Bensheim/Frankfurt. Mit Christiane Benner steht erstmals eine Frau an die Spitze der IG Metall. Am 23. Oktober wurde die 55-Jährige auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt 96,4 Prozent Ja-Stimmen als neue Vorsitzende gewählt. Zuvor war sie bereits seit 2015 zweite Vorsitzende der „Metaller“. Von ihrem Büro im Main Forum, dem von der IG Metall als Hauptsitz genutzten Hochhauskomplex in Frankfurt, hat sie es nicht weit bis in die Heimat ihrer Jugend.
Aufgewachsen ist die 1968 in Aachen geborene Christiane Benner nämlich in Bensheim. Am Goethe-Gymnasium absolvierte sie 1987 ihr Abitur. Sie hat lange in Auerbach gelebt, später – ab der Oberstufe – bei ihrem Vater in Bensheim-Mitte.
Auch sportlich war die hochgewachsene Frau in der Region aktiv, spielte Handball in den Jugendabteilungen der TSV Auerbach – vor der Gründung der HSG Bensheim/Auerbach – sowie beim TSV Gadernheim. Schon vor ihrem Studium führte sie ihr Weg zur Gewerkschaft. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung als Fremdsprachensekretärin beim Maschinenbau-Unternehmen Carl Schenck in Darmstadt. „An der IG Metall kam man dort nicht vorbei“, sagte sie bereits bei einem Gespräch mit dieser Zeitung vor drei Jahren. Schnell begann sie, sich in der Gewerkschaft zu engagieren.
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Daran, sich einzubringen, war sie von ihrer Bensheimer Heimat schon gewöhnt. Am Goethe-Gymnasium war sie stellvertretende Schulsprecherin und arbeitete bei der Schülerzeitung mit. Schon damals sei sie mit Arbeitnehmer-Themen in Kontakt gekommen: Der Streit um die Arbeitszeitverkürzung und die 35-Stunden-Woche sei in den 80er Jahren ein prominentes Thema im Gemeinschaftskunde-Unterricht gewesen.
Heute geht es um die 32-Stunden-Woche mit Entgeltausgleich. Mit der Forderung werde man in die nächste Tarifrunde gehen. „Das wird auch die Industriearbeit gerade bei jungen Menschen und Frauen, die noch in Teilzeit arbeiten, attraktiver machen“, sagte sie jetzt in einem Interview mit der Tagesschau.
Zu Beginn ihrer Amtszeit gibt sich die neue IG-Metall-Chefin kämpferisch. Auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt verlangte sie von der Bundesregierung mehr Unterstützung der Mobilitätswende sowie das Ende der Schuldenbremse, die wichtige Zukunftsinvestitionen verhindere. „Wir brauchen keine Bremser, wir brauchen Ermöglicher in den Ministerien, denn unsere Arbeitsplätze hängen daran“, sagte sie in ihrer Grundsatzrede.
„Deindustrialisierung stoppen“
Wichtigstes Ziel der IG Metall sei es, die schleichende Deindustrialisierung Deutschlands zu stoppen. „Rechnerisch geht der Wandel gut aus. Es gäbe genug Arbeitsplätze in der grünen Industrie“, betonte sie mit Blick auf den klimagerechten Umbau der Industrie und die Umbrüche durch Digitalisierung. Wer Arbeitsplätze einfach ins Ausland verlagere, mache es sich zu einfach und treibe Menschen in die Perspektivlosigkeit.
Die IG-Metall-Chefin verlangte eine entschlossene Industriepolitik mit stärkeren öffentlichen Investitionen und mehr strategischer Mitbestimmung für die Beschäftigten. Bei der Elektromobilität müsse die staatliche Förderung unter anderem an große Wertschöpfungsanteile in Europa gebunden werden, wie dies auch in den USA und erst recht in China geschehe.
Benner rief die Mitglieder ihrer Organisation auf, sich weiter für die Beschäftigten einzusetzen und neue Betriebe gewerkschaftlich zu erschließen. Dies verband Benner mit einer Kampfansage an Tesla-Chef Elon Musk, in dessen Autofabrik in Grünheide sich kürzlich mehr als tausend Beschäftigte zur IG Metall bekannt hätten. „Wir lassen keine gewerkschaftsfreien Zonen zu. Nicht einmal auf dem Mars, Elon Musk!“
Christiane Benner sammelte bereits während ihres Studiums internationale Eindrücke. Auf Ausbildung und Tätigkeit bei Schenck folgte Studienjahre der Industriesoziologie, in Marburg, in North Manchester (im US-Bundesstaat Indiana), in Chicago und in Frankfurt. „Währenddessen habe ich bereits viel für die IG Metall gearbeitet“, erläuterte Benner im Gespräch mit dieser Zeitung. Unter anderem war sie damals in den Bereichen Jugendarbeit und Betreuung von Betrieben aus der IT- und Telekommunikationsbranche beschäftigt. Bei der IG Metall blieb die heute 55-Jährige letztlich, war in verschiedenen Bereichen aktiv, bis sie schließlich im Oktober 2015 zur zweiten Vorsitzenden und jetzt als erste Frau an die Spitze gewählt wurde.
Eine stärkere Rolle von Frauen in der Gewerkschaft, in der vor allem Vertreter traditioneller Männerberufe organisiert sind, lasse sich zwar nicht von selbst erreichen. Trotzdem sei die IG Metall dabei recht weit, mit über 30 Prozent weiblichen Führungskräften und Sachbearbeiterinnen von 2600 Gewerkschaftsbeschäftigten. Schon als zweite Vorsitzende zeigte sie sich froh, dass sie in der IG Metall die Position hat, das zu beeinflussen.
Immer mal wieder in Bensheim
Nach Bensheim kam und kommt die Gewerkschafterin immer mal wieder zurück – zumeist aus familiären Gründen, verriet sie schon beim Gespräch im Jahr 2020. Ein Jahr nach ihrer Wahl als stellvertretende Vorsitzende war sie aber auch zu Gast an ihrer ehemaligen Schule, bei den „Diwan-Gesprächen“ des Bensheimer Goethe-Gymnasiums. Damals referierte sie unter anderem zum Thema „Die Rolle der Gewerkschaften im 21. Jahrhundert“. kel/red/dpa
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