Porträt

Gert Wagenbach: Der Polizist mit den Schlangen

Gert Wagenbach ist bei der Polizeistation Lampertheim-Viernheim beschäftigt und beim Präsidium Darmstadt Experte für Reptilien.

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Der Bergsträßer Polizist Gert Wagenbach hält hobbymäßig Schlangen. Daher ist der Polizeioberkommissar beim Polizeipräsidium Darmstadt Experte für diese Reptilien. Bei Funden wird er zu Hilfe gerufen. © Fritz Kopetzky

Bergstraße. Da steigt der Adrenalinspiegel garantiert. Er ist zu hundert Prozent angespannt und trotzdem ganz ruhig. Gert Wagenbach sind diese kniffligen Situationen seit Jahrzehnten vertraut; der Großsachsener weiß, wie er zu reagieren hat. Dies kennt er als Polizeibeamter bei der Polizeistation Lampertheim-Viernheim, aber auch als Halter und Fänger von Schlangen. Da muss jeder Handgriff sitzen, sonst stehen Leben auf dem Spiel.

Mit 18 Jahren zur Polizei

Sein Bruder Wolfgang schleppte einst eine Königspython an. Die Eltern hatten überraschenderweise nichts dagegen. Bis heute hat sich diese Faszination für Schlangen bei Gert nicht gelegt. Im Gegenteil, sie wurde immer stärker. „Ihre Lebensweise, die Vielfalt und die verschiedenen Arten begeistern mich“, erzählt der 56-Jährige, der zwei Schlangen (eine Boa constrictor und eine Python) in seinem Haus in Großsachsen hält: „Würgeschlangen sind okay für mich. Von Giftschlangen lasse ich die Finger.“

Wagenbach ging schon mit 18 zur Polizei. „Ich konnte dort meinen Traum erfüllen. Denn ich suchte einen Job, wo ich meine Hobbys Motorradfahren und Hunde miteinander kombinieren konnte. Dies gelang dort“, ist er noch heute glücklich über seine Berufsentscheidung. Mit 22 Jahren wurde der Großsachsener jüngster Hundeführer in Hessen. Wagenbach war als Schutzhund- und Sprengstoffhundeführer im Einsatz: „Da stehst du beim Einsatz in der ersten Reihe. Da konnte ich es mir nicht erlauben, nervös zu werden, denn dies hätte sich auf den Hund übertragen. Da habe ich gelernt, bei Tieren die absolute Ruhe zu bewahren.“

Eher zufällig kam sein neuer Job als Schlangenfachmann bei der Polizei hinzu. Irgendwie passt dies aber zu Wagenbach. Gehen im Bereich des Polizeipräsidiums Darmstadt Anrufe zu Schlangen ein, wird er zurate gezogen. Im Schnitt sei dies drei- bis fünfmal im Jahr der Fall. Meistens (zu 95 Prozent) handelt es sich aber um harmlose Schlangen wie Ringelnattern, die unter Schutz stehen und daher nicht getötet werden dürfen. Ansonsten droht eine saftige Strafe – zu Recht.

Fund im Viernheimer Wald

Zu seiner Aufgabe als Schlangenfachmann bei der Polizei kam er übrigens Mitte der 90er-Jahre. Wagenbach wurde zu einem Fund im Viernheimer Wald gerufen. Es war ein Nordamerikanischer Kupferkopf. Dabei handelt es sich um eine giftige Schlangenart aus der Familie der Grubenottern. „Da es Februar war, war die Schlange aufgrund der Kälte recht einfach zu fangen. Als ich sie dem Schlangenfachmann zeigte, und der den Deckel des Eimers öffnete, kam sie herausgeschossen“, erinnert sich der Bergsträßer Polizist. Er nahm dies zum Anlass, sich noch mehr mit den Schlangen zu befassen. Wagenbach verschlang die entsprechende Literatur und wurde „Dauergast“ im Reptilium in Landau. Auch den Frankfurter Zoo suchte er sehr oft auf. „Was das Identifizieren der Tiere angeht, habe ich mir ein Netzwerk von Spezialisten aufgebaut, da es zunächst mal wichtig ist, herauszufinden, ob es sich jeweils um eine Giftschlange handelt.“

Soziales Engagement

Von Wagenbachs Kenntnis über Schlangen profitierten jüngst auch Kinder in Südafrika: „Ich war erstmals 1992 in Afrika. Pretoria und Kapstadt kenne ich. Denn meine Tante ist nach dem Krieg ausgewandert.“ Gemeinsam mit seiner Frau Nikola, die Tierärztin ist, besuchte er die Patenkinder Lucky (17 Jahre) und Cindy (14) in Eswatini.

Eswatini ist ein kleines Land im südlichen Afrika, das früher als Swasiland bekannt war. Es ist eine der wenigen verbliebenen absoluten Monarchien der Welt, die von König Mswati III. und seiner Mutter regiert wird. Um Kindern dort eine Zukunft zu ermöglichen, engagieren sich die Wagenbachs bei der Mannheimer Organisation „Voices for Africa“. Für 25 Euro im Monat ermöglichen sie ihren Patenkindern unter anderem auch den Schulbesuch.

Mamba in Eswatini gefangen

Wagenbach nutzte natürlich die Gelegenheit, seinem Hobby in dem Land nachzugehen: „In Ländern mit großer Schlangenpopulation bin ich extrem daran interessiert, mir Wissen über diese Tiere anzueignen. Täglich war ich im Busch unterwegs, versuchte, Schlangen aufzuspüren, unterhielt mich mit Einheimischen und bekam deren Hilfe und Erfahrungen.“

Während seines Afrikabesuchs kam es zu einem heiklen Einsatz, wie der Polizeibeamte erläuterte. Der Großsachsener war mit der Snake Pharm und deren Gründer Donald Schultz, südafrikanischer Tierfilmer und Schlangenexperte, in der Provinz Kwazulu-Natal unterwegs. Plötzlich kam ein panischer Anruf aus einem Baby- und Kleinkinderhospiz: In der Holzdeckenverkleidung hatte sich eine Schwarze Mamba, die längste Giftschlange Afrikas, versteckt. Ganz klar, Gert und Donald mussten ran.

„Wir mussten so lange bleiben, bis wir die Schlange gefangen hatten. Durch Herunterreißen der Deckenverkleidung kamen wir an die höchst aggressive, extrem schnelle und starke, 2,4 Meter lange Mamba heran. Als Donald sie am Schwanz gepackt hatte, wurde sie richtig aggressiv. Das war in meinen 37 Berufs- beziehungsweise Lebensjahren das Heikelste, was ich bisher gemacht habe“, sagt Wagenbach. Seine Routine und seine Nerven aus Drahtseil halfen ihm dabei, unbeschadet alles zu überstehen.

Wie wichtig dieser Einsatz war, zeigt allein der Umstand, dass in Afrika jährlich mindestens 20.000 Menschen an Schlangenbissen sterben. Die Dunkelziffer wird um das Doppelte höher angenommen, da es fast immer die Ärmsten trifft, deren Schicksal gar nicht erfasst wird.

Wer übrigens die Arbeit der Mannheimer Organisation „Voices for Africa“ unterstützen oder eine Patenschaft übernehmen möchte, kann sich darüber im Internet unter www.voices-for-africa.de informieren. hpr

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