Bergstraße. „Der Boden, auf dem die Gräueltaten des Nationalsozialismus wuchsen, war nicht allein die Ideologie einer kleinen Gruppe von Fanatikern. Es war ein Boden, der durch Gleichgültigkeit, Angst und Mitläufertum gedüngt wurde“, wies Holger Giebel, Vorsitzender des Bergsträßer Kreisverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), bei seiner Rede anlässlich des Holocaust-Gedenktags in Bensheim auf die gesellschaftliche Verantwortung hin, wenn es darum geht, die Worte „Nie wieder“ nicht zur Floskel werden zu lassen.
Seit vielen Jahren bereits richtet die GEW am Stolperstein-Mahnmal in der Bensheimer Fußgängerzone immer zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung eine Gedenkveranstaltung aus. Giebel unterstrich seine Sorge beim Blick auf das Erstarken autoritärer Bewegungen weltweit, die allesamt dieselben Mittel einsetzen: Spaltung der Gesellschaft, Verbreitung von Angst, Schüren von Hass, gern auch mithilfe von Falschinformationen.
Berechtigte Sorgen der Menschen ernst nehmen
Der Gewerkschafter verdeutlichte, dass jeder seinen Beitrag dazu leisten könne, ein anderes Signal zu setzen und damit auch die Demokratie zu fördern: „Wir sind die Demokratie. Jede Handlung, jede Entscheidung, die auf Respekt und Toleranz basiert, ist ein Beitrag zu einer stabilen und gerechten Gesellschaft. Demokratie ist noch nie einfach vom Himmel gefallen. Man muss dauerhaft mit ihr arbeiten, sie pflegen.“
Darüber hinaus sei es wichtig, berechtigte Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Giebel wies auf steigende Kinder- und Altersarmut, den erodierenden Mittelstand und dessen Zukunftsängste sowie auf Tafeln hin, die so viele Menschen versorgen, dass sie keine weiteren aufnehmen können. Dass Bundespräsident Steinmeier angesichts dieser Tatsachen davon spreche, dass wir „im besten Deutschland, das es je gab“ leben, sei nicht nachvollziehbar. „Die allermeisten Menschen erleben eine andere Realität als die vom Bundespräsidenten skizzierte. Das muss die Politik erkennen, ansonsten leistet sie der Demokratie einen Bärendienst und lässt nur diejenigen jubeln, die von Demokratie rein gar nichts halten und die in den letzten Jahren zunehmend nach oben gespült wurden“, machte Giebel klar.
Gräueltaten des Nationalsozialismus seien wieder vorstellbar
Der GEW-Kreisvorsitzende rief dazu auf, „nicht nur der Vergangenheit zu gedenken, sondern auch die Zukunft zu gestalten – mit Mut, mit Mitgefühl und mit der festen Überzeugung, dass die Werte der Freiheit, Gleichheit und Menschlichkeit immer verteidigt werden müssen“.
Manfred Forell, Sprecher der Initiative „Vielfalt! Jetzt!“, verwies darauf, dass die Gräueltaten des Nationalsozialismus durchaus wieder vorstellbar seien, wenn Demokratie und Menschenwürde nicht geachtet würden. Sven Wingerter (DGB Bergstraße) wies auf die Bedeutung des Erinnerns hin, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Mit Sorge sei etwa die Entwicklung in Österreich zu betrachten, wo die „Brandmauer“ bereits gefallen sei und alle Zeichen auf eine rechtskonservative Regierung hindeuten.
Vergegenwärtigung der Geschichte gegen Völkerhass, Faschismus und Rassismus
Franz Beiwinkel (DGB Heppenheim) erinnerte daran, dass der Plan der Nazis die komplette Vernichtung der Juden in Europa war, also das Morden eigentlich noch weitergehen sollte. Mit erschütternden Zitaten von Holocaust-Überlebenden zeigte er das Grauen auf, das die Menschen erlebten. Günther Schmidl (DGB Bensheim) sagte, dass die beste Versicherung gegen Völkerhass, Faschismus und Rassismus die Vergegenwärtigung der Geschichte bleibe, weshalb das Erinnern auch so wichtig sei.
Dekanin Sonja Mattes vom Evangelischen Dekanat Bergstraße stellte die Frage, wann Menschen aus der Geschichte lernen, was falsch sei und was man nicht wiederholen solle. Dass der Kalte Krieg zurückgekehrt, der Krieg ein Mittel der Weltpolitik, Europa zerrissen sei und die USA sich abschotte, stimme nachdenklich. Es gebe keine einfachen Antworten, denn dafür sei die Welt zu komplex. Daher sei es immer notwendig Kompromisse eingehen zu können. red
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