Bergstraße. Bergstraße. Wegen Missbrauchs seiner Stellung als Arzt verurteilte das Amtsgericht Weinheim jetzt einen in der Stadt niedergelassenen Psychiater zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft. Für den in Bensheim wohnenden Mediziner verhängte das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Eva Lösche ein Berufsverbot von drei Jahren.
Das Strafmaß lag dabei über der Forderung der Staatsanwaltschaft Mannheim von einem Jahr und zehn Monaten. Damit kann die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Verteidigung hat das Recht, innerhalb einer Woche Berufung einzulegen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt Betäubungsmittel auf „Bestellung“ per Whatsapp verschrieben und dabei die Auswahl und die Menge der Betäubungsmittel den „Patienten“ überlassen hat. Die Chatverläufe auf sichergestellten Handys dienten dem Gericht als Beweis, obwohl der Angeklagte die Vorwürfe bestritten hatte. „Das waren Bestelllisten wie bei Amazon“, brachte es die Richterin auf den Punkt.
Die Aussage von Zeugen, wonach es sich in den acht vorgeworfenen Fällen 2020 nicht um Bestellungen, sondern vielmehr um Anfragen gehandelt haben sollte, hielt das Gericht für nicht glaubwürdig. So auch die Einlassung des Arztes, er habe jeden Patienten jeweils vor der Rezeptvergabe untersucht und niemals Betäubungsmittel ohne medizinische Indikation verschrieben.
Von Chatverläufen überführt
Chatverläufe waren für das Gericht auch die Indizien für die Verurteilung in einem weiteren Anklagepunkt. Für das Gericht war klar, dass der Arzt in mindestens einem Fall ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht während der Coronazeit ausgestellt hat - ebenfalls auf „Bestellung“ und ohne Untersuchung. Gravierend war auch der Vorwurf eines Kokainhandels, in den der Arzt selbst als Kunde verstrickt gewesen sein sollte. Gegen den Bensheimer sprach nach Ansicht des Gerichts die Tatsache, dass die Haarprobe des Angeklagten positiv auf fünf verschiedene Drogen getestet wurde, unter anderem auf Kokain und Amphetamine.
Auch den vierten Anklagepunkt, den Erwerb von Drogen in Holland, die bei der Durchsuchung seiner Praxisräume gefunden worden waren, sah das Gericht als erwiesen an.
Nicht nur die Chatverläufe, auch eine Vielzahl an Fotos und Videoaufnahmen auf dem Handy des Arztes zog das Schöffengericht als Beweise hinzu. Sie stammen alle aus dem Jahr 2020 und zeigen den Mediziner mit bunten Pillen auf der Zunge, mit Blut und weißem Staub an der Nase, an einem Tisch mit Bekannten vor vermeintlichen Kokain-Lines, auch in den Praxisräumen. Um die „Lines“ zu ziehen, wurde sogar der Arztausweis genutzt.
„Persiflagen für TikTok mit kabarettistischem Einschlag“ hatte der Psychiater die Aufnahmen genannt. „Ich habe den Eindruck, Sie wollen uns auf den Arm nehmen“, entgegnete die Richterin bei der Urteilsbegründung.
„Schockierende Zustände“
Dazu kämen „schockierende Zustände“, die die Polizei bei der Durchsuchung der Praxisräume im Dezember 2020 vorgefunden hatte, mit herumliegenden Patientenakten und unzureichend gesicherten Medikamenten. An einem Berufsverbot ging für das Gericht deshalb kein Weg vorbei. Lösche: „Vielleicht nutzen Sie die Zeit, um selbst eine Therapie zu machen.“
Verteidiger Christian Kunath hatte zuvor wortreich versucht, seinen Mandanten zu entlasten. Auch er bestätigte, dass die Chatverläufe ein „Geschmäckle“ haben, aber zu Verschreibungen sei es lediglich nach Inaugenscheinnahme der Patienten gekommen. Das Masken-Attest sei zur Vermeidung von Panik-Attacken bei einer Patientin ausgestellt worden, die seit Jahren bei dem Arzt in Behandlung sei. Sie war als Zeugin geladen und bestätigte diese Aussage.
Nachweise vermisste Kunath auch beim Vorwurf des Kokainhandels. Und bei der Bestellung in Holland sei sein Mandant der Ansicht gewesen, es handele sich nicht um Substanzen, die in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen.
Nicht zu leugnen war allerdings die Tatsache, dass der Arzt mittlerweile Vorstrafen vorzuweisen hat für Vorfälle, die sich nach der Anklageerhebung im August 2021 ereignet haben. Verurteilt wurde er vor dem Amtsgericht in Bensheim unter anderem für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln und Trunkenheit am Steuer. Richterin Lösche sah darin keine gute Prognose für die Zukunft. ik/ü
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