Soziales

Gegenseitige Unterstützung in zahlreichen Selbsthilfegruppen

24 Selbsthilfegruppen aus dem Kreis Bergstraße werden am Sonntag, 18. Juni, im Viernheimer Bürgerhaus am gemeinsamen Selbsthilfetag dabei sein.

Von 
Martin Schulte
Lesedauer: 
Der Bergsträßer Tag der Selbsthilfegruppen wird in diesem Jahr in Viernheim abgehalten – an diesem Sonntag ist es soweit. © bernhard kreutzer/sm

Bergstraße. Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner? Das häufige Bemühen einer Redewendung macht sie noch nicht richtiger. Zwar braucht es natürlich den eigenen Impuls, sich Hilfe zu holen. Und die gibt es mannigfach auch außerhalb der Arzt- und ausgebuchten Therapeuten-Praxen. Und zwar von privat für privat. Darauf wollen der Kreis Bergstraße und die Stadt Viernheim mit dem gemeinsamen Selbsthilfetag am Sonntag, 18. Juni, von 10 bis 16 Uhr im Viernheimer Bürgerhaus aufmerksam machen.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

"Ich hätte das alleine niemals geschafft"

24 Selbsthilfegruppen aus dem Kreis werden dabei sein. Jetzt haben die Akteure die Veranstaltung bei einer Pressekonferenz vorgestellt.

„Ich hätte das alleine niemals geschafft“, sagt Manuela Biedenbänder. Als selbst Betroffene hat sie die Selbsthilfegruppe Phoenix in Hammelbach im Odenwald gegründet. Hier tauschen sich Opfer sexueller und häuslicher Gewalt aus. Zehn Jahre lange habe sie geschwiegen über die Schläge in den eigenen vier Wänden, bis sie ganz am Boden war. Eine Freundin, sagt sie, habe ihr Baby tot zur Welt gebracht in Folge von Schlägen. „Ich hatte Glück. Mein Kind hat überlebt“, so Biedenbänder.

Ihr eigenes langes Schweigen lässt unmittelbar zurückschließen auf die Tabuisierung des Themas häusliche und sexuelle Gewalt. „Ich wusste, ich muss etwas tun“, und so kam es zu Phoenix. Wobei sie diesen Namen sinnbildlich dafür sieht, „dass man als anderer Mensch herauskommt als man hineingegangen ist“.

Kein Ersatz für Therapie

Die Selbsthilfegruppen sehen sich ausdrücklich nicht als Ersatz für Arzt oder Therapeut. Sie wollen den Austausch unter Leidensgenossen. Dabei geht es um körperliche wie psychische Belastungen. Wobei ein chronisches körperliches Leiden auch immer etwas mit der Psyche macht. Darüber zu sprechen mit Leuten, die es verstehen, weil sie es selbst erleben oder erlebt haben - darin besteht die Hilfe. Sich auszudrücken im doppelten Wortsinne, es zu sagen und dadurch den Druck zu mindern, den Schmerz zu lindern - das ist das Angebot der Selbsthilfegruppen.

„Sie erfahren mit einem seelischen Leiden häufig Ablehnung und Verurteilung in ihrem Umfeld“, sagt Manuela Biedenbänder. „In der Selbsthilfegruppe kennen die Menschen die Emotionen. Hier erfahren sie Wertschätzung, und die Gruppe gibt ihnen Sicherheit.“ Bei akuten Panikattacken etwa sei der Therapeut in aller Regel nicht erreichbar. Einen Gleichgesinnten aus der Selbsthilfegruppe bekomme man aber immer ans Telefon. „Es ist sehr hilfreich zu erfahren, mit seinem Problem nicht alleine zu stehen“, so Biedenbänder unter dem bestätigenden Nicken der Vertreter der anderen Gruppen.

Tabuisierung entgegenwirken

So wie „Chamäleon“ - für Menschen mit Angstattacken und Depressionen. „Das gilt für jede Gruppe“, sagt Erika Brockmüller. So vielfältig die Ursachen von Depression auch seien - die Symptome seien ähnlich oder gleich. Dieses Aha-Erlebnis erführen alle, die sich ihrer Selbsthilfegruppe anschließen. Sie zitiert eine Freundin: „Was dich am härtesten trifft, sind gute Ratschläge.“ Ratschläge würden nicht helfen, „man muss sich gegenseitig wirklich verstehen“, so Brockmüller.

„Chamäleon“ gibt es seit 21 Jahren, man trifft sich jeden zweiten Donnerstagabend im TiB. Brockmüller übergibt das Ruder nun an Jutta Kiss und Maria Eppel.

Sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren erleichtere den Weg in eine Gruppe, sagt Harald Hofmann vom Amt für Kultur, Bildung und Soziales der Stadtverwaltung Vierheim über den Zweck des Selbsthilfetags. Und es wirke der Tabuisierung entgegen. mas/sm

Redaktion Reporter.

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger