Spurensuche

Greifvogel hält Fürth und Lörzenbach in Atem

Kürzlich ist ein Wüstenbussard bei Lörzenbach gesichtet worden - hat das Tier einen Hund angegriffen?

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Wüstenbussard Shiva sieht genauso aus wie die verschwundene Luna, die aus Heilbronn stammt. © Astrid Wagner

Fürth. Ist es Wüstenbussard-Dame Luna, die am Sonntag ihre Kreise über Lörzenbach und Fürth gezogen hat? Der prächtige Greifvogel hat zumindest am Sonntagvormittag für allerlei Aufregung gesorgt.

Wie eine Nutzerin in den sozialen Medien schrieb, habe ein Greifvogel nahe dem Lörzenbacher Friedhof ihren Hund angegriffen, dem aber – außer einem Schrecken – nichts zugestoßen sei. Die Frau erkannte an der Manschette um den Fuß des Vogels, dass es sich um ein ausgebüxtes Tier handeln musste.

Mittlerweile wurde der Vogel von Augenzeugen als „Harris Hawk“, zu Deutsch Wüstenbussard, identifiziert und später am Sonntag noch mehrmals gesichtet, unter anderem über Fürth, wo er sich mit zwei Milanen einen Luftkampf lieferte, um ihnen die Beute abzujagen. Es könnte sein, dass es sich bei dem Wüstenbussard um Luna handelt, die vor zwölf Tagen dem Falkner Uwe Haegler aus Neckarwestheim entflogen ist.

Neckarwestheim ist Luftlinie 60 Kilometer enfernt

Mit dem Auto ist das rund 112 Kilometer von Fürth entfernt. Per Luftlinie – und das ist es ja, was für Vögel zählt – sind es circa 60 Kilometer. „Das ist schon machbar“, sagt Haegler im Gespräch mit dieser Zeitung. Fünf Jahre ist Luna alt, ein schlaues und verspieltes Tier, wie ihr Halter berichtet. Beim Training vor knapp zwei Wochen aber hat der Wüstenbussard wohl auf einmal beschlossen, einen Ausflug zu unternehmen, und hat sich aus dem Staub gemacht.

Peter Becker mit seinem Wüstenbussard im Fürther Ortsteil Seidenbach. © Astrid Wagner

Seitdem ist Haegler auf der Suche nach dem entflogenen Vogel, hat schon etliche Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Das hat bisher zu nichts geführt. Nun hofft er, dass Falkner oder Greifvogelkenner den „Harris Hawk“ mit Futter zum Landen überreden können. „Eigentlich ist sie Menschen gewöhnt“, man müsse sie gut einfangen können. Was ihn ein bisschen stutzig macht, ist allerdings die Tatsache, dass der gesichtete Greifvogel keine Glöckchen am Fuß hat: „Eigentlich hat er Glöckchen am Lederriemen und man müsste ihn hören.“

Wegen der scharfen Krallen Vorsicht bei Einfangversuchen

Dass Luna einen Hund angreift, kann sich der Falkner nicht vorstellen. Sie sei zwar fit und agil, aber so ein Hund sei als Beutetier zu groß. Wer den auffälligen Vogel irgendwo sitzen oder fliegen sieht, der kann sich mit Haegler in Verbindung setzen.

Vorsicht sei aber geboten bei eigenen Einfangversuchen: „Die Krallen des Greifs haben es in sich.“ Man könnte ihn höchstens mit einer Jacke oder Decke zudecken und dann einen Fachmann herbeirufen. Bei Dunkelheit werden die Tiere ganz ruhig. Ob es Luna ist, kann man dann über die Ziffer auf dem Ring am Fuß feststellen. Haegler, im „normalen“ Leben Einzelhandelskaufmann, ist Falkner und besitzt neben Luna noch einen weiteren Wüstenbussard sowie eine Schnee-Eule. Er hat zudem einen Verein zur Greifvogelrettung gegründet, ein Feuerwehrauto entsprechend umgebaut und fährt nun überall dort hin, wo es gilt, Tieren zu helfen, die verletzt oder aus dem Nest gefallen sind.

Greifvögeln in Not hilft auch Peter Becker seit vielen Jahren. Seit 1995 lebt der Rentner in Seidenbach, hält seit seinem 23. Lebensjahr Greifvögel. Auch er nennt einen Wüstenbussard sein Eigen; er hat Haegler jetzt seine Hilfe angeboten, sich auf den Weg gemacht mit Falknerhandschuh und Eintagsküken, um die flüchtige Luna zur Landung zu überreden, falls er sie sichtet.

Auch am Montag war er wieder rund um Fürth unterwegs, um nach dem Bussard Ausschau zu halten. Zwischendrin hat diese Zeitung Becker und seinem Wüstenbussard Shiva einen kurzen Besuch abgestattet. Am 19. Mai wird Shiva vier Jahre alt und lebt bei Becker, seit sie zehn Tage alt war. In seinem Zuhause kann man das wunderschöne Tier ganz genau betrachten. Wüstenbussarde stammen ursprünglich aus Mittelamerika und können eine Spannweite von bis zu 120 Zentimetern erreichen, wobei die Weibchen rund zehn Prozent größer als die Männchen sind. Das Federkleid ist überwiegend dunkelbraun mit rotbraunen Federn an den Flügeln, die Befiederung an den gelben Beinen ist vor allem im Alter rötlich.

Sogar streicheln lässt sich Shiva – samtig weich fühlt sich das an. Sie verfolgt das Gespräch aufmerksam und gibt immer mal wieder lautstarke Kommentare ab. Das angebotene Küken mag sie erst einmal nicht, denn sie ist noch satt von der letzten Mahlzeit.

Vier bis fünf Küken frisst so ein Bussard pro Tag, einmal in der Woche wird Diät gehalten, da die Tiere ja auch in freier Wildbahn nicht jeden Tag Jagdglück haben. Wüstenbussarde werden hierzulande oft zur Beizjagd eingesetzt, meist auf Krähen und Elstern. Becker jagt allerdings nicht mit Shiva, die gerne ihre Kreise über Seidenbach dreht, aber immer wieder zurückkommt, wenn man sie mit einem Eintagsküken lockt.

Früher, als er noch in Fehlheim wohnte, hatte er mehrere Greifvögel, unter anderem verschiedene Eulen- und Falkenarten sowie Uhus. Bis heute zieht auch er aus dem Nest gefallene Jungtiere groß oder päppelt verletzte Tiere wieder auf, die man ihm bringt. Der Vater von fünf Töchtern war früher in der Versicherungsbranche tätig. Die erste Vogelvoliere stand in seinem Elternhaus, als er sechs Jahre alt war.

Hund passt nicht ins Beuteschema eines Wüstenbussards

Eine Voliere mit Kanarienvögeln steht auch jetzt noch auf seiner Terrasse. Mit 23 Jahren hat der heute 74-Jährige das erste Turmfalkenküken aufgezogen; das hat ihn so fasziniert, dass er sein Leben lang Greifvögeln treu geblieben ist.

Dass der gesichtete Wüstenbussard den Hund wirklich angegriffen hat, kann sich auch Becker nicht vorstellen: „Das ist eine Nummer zu groß. Vielleicht wollte er spielen, aber ihn gewiss nicht ernsthaft attackieren.“

Es sei denn, man habe es mit einem winzigen Chihuahua zu tun, aber selbst solch ein Hund stehe eigentlich nicht auf der Speisekarte eines Wüstenbussards. Wenn so ein Vogel „richtig Kohldampf“ habe, dann könne er Kaninchen schlagen. Oder, wie Haegler sagt, höchstens mal einen Feldhasen. Und natürlich würde er auch keine Menschen angreifen.

Ob Luna noch in der Gegend ist, wusste am Montagnachmittag niemand. Vielleicht war das wunderschöne Tier schon wieder 30 Kilometer weiter geflogen – oder auf dem Rückweg nach seinem Zuhause bei Heilbronn. Falkner Haegler hofft inständig, dass das Tier nicht tot aufgefunden wird. wag

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