Landwirtschaft

Ware aus der Ukraine drückt auf die Preise für Getreide und Kartoffeln

„Es lohnt sich im Moment nicht“: Betroffene aus Hemsbach und Hirschberg schildern ihre Probleme. Niedrigere Umweltauflagen und geringerer Mindestlohn in Frankreich

Von 
Melissa Richter
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Hans Mayer lagert zurzeit rund 24 Tonnen Hafer in einer Lagerhalle. Die Folie schützt das Getreide vor Vögeln und Mäusen. © Thomas Rittelmann

Hirschberg/Hemsbach. Hans Mayer steht vor seiner Lagerhalle auf dem Hof in Großsachsen. Vor ihm liegen rund 24 Tonnen Getreide, unter einer Plane verborgen – Hafer, um genau zu sein. Der Weizen, den er auf seinen Feldern geerntet hat, ist nicht in der Halle zu finden, denn der wurde schon verkauft. Doch der 70-Jährige hat ein Problem: „Die Preise sind um 20 Prozent eingebrochen.“

Der Landwirt erklärt: „Eigentlich waren die Erträge der Ernte erstaunlich gut – es waren 100 Doppelzentner Getreide, das hat es bei mir in 55 Jahren noch nicht gegeben.“ Umgerechnet sind das rund zehn Tonnen. Trotzdem blickt er unzufrieden auf die Geschäfte – vor allem auf den Weizen. „Der Verkauf lohnt sich im Moment für mich nicht.“ Doch wieso baut er das Getreide dann überhaupt an?

Auf 40 Hektar wird angebaut

Mayer bewirtschaftet über 40 Hektar mit Weizen, Hafer, Raps und Mais. Er versorgt so die Gänse und Pferde mit Futter, Heu und Stroh – und hält gleichzeitig die Felder gesund. Denn: „Ein guter Landwirt achtet darauf, dass es seinem Acker gut geht – wenn man nichts anbaut, verödet er“, erklärt der Vorsitzende des Bauernverbands in Großsachsen.

Alles, was Mayer und seine Familie auf dem Hof nicht selbst brauchen, verkaufen sie. Er erklärt: „Eigentlich sollte man in diesem Jahr für eine Tonne Weizen 200 Euro bekommen, damit es sich rentiert.“ Doch zurzeit erhalte der Landwirt zwischen 160 Euro und 170 Euro. Letztes Jahr waren es laut Mayer noch 220 Euro. Beim Raps sieht es nicht besser aus: Als er die Pflanze vor vier Jahren zum ersten Mal angebaut hat, habe er noch 700 Euro für die Tonne bekommen, heute seien es 425 Euro.

Angesichts der Kosten für Anbau und Ernte bleibt Mayer nicht mehr viel übrig. „Alles ist teurer geworden – gerade auch das, was noch mit Handarbeit gemacht wird.“ Aber auch die Preise für Maschinen sind in die Höhe gestiegen – so stark, dass eine Anschaffung für ihn keinen Sinn ergibt. „Ein neuer Miststreuer kostet rund 80.000 Euro.“ Damit sich der Kauf lohnt, müsste die Maschine 25 Jahre lang, ohne einen Schaden, halten, sagt der 70-Jährige. Darum leiht er sich den Miststreuer beim Maschinenring Rhein-Neckar. Für die 120 bis 140 Fahrten auf seinem Acker zahlt er rund 3.000 Euro. Mayer ist froh, dass der Hof vor allem auf Pferde und Gänse setzt – und nicht auf Getreide. „In unserer Größe spielen wir mit unserer Ernte auf dem Weltmarkt einfach keine Rolle.“ Und er sagt auch: „Die Preise zeigen: Es ist genug Weizen da – und trotzdem hungern Millionen von Menschen. Das ist ein Verteilungsproblem.“

Kartoffeln schwer verkäuflich

Ein ähnliches Problem gibt es bei einer anderen Pflanze. Andrea Müller baut auf rund 18 Hektar Kartoffeln an, die sie an den Großhandel und verschiedene Supermärkte verkauft. „Wir haben bisher ein Drittel, also circa 70 Tonnen, geerntet“, schildert die Vorsitzende des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins (OWG) in Hemsbach. Doch ihre Kartoffeln wird sie bei Einzelhändlern nicht los. „Die Qualität stimmt, aber die Großkäufer sind wählerisch.“ Ob spezielle Sorten für Chips oder Pommes – der Markt sei aktuell übersättigt. „Die Preise haben sich deswegen stark reduziert.“

Mit Skepsis sieht Müller den 30 bis 40 Tonnen entgegen, die noch auf ihren Feldern liegen. „Ich weiß, dass sich der Drahtwurm dort breitgemacht hat.“ Die lebenden Larven verursachen Löcher und braune Stellen in den Kartoffeln. Der Aufwand, die schlechten Kartoffeln auszusortieren, lohnt sich für Müller angesichts des Preises nicht. Deswegen landet dieser Teil der Ernte vermutlich direkt in einer Biogasanlage.

Für die nicht verkauften Kartoffeln fehlt Müller der Platz zur Lagerung. „Wir versuchen, sie auf Wochenmärkten oder über Verkaufsautomaten anzubieten“, erklärt sie. An einen Anbaustopp denkt die Vorsitzende dennoch nicht. „In zwei Monaten kann die Lage schon wieder ganz anders aussehen“, sagt sie zuversichtlich. „Die Kunden kommen zu uns und sagen, dass die Kartoffeln ihnen schmecken und sie uns vermissen würden, wenn wir sie nicht mehr anbieten.“ Aber wieso ist die Lage auf dem Markt gerade überhaupt so eine Herausforderung?

Überangebot auf dem Markt

Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, macht die Märkte im deutschen Umfeld für die sinkenden Erlöse verantwortlich. „Die Ware aus der Ukraine drückt zum Beispiel auf den europäischen Markt. Dadurch entsteht ein Überangebot, und die Preise fallen“, erklärt er. Hinzu komme, dass die Nachbarländer über andere Strukturen und Regelungen verfügen. So könnten sie ihre Produkte, wie Weizen, günstiger auf dem deutschen Markt anbieten als die heimischen Landwirte. „In Frankreich beispielsweise gelten andere Umweltauflagen, und der Mindestlohn ist auch ein anderer.“ Bei den Kartoffeln sieht es ähnlich aus. Wenn die heimischen Bauern im Mai und Juni mit der Ernte beginnen, liegen in den Supermärkten schon Kartoffeln aus Spanien, schildert er. „Dadurch wurde die heimische Ware erst nicht gebraucht. Die Preise sind also auch gefallen.“ Hinzu kommt, sagt der 64-Jährige: „Der Einzelhandel bestimmt den Preis – er hat die Marktmacht.“ Ob und wann sich die Lage bessert, hängt laut Guckert vom Wetter, der Ernte und vielen anderen Faktoren ab.

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