Gesundheitsserie

10 Jahre Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung an der Schön Klinik in Lorsch

Der Leiter Prof. Dr. Georg Köster erklärt im Gespräch, welche Vorteile ein solches Zentrum für die Athrose-Patienten hat.

Von 
Angela Schrödelsecker
Lesedauer: 
Prof. Dr. Köster kam vor 22 Jahren nach Lorsch und baute das Endoprothetikzentrum auf. © Schön Klinik

Bergstraße. Was genau ist denn ein Endoprothetikzentrum?

Prof. Dr. Georg Köster: Ein Endoprothetikzentrum ist eine medizinische Einrichtung, die für die Implantation von Gelenkendoprothesen, also vor allem künstliche Hüft- und Kniegelenke, eine besondere Expertise hat. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie hat sich vor etwa 15 Jahren zur Aufgabe gemacht, solche Zentren, ähnlich wie es sie auch bereits für den Brustkrebs gab, zu etablieren. Dazu hat sie ein Zertifizierungssystem entwickelt, bei dem Prozesse und Qualität der Einrichtung jährlich von extern überprüft werden. Und da gibt es einen langen Anforderungskatalog, den man erfüllen muss. Unsere Klinik war 2013 die 26. Klinik in ganz Deutschland überhaupt, die eine solche Zertifizierung erhielt. Zunächst noch als Grundversorger, im Jahr 2015 wurden wir dann bereits zum Endoprothetikzentrum der Maximalversorgung befördert.

Wie viele Zentren gibt es denn in Deutschland?

Köster: Es gibt aktuell rund 500 zertifizierte Endoprothetikzentren, drei davon übrigens in der Schweiz und zehn in Österreich. Von diesen erfüllen 193 die Anforderungen als Maximalversorger. Zum Vergleich: Insgesamt werden an etwa 1000 Kliniken in Deutschland Hüftendoprothesen operiert. Also sind nur knapp die Hälfte zertifiziert. Zusätzlich sollte man aber auch auf die Fallzahlen blicken. Wir hier in Lorsch führen im Jahr 1.300 endoprothetische Eingriffe durch. Damit sind wir in der Region Spitzenreiter. Laut Bundesklinikatlas liegen wir bundesweit im Bereich Hüftgelenkersatz, bezogen auf die Fallzahlen, auf Platz 44 – bei den Kniegelenken aktuell auf Platz 54. Das ist schon sehr weit vorne für eine solches Haus, wie wir es haben. Das wissen aber nur die wenigsten. Wir operieren in Lorsch übrigens auch Schulterendoprothesen. Diese Operationen sind allerdings noch nicht in das Endoprothetikzentrum vollständig integriert. Mit Prof. Dr. Olaf Lorbach haben wir einen Chefarzt im Haus, der darauf spezialisiert ist.

Welche Anforderungen müssen Sie denn als Zentrum erfüllen?

Köster: Hohe Fallzahlen gelten als besonderes Qualitätsmerkmal. Je häufiger man eine Operation macht, umso besser sind die Ergebnisse. Als Zentrum der Grundversorgung muss man insgesamt mindestens 100 endoprothetische Versorgungen pro Jahr durchführen (davon mindestens 50 am Knie und 50 an der Hüfte). Bei einem Maximalversorger, wie es die Schön Klinik Lorsch ist, sind mindestens 200 dieser Eingriffe pro Jahr durchzuführen, wobei davon 50 sogenannte Revisionen sein müssen. Das sind Operationen, bei denen ein künstliches Gelenk erneut operiert werden muss. In der Regel wird es ausgetauscht, weil es gelockert ist beziehungsweise nicht mehr funktioniert. Das heißt, der Maximalversorger hat zum einen mehr Fälle und auch die anspruchsvolleren Operationen, wie die Wechseloperationen, zu bearbeiten. Beim Maximalversorger müssen mindestens zwei Ärzte über die sogenannte Zusatzweiterbildung „Spezielle Orthopädische Chirurgie“ verfügen. Wichtig sind aber nicht nur die Fallzahlen der Klinik insgesamt, sondern die der einzelnen Ärzte. So hat jeder Operateur am Zentrum mindestens 50 Gelenke pro Jahr selbst zu operieren. Die Senior-Hauptoperateure müssen sogar mindestens 100 Operationen vorweisen. In Lorsch haben wir sechs Hauptoperateure, zwei davon sind Senior-Hauptoperateure.

Warum sollten Patienten ein Endoprothetikzentrum aufsuchen?

Köster: Bei uns sind alle Abläufe so standardisiert, dass dadurch eine große Sicherheit für den Patienten entsteht. Es gibt zum Beispiel ganz strenge Kriterien, ob jemand operiert wird oder nicht. Es gibt eine sogenannte Indikationsprüfung, so dass vermieden wird, dass Patienten unnötig operiert werden. Wir sind hier ein hochspezialisiertes Team in der ganzen Breite. Und dann natürlich der große Erfahrungsschatz, den wir durch die Hauptoperateure haben. Der Patient hat auch die Gewährleistung, dass nur Implantate verwendet werden, die geprüft sind und sich bewährt haben. Es wird für die Zertifizierung gemessen, wie zufrieden die Patienten sind. Über drei Viertel unserer Patienten würden noch mal herkommen und das Krankenhaus Freunden empfehlen. Die Patientenzufriedenheit ist also hoch und jede Pflegekraft, jeder Mitarbeitende aus der Physiotherapie weiß, was er oder sie zu tun hat. Zudem sind Komplikationsbesprechungen vorgeschrieben, bei denen jede Einzelkomplikation geprüft und geschaut wird, ob wir etwas verbessern können. Die Position der Implantate wird nach jeder Operation vermessen – das heißt, auch die Qualität unserer Arbeit wird bewertet. All diese Vorgaben, die wir haben, senken nachweislich die Risiken für Komplikationen. Und da liegen wir in Lorsch sogar noch weit unter den Richtlinien für die Zertifizierung.

An der Lorscher Schön Klinik werden jedes Jahr rund 1.300 Hüft- und Kniegelenke ersetzt. © Rüdiger Dunker

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie denn, ob eine Gelenkersatz infrage kommt oder nicht?

Köster: Das Gelenk muss einen bestimmten Zerstörungs- oder Veränderungsgrad durch die Arthrose haben. Es muss eine Destruktion von mindestens Grad 3 (von 0 – 4) vorliegen. Dann müssen die Schmerzen ausgeprägt sein. Patienten mit Arthrose haben Schmerzen und/oder Bewegungseinschränkungen. Bei den meisten steht der Schmerz im Vordergrund, der muss aber schon ein hohes Level haben und die Mobilität einschränken. Das muss wiederum zu relevanten Einschränkungen im Alltag führen. Es gibt jedoch auch Patienten, die relativ wenig Schmerzen verspüren, aber starke Bewegungseinschränkungen in Hüfte oder Knie haben, sodass sie nicht mehr richtig sitzen können. Grundsätzlich muss eine konservative Behandlung der OP immer vorangehen. Wir sagen in der Regel, mindestens drei Monate soll der Patient konservativ z. B. mit Krankengymnastik, Wärmeanwendungen, manchmal auch mit Spritzen ins Gelenk, behandelt werden und erst wenn das nicht mehr hilft, dann wird operiert. Am Ende muss man mit dem Patienten zusammen ein intensives Gespräch führen und die Entscheidung gemeinsam treffen. In der Regel kommt keiner wirklich zu spät zu uns.

Sie blicken jetzt auf 10 Jahre Zentrum der Maximalversorgung zurück – was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Köster: Wir waren schon so etwas wie Pioniere. Ich war sehr froh, dass ich den damaligen Träger des Hauses dafür gewinnen konnte, diese Zertifizierung zu machen. Denn die ist auch teuer. Es kostet Geld, die ganzen Strukturen herzustellen. Ich war damals sehr stolz, dass wir das ganz früh geschafft haben. Am Anfang fehlten uns noch bestimmte Kooperationen, zum Beispiel mit einem Gefäßchirurgen und einem Geriater, die man als Maximalversorger vorweisen muss. Deshalb starteten wir zunächst als Grundversorger – die vorgeschriebenen Fallzahlen hatten wir bereits von Anfang an. Als Chefarzt und als Leiter des Endoprothetikzentrums der Maximalversorgung habe ich mit dem Zertifizierungssystem auch die Möglichkeit, die Qualität und die hohen Standards aufrechtzuerhalten. Ich habe klare Strukturen, die von extern kontrolliert werden. Das gibt mir auch eine Argumentation dem Träger gegenüber. Inzwischen haben wir in den zehn Jahren insgesamt rund 12.000 künstliche Hüften und Knie operiert. Und an dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass zu der Qualität der Versorgung alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im OP und auf den Stationen einen entscheidenden Beitrag leisten. Wir haben eine ganz geringe Fluktuation in der Pflege und das sorgt für Qualität. Es geht eben nicht nur um den Chefarzt, das gesamte Personal ist wichtig – und das macht eine gute Versorgung aus.

Prof. Dr. Georg Köster

Studium der Humanmedizin Aachen, Göttingen und Johannesburg (1977-1984)

Assistenzarzt Allgemeinchirurgie Universitätsklinik Göttingen (1985-1987)

Assistenzarzt, später Oberarzt und geschäftsführender Oberarzt Orthopädie Universitätsklinik Göttingen (1987-2002)

Habilitation im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie Universität Göttingen (2002)

Chefarzt Chirurgisch Orthopädische Fachklinik Lorsch (2002) später Schön Klinik Lorsch (2014)

Außerplanmäßige Professur Universität Göttingen (2009)

Ärztlicher Direktor Schön Klinik Lorsch (2020)

Sie begannen in der Schön Klinik vor 22 Jahren. Was sind denn Veränderungen, die Sie besonders beeindruckt haben?

Köster: Da ist zum Beispiel die Fast-Track-Chirurgie – vor 22 Jahren haben die Patienten noch drei bis vier Wochen stationär gelegen. Jetzt sind sie im Schnitt drei bis vier Tage bei uns. Und sie werden nicht rausgeschmissen, sie sind in einer Verfassung, die das zulässt. Je früher Patienten aus dem Krankenhaus kommen, umso mobiler werden sie ganz automatisch. Zuhause bewegen sich die Patienten mehr. Das ist also nicht, wie viele glauben, eine Geldsparmaßnahme, sondern ein wirklicher Qualitätsfortschritt. Voraussetzung ist natürlich, dass unsere Gesellschaft mitmacht. Das heißt, man muss die Weiterversorgung im Blick behalten. Es müssen ausreichend Sozialarbeiter vor Ort sein, damit die Patienten dann auch fließend in die Rehabilitation geführt werden. Außerdem operieren wir seit fünf Jahren die Hüfte mit der minimalinvasiven Technik, bei der die Patienten schneller wieder auf den Beinen sind. Seit drei Jahren arbeiten wir am Knie mit Robotik und Navigation, das ist ein außerordentlich spannendes und zukunftsträchtiges Thema. Der Patient kann so viel exakter operiert werden.

Mehr zum Thema

Hessen

Klinik-Report: Ambulante Versorgung vieler Senioren möglich

Veröffentlicht
Von
dpa/lhe
Mehr erfahren
Handball

Mit Rhein-Neckar Löwe Späth: Jugend prägt das Nationalteam

Veröffentlicht
Von
Marc Stevermüer
Mehr erfahren

Wie sieht es denn mit den kommenden 22 Jahren aus? Bleiben Sie dem Endoprothetikzentrum treu?

Köster: In der letzten Zeit fragen mich immer mehr Patienten, wie lange ich denn noch tätig bin – viele möchten sich gerne noch von mir operieren lassen. Das freut mich natürlich sehr. Ich empfinde meine Arbeit im OP nach wie vor als erfüllend, und es ist ein besonderes Privileg, Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg zu mehr Lebensqualität begleiten zu dürfen. Das Operieren, der anschließende Blick auf das Röntgenbild und vor allem die Gespräche am Patientenbett – das ist für mich Lebenselixier und nach wie vor spannend und befriedigend. Ich bin dankbar für die vielen Jahre und Erfahrungen hier im Haus und schaue mit Zuversicht auf die kommenden Entwicklungen im Zentrum.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke