Rhein-Neckar

Wenn die Polizei Geldautomaten sprengt

Landeskriminalamt nutzt Steinbruch für spektakuläre Überprüfungen von Geldautomaten und deren Sicherungen.

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zin/ü
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Im Weinheimer Steinbruch hat das Landeskriminalamt Geldautomaten in die Luft gejagt, um verschiedene Sicherungssysteme zu testen. © LKA Baden-Württemberg

Weinheim. Die Banden benutzen schon lange kein Gas mehr. Festsprengstoff ist das Mittel der Wahl, wenn Kriminelle nachts Geldautomaten in die Luft jagen – ein brandgefährliches Unterfangen für die Täter, die Anwohner und auch die Ermittler. Denn die wissen ja nicht, ob sich noch Reste des Sprengstoffs im Automaten befinden.

„Da fahren rollende Bomben über die Autobahn“, hat der Chef des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes (LKA), Mario Germano, kürzlich bei einem Ortstermin in Worms gesagt. Die Kollegen aus Baden-Württemberg wollten genauer wissen, welche Auswirkungen die Sprengung eines Geldautomaten auf die Sicherheitstechnik und die Umgebung hat. Sie jagten gleich mehrere ausrangierte Automaten im Weinheimer Steinbruch in die Luft. Und dokumentierten mit Messgeräten genau die Wucht der Detonation.

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Die Sprengungen fanden schon im September statt. Jetzt hat das LKA ein Video dazu veröffentlicht. Bei dem Praxistest ging es um die Überprüfung und Verbesserung der Sicherungstechniken. Fließen beispielsweise Farbpatronen bei einer Sprengung wie vorgesehen in die Geldkassetten und machen damit die Scheine unbrauchbar?

Mehrere Automaten mit unterschiedlichen Sicherungssystemen jagten die Experten in die Luft, um deren Effizienz zu überprüfen. In den Automaten war auch echtes Geld deponiert, das die Bundesbank zur Verfügung gestellt hatte. Es gehe darum, „am Original zu sehen, was eine solche Sprengung ausrichtet und welches Spurenmaterial sie hinterlässt“, so ein LKA-Sprecher.

Strafrechtliche Relevanz

Aber es geht nicht nur um Sicherungstechniken. Es geht auch um die strafrechtliche Relevanz dieser Taten. Weil Personen in der Nähe oder Anwohner im selben Gebäude in Gefahr gebracht werden, könnte eine Sprengung auch als versuchtes Tötungsdelikt gewertet werden, so die LKA-Fachleute. „Die Täter nehmen es aus reiner Habgier billigend in Kauf, dass Menschen zu Schaden kommen“, sagt der Stuttgarter LKA-Chef und frühere Mannheimer Polizeipräsident Andreas Stenger. Auch aus diesem Grund war die Staatsanwaltschaft Bamberg vor Ort. Seit mehr als einem Jahr ermitteln diese Behörde, das bayerische und das baden-württembergische Landeskriminalamt unter anderem gegen eine Gruppe von Geldautomatensprengern, die für mehr als 100 Straftaten verantwortlich gemacht werden. „In gewisser Weise hat die Geldautomatensprengung das Thema Banküberfall abgelöst“, sagt der Stuttgarter LKA-Chef Andreas Stenger.

„Solche Testsprengungen helfen uns, denn wir gewinnen so weitere wertvolle und belastbare Erkenntnisse, die wir in der technischen Prävention nutzen und gezielt in unsere sicherungstechnische Beratungsleistung einbringen können“, sagt Stenger. Denn wie auch die rheinland-pfälzischen Sicherheitsbehörden haben Polizei und Banken sowie Sparkassen in Baden-Württemberg beschlossen, intensiver zusammenzuarbeiten. Es geht darum, den Tätern die Arbeit so schwer wie möglich zu machen. Jeder Geldautomat bekommt eine individuelle Risiko- und Gefährdungsanalyse. Dementsprechend wird jeder Automat individuell gesichert.

Dass die Kreditinstitute und auch die Polizeipräsidien in der Metropolregion ein veritables Interesse an dem Thema haben müssen, lässt sich an den Kriminalstatistiken ablesen. Bis zu einem Viertel aller versuchten oder vollendeten Automatensprengungen der vergangenen Jahre in Baden-Württemberg fanden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Mannheim statt. 2020 wurden 41 Automaten gesprengt, davon fünf im Bereich Mannheim und Region. Ein Jahr später waren es insgesamt 24, davon sechs im rechtsrheinischen Bereich der Metropolregion. 2022 gingen 34 Automaten hoch, davon sieben rund um Mannheim. Aktuell verzeichnet die Statistik 39 Geldautomatensprengungen, davon allerdings „nur“ vier in dieser Region. „Es ist aber zu befürchten, dass wir den Höchstwert von 2020 in diesem Jahr noch toppen“, sagt ein Sprecher des Landeskriminalamtes im Gespräch mit dieser Redaktion.

Mannheim als Einfallstor

Das Dreiländereck biete mit seinen zahlreichen Autobahnen die nahezu idealen Voraussetzungen. Die Täter, die nach den Erkenntnissen der Ermittler zum überwiegenden Teil aus den Niederlanden kommen, sind schnell da und mit ihren hochmotorisierten, oft gestohlenen Autos auch schnell wieder weg.

„Mannheim gilt ihnen dabei als Einfallstor nach Baden-Württemberg.“ Und auch bei der Flucht bringen die Täter sich und andere in Lebensgefahr. Gerade vergangene Woche musste die Polizei melden, dass ein Automatensprenger im Enzkreis auf der Flucht in falscher Richtung auf die Autobahn raste und dort mit einem Kleintransporter kollidierte. Der 30-jährige Fahrer und die beiden Insassen des Kleintransporters wurden schwer verletzt. Wie das LKA meldete, starb der Beifahrer des Kleintransporters zehn Tage später, am 21. November, an seinen schweren Verletzungen.

In Rheinland-Pfalz sind die Zahlen der versuchten und vollendeten Sprengungen ähnlich hoch, wie Innenminister Michael Ebling (SPD) und LKA-Präsident Mario Germano kürzlich bei einem Pressetermin in Worms erläutert hatten (wir hatten berichtet). Im laufenden Jahr hat das LKA Rheinland-Pfalz, bei dem die Ermittlungen ebenfalls gebündelt stattfinden, 43 Fälle gezählt. Im Vorjahr waren es 56 Fälle, 2021 insgesamt 23 und 2020 weitere 35 Fälle.

Gleichwohl kann die Polizei auch Erfolge vorweisen. Sie stellte im Februar die Täter, die einen Geldautomaten in Ludwigshafen-Rheingönheim in die Luft gejagt hatten. Die beiden Niederländer mit marokkanischer Herkunft sind auch schon wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und wegen Diebstahls zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. zin/ü

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