Kreisnarrenempfang

Großer Bahnhof für Bergsträßer Fastnachter

Beim Kreisnarrenempfang im Mörlenbacher Bürgerhaus ging es heiß her.

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stk/ü
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Wurden von Christian Engelhardt (rechts) und Ulrich Knorr (Zweiter von links) geehrt: Martin Wessner, Vroni Stapf und Horst Schaab (von links). © Fritz Kopetzky/ü

Bergstraße. Der Name „Schneckenballett“ passt wie die Faust aufs Auge: Wenn die jungen Mitglieder der Wasserschnecken-Fastnachter mit wehenden Glitzerkleidern über die Bühne fliegen, passt nichts weniger als das Kriechtier. Die Truppe mischte den Kreisnarrenempfang im Mörlenbacher Bürgerhaus mit ihrer fetzigen Darbietung zur Discoversion von „We No Speak Americano“ und anderen schwungvollen Titeln gehörig auf.

„Prosecco-Infusion“

Die im Schnitt 23 Jahre junge Truppe hatte die Bühne übernommen von einer anderen Schnecken-Gang: Im Gefolge des Gastgebers, Landrat Christian Engelhardt, waren vor ihnen nämlich schon die Prosecco-Schnecken auf die Bühne gekrochen. Eine Infusion mit dem wundertätigen Getränk machte aus den anfangs klapprigen Omis muntere Tänzerinnen, die einen weiteren begeisterten Applaus ernteten.

Zuvor machte Engelhardt noch die Honneurs. Wer erwartet hatte, ihn in der violetten Mireille-Mathieu-Perücke anzutreffen, mit der er in dieser Saison bereits Furore machte, wurde enttäuscht: Fast zu seriös mit dunklem Anzug und Kreis-Narrenkappe hieß der Landrat seine Gäste willkommen, wetzte diese Scharte aber gleich wieder aus mit ein paar handgeschmiedeten Reimen.

MoerleNarren_05_02_2023 Fritz Kopetzky Mörlenbach OZW 05.02.2023 Mörlenbach Kreisnarrenmpfang mit Verleihung der Kreisnarrenkette © Fritz KOPETZKY SPECHTBACH 30 6

Sie seien „Sensationen in des Kreises Teilregionen“, lobte er die Abordnungen von gut 20 Karnevalsvereinigungen und sagte, dass deren Arbeit den Kreis bunter mache. Er hatte sich schlaugemacht über den Ursprung des Namens Wasserschnecken, den die Kolpingfamilie ihrer närrischen Abteilung gegeben hat, und herausgefunden, dass er auf eine Anekdote zurückgeht.

Schnöde Steine statt Schnecken

Demnach sollen die drei silbernen Glöckchen, die die Gemeinde bis heute im Wappen trägt, während des Dreißigjährigen Kriegs in einem Weiher versenkt worden sein. Alle, die um das Versteck wussten, starben, also suchten die Dorfbewohner nach einem Ausweg.

Ein Wald-Michelbacher habe ihnen wundertätige Schnecken verkauft, doch die entpuppten sich als schnöde Steine. „Sie wurden zum Narren gehalten, aber das ist nicht schlimm“, findet der Landrat. Denn die Programme, die manche Narren mit viel Hingabe einstudieren, würden dazu beitragen, die Gesellschaft zusammenzuhalten: „Denn Lachen verbindet.“

Endlich wieder normal fastnacht feiern

Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause sei er nun „einfach froh, dass wir ganz normal Fastnacht feiern können“. Dieser Stoßseufzer war an diesem Vormittag noch einige Male zu hören – auch von Bürgermeister Erik Kadesch, dessen Video aus dem vorigen Jahr, „Men In Black“, noch einmal gezeigt wurde.

Fastnachtsvereine beim Empfang

  • Zum Kreisnarrenempfang kamen sind die Hirschhorner Ritter, die Rock´n´Rabbits sowie die Närrischen Drei aus Lorsch, der Bunte Abend des SV Erbach, der Birkenauer Karnevalsverein und die Hussmouge aus Aschbach
  • Aus Heppenheim kamen Delegationen der Frauenfastnacht, des Straßenfastnachtszugkomittees, die Miss Veggelsbach, der FG Bottschlorum und Prinzessin Kerstin, die Paragrafenreiterin
  • Zwingenberg hatte den KVN Narhalla, der sein 100-jähriges Bestehen feiert, entsandt, Lampertheim den CC Rot-Weiß
  • Aus Bürstadt kamen zwei Vertreterinnen der Weiberfastnacht. Von Viernheim war eine Abordnung des CdG da, des Clubs der Gemütlichen, außerdem die Großen Drei
  • Ober-Abtsteinach wurde durch den Okaclu und Bürgermeisterin Angelika Beckenbach repräsentiert. Aus Lampertheim kamen die Mondhexen und aus Grasellenbach die Karnevalsgemeinschaft.

Auch Martin Wessner, als Wasserschnecken-Präsident Organisator und zusammen mit seiner Frau Rita Eberle-Wessner künstlerischer Leiter, erinnerte an die Pandemiezeiten. In den vergangenen Jahren hatte er zweimal eine Online-Feier auf die Beine gestellt und bemerkte nüchtern: „Es ist besser als nichts, aber es ist keine richtige Fastnacht.“

Tradition - Weitergabe des Feuers

Von Engelhardt wurde der „Held der Fastnacht“ für sein seit 2007 andauerndes Engagement mit einer funkelnagelneuen Kreisnarrenkette ausgezeichnet. Der Media-Professor habe für eine zeitgemäße Ausstattung und Interesse bei den Jüngeren gesorgt.

Er sei mit diesen 16 Jahren Erfahrung noch ein „Jungspund“, wiegelt der Geehrte ab, erklärt aber seine Haltung zum Brauchtum mit einem Zitat: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Was bedeute, die Idee zu bewahren, die darin bestehe, den Finger in die Wunde zu legen, auf Missstände hinzuweisen, aber auch einfach Spaß zu haben.

Ehrenplaketten verliehen

Die Kreisnarren-Ehrenplakette ging an Vroni Stapf, deren „unverwechselbare Bühnenpräsenz“ Engelhardt lobt, wobei er an 1989 erinnert, als sie als Kostüm-Schneiderin zur Wasserschnecken-Truppe kam und es zur einzigen Frau im Elferrat brachte.

Beim Schlachtruf gehen die Hände zum Himmel: Narren-Abordnungen aus dem gesamten Kreisgebiet auf der Bühne im Mörlenbacher Bürgerhaus. Hier hatten auch die Nachwuchskräfte der Wasserschnecken ihren viel gefeierten Auftritt. © Fritz Kopetzky/ü

Als Nächster war Horst Schaab an der Reihe. Der einstige Büttenredner, Organisator, Sitzungspräsident, trotz Umzugs noch immer mit Mörlenbach verbunden, erhielt ebenfalls die Plakette. Moderatorin Claudia Griethe kündigt eine „Bütt“ von der „guten Fee“ Eberle-Wessner an, bevor das Programm unweigerlich auf seinen protokollarischen Höhepunkt zusteuerte: Ulrich Knorr, Vizevorsitzender der Narren im besten Alter (NibA), bat die Abordnungen der Fastnachtsvereinigungen auf die Bühne.

Die Schneckensänger sorgten für Stimmung

Lieblichkeiten in glitzernden, an bunte Sahnebaisers erinnernden Roben folgen seiner Aufforderung, Narrenkappenträger im gesetzten Alter, ein Häschen mit Grinse-Maske und Narren in den unterschiedlichsten Verkleidungen.

Seit 2008 organisieren Kreis und NibA die jährlichen Narrentreffen, und Knorr erklärt die Absicht hinter den Empfängen: „Es ging darum, sicherzustellen, dass es weitergeht mit den Treffen.“ Das erste und das letzte Wort an diesem Tag wurde übrigens gesungen – und zwar von den Schneckensängern, die mit ihren gekonnten Beiträgen eine Riesenstimmung machen. stk/ü

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