Bergstraße. "Politik braucht Partner", habe ihnen der ehemalige Landrat Norbert Hoffmann mit auf den Weg gegeben. Der Bergsträßer Juso-Vorsitzende Marius Schmidt, und seine politischen Kollegen haben sich den Leitsatz zu Herzen genommen und verleihen jedes Jahr einen Sozialpreis an eine Organisation oder Institution, einen Verein oder eine Initiative, die sich dadurch hervorhebt, dass sie soziales Engagement zu ihrem Thema macht.
In diesem Jahr ließen sie die Auszeichnung dem Verein Frauenhaus Bergstraße zukommen. Eine vierköpfige Juso-Delegation überreichte Urkunde und Scheck an Vereinsvorsitzende Christine Klein, die mit großer Freude die Spende entgegennahm - vor allem angesichts der defizitären Situation im Haushalt. Die öffentlichen Gelder reichen nicht für den Betrieb des Frauenhauses aus. Man kämpfe gegen ein finanzielles Loch in fünfstelliger Höhe an, das durch Spendengelder geschlossen werden müsse. Da sei jeder Cent Gold wert, erklärte Christine Klein. Während der Zuschuss der öffentlichen Hand stagniere, sei das Budget für Ausgaben allein durch Verteuerungen gestiegen.
Zwei Drittel erhalten eine Absage
Das Thema "Gewalt gegen Frauen" ist nach wie vor gesellschaftlich relevant. Das belegen allein die Zahlen im Bergsträßer Frauenhaus, das durchgängig voll belegt ist. Nur ein Drittel der Frauen, die Hilfe anfragen, finden hier vor Ort einen sicheren Unterschlupf. Im Jahr 2015 konnte man 45 Frauen aufnehmen und musste 136 eine Absage erteilen. Man habe dann in den umliegenden Einrichtungen einen Platz finden müssen.
Tina Rüger, eine der vier Sozialpädagoginnen, die im Frauenhaus und in den angegliederten Beratungsstellen tätig sind, gab einen Einblick in das vielfältige Spektrum ihrer Arbeit. Das Frauenhaus bietet ein Auffangnetz für traumatisierte Frauen, die aus einer unterdrückenden, gewalttätigen Beziehung geflüchtet sind. Gleichzeitig schlägt man ihnen Schneisen durch den Behördendschungel und ist Steigbügel hin zu einem selbstständigen Leben.
Die Frauen, die vor häuslicher Gewalt Zuflucht suchen und vorübergehend im Frauenhaus einen sicheren Hort finden, bewohnen zusammen mit ihrem Nachwuchs ein kleines, bescheidenes Zimmer. Bad und Küche teilen sie mit anderen Bewohnerinnen des Hauses. Dafür zahlen sie eine tägliche Miete von sechs Euro. Christine Klein unterstrich, dass nicht - wie gemeinhin gern angenommen - Frauen aus sozial minderprivilegierten Schichten oder aufgrund ihres kulturellen oder religiösen Hintergrunds besonders betroffen sind. Die Gewalt gegen Frauen geht quer durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Arbeit mit traumatisierten Kindern
Die pädagogische Arbeit mit den oftmals traumatisierten Kindern nimmt einen hohen Stellenwert ein. Der Nachwuchs hat die Gewalt gegen ihre Mutter miterleben müssen. Und zudem: "Das Gros der Frauen hatte in der Beziehung Probleme mit dem Nein-Sagen und ebenso in der Erziehung", erklärte die Sozialarbeiterin. Für die Kleinen hält das Frauenhaus eigens einen Bereich bereit, in dem sie sich mit einer pädagogischen Fachkraft aufhalten. "Wir würden auch den Bereich gerne ausweiten, doch fehlen uns die finanziellen Mittel", sagte Christine Klein.
Der Verein Frauenhaus Bergstraße bietet nicht nur Zuflucht, sondern auch Beratung für alle von Gewalt betroffene Frauen - aber auch für Freunde und Nachbarn, die nicht wissen, wie sie sich selbst verhalten sollen. Das präventive Angebot konnte man durch einen höheren Zuschuss aus dem Sozialministerium ausweiten. Zum einen konnte man die Sprechzeiten in Beratungsbüro in der Hauptstraße 81 in Bensheim erweitern. Zum anderen eröffnete man eine Dependance in Rimbach, so dass man nun auch im Odenwald eine Anlaufstelle bereitstellt. Ein Pendant soll noch in Lampertheim installiert werden. Man sei auf der Suche nach bezahlbaren Räumlichkeiten, möglichst unter dem Dach einer bereits bestehenden sozialen Einrichtung.
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