu bisherigen Penicillin-Säften. Normalerweise sind Antibiotika bitter, Infectopharm machte Penicillin durch einen anderen Ausgangsstoff geschmacksneutral und setzte dann einen neuen sogenannten Geschmacksvermittler ein. Und schon schmeckte der Saft nicht mehr bitter. „Eine kleine Veränderung mit großem Mehrwert“, erklärt Zöller.

Der Markt für Arzneimittel für Kinder ist eine Nische. „Keiner interessiert sich für Kinder“, mit keiner meint Zöller die großen Pharmakonzerne der Welt mit ihren oft zweistelligen Milliardenumsätzen. Kinder nehmen zwei Wochen Medizin, dann sind sie wieder gesund. Da lasse sich für die Großen der Branche viel weniger verdienen als beispielsweise mit chronisch Kranken, Diabetikern etwa. Einmal eingestellt, nehmen sie jahrelang das gleiche Medikament. Auch mit Krebsmedikamenten ist viel mehr Geld zu verdienen. Und so lassen die Pharmariesen den Kinderkrankheits-Markt eher links liegen. Was Kindern gut tut, ist übrigens auch für ältere Menschen interessant. Beide tun sich mit dem Schlucken von Tabletten schwer, bei Saft ist das etwas anderes. Und den gibt es für verschiedene Arzneien in dieser Altersgruppe ebenfalls von Infectopharm.

Ein weiteres erfolgreiches Medikament ist eine Creme gegen Krätze, die gab es in Deutschland bis dahin nicht und wurde von Infectopharm aus einem bekannten Wirkstoff entwickelt. Auch hier wieder das gleiche Prinzip: Forschung und Entwicklung in Heppenheim verändern Darreichungsform (Saft statt Tabletten oder neue Cremes beispielsweise), Konzentration, Wirkungsgrad oder Geschmack bekannter Arznei-Wirkstoffe. Und daraus entstehen dann neue Medikamente. Die Wirkstoffe werden in Europa und Asien eingekauft, die veränderten Arzneimittel im Auftrag von Infectopharm dann bei Pharmaunternehmen in Europa produziert.

Die einzelnen Märkte von Infectopharm sind im Pharma-Branchenvergleich recht klein, im ein- bis niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Der geplante Umsatz im laufenden Jahr von 200 Millionen Euro verteilt sich auf 120 verschiedene Präparate, darunter auch Antibiotika für Krankenhäuser gegen die berüchtigten Krankenhauskeime, gegen die viele Mittel nicht mehr wirken. Die Produkte von Infectopharm haben in der Regel eine Alleinstellungsposition. „Wir stellen Unikate in Nischenmärkten her“, nennt das Zöller. Und da lohnt es sich auch selten für die Konkurrenz, in die gleiche Richtung zu marschieren. Die Entwicklungskosten für einen Nachahmer seien angesichts der kleinen Märkte viel zu hoch, rechnet Zöller vor.

Gleichwohl kann das Unternehmen mit den Renditen der großen Pharmahersteller jenseits der 20 Prozent mithalten. Das liegt vor allem daran, dass das Unternehmen keine Heerscharen von Pharmareferenten in die Arztpraxen der Republik schickt. Marketing ist neben der Forschung der mindestens genauso große Kostenblock in der Pharmabranche. Bei Infectopharm steht dagegen ein anonymisiertes und produktneutrales Informationsservicesystem für Ärzte mit 300 Experten aus der Wissenschaft. Hinzu kommen Veranstaltungen für Ärzte, bei denen diese, anders als bei anderen Pharmaunternehmen, den größten Teil der Kosten selbst tragen müssen. „1500 Teilnehmer bei deutschlandweit 6000 Kinderärzten“, hebt Zöller die gute Resonanz hervor. Und schon gut ein dutzend Mal wurde dem Unternehmen die „Goldene Tablette“ verliehen. Das ist eine Auszeichnung basierend auf einer Umfrage bei Kinderärzten, vergleichbar der „Goldenen Palme“ in der Filmwirtschaft, wie Zöller sagt.

Zur Person

Philipp Zöller wurde 1984 in Heidelberg geboren.

Er wuchs in Weinheim auf, ging dort in die Grundschule und auf das Werner-Heisenberg-Gymnasium. Später auf das Internat Salem am Bodensee.

Nach dem Abitur 2004 folgte das Studium der Pharmazie in Mainz.

Es folgten weitere Stationen unter anderem beim Merck-Konzern in Darmstadt und an der Universität in Berlin.

2012 trat er in das Familienunternehmen ein. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Geschäftsführung. mir

Chefredaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger