Biblis. Gleich neben den abgeschalteten Bibliser Atomkraftmeilern entsteht gerade ein Gaskraftwerk. Genauer gesagt, auf dem ehemaligen Besucherparkplatz, der seit der Abschaltung und des Rückbaus des Atomkraftwerks nicht mehr gebraucht wird. Diese neue, gasbefeuerte Anlage wird aus elf Turbinen bestehen, die einzeln betrieben werden können.
Der damit erzeugte Strom ist nicht für den freien Markt gedacht, sondern dient ausschließlich der Netzstabilität. RWE Generation hat vom Netzbetreiber Amprion den Auftrag für den Bau und Betrieb dieser Anlage erhalten. Ab Oktober 2022 soll sie betriebsbereit sein und im Bedarfsfall eine gesicherte Leistung von bis zu 300 Megawatt bereitstellen können. Die Besonderheit dieses Kraftwerks ist, dass es als sogenannte Netzstabilitätsanlage die Leistung flexibel liefern muss. Das hat mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wie Wind- und Sonnenkraft und der erforderlichen Ausweitung der Stromnetze zu tun. Solange dies nicht in ausreichendem Maße gegeben ist, sollen Kraftwerke entlang der Stromtrassen bei einem Leistungsabfall das Netz sichern und damit eine zuverlässige Stromversorgung gewährleisten. Eines davon wird ab Herbst 2022 in Biblis zur Verfügung stehen.
Strom und Gas in der Nähe
„Die Lage hier ist sehr günstig“, sagt RWE-Sprecher Alexander Scholl. Eine Gasleitung führt in der Nähe der Anlage vorbei. Und ein Zugang zum Stromnetz ist auf dem AKW-Gelände vorhanden. Genauer gesagt ist es eine 380-Kilovolt-Höchstspannungsfreileitung, die genutzt werden kann. Das Atomkraftwerk hat während seiner Betriebszeit von 1974 bis 2011 nach Angaben von RWE mehr als 500 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt. Die Infrastruktur für die Einspeisung von 300 Megawatt ist somit da.
Für die Anbindung des Gasturbinenkraftwerks auf dem ehemaligen Besucherparkplatz an die Einspeisestelle auf dem AKW-Gelände ist eine rund 700 Meter lange Freileitung vorgesehen. Dafür werden Masten aufgestellt. Das Regierungspräsidium Darmstadt hat das Planfeststellungsverfahren dafür inzwischen abgeschlossen.
Das als Brennstoff benötigte Gas liefert die Mitteleuropäische Gasleitung, die rund einen Kilometer entfernt vom Kraftwerksstandort verläuft. Dafür wird eine Leitung entlang der Zufahrtsstraße gebaut.
Das Rheinhochwasser mache keine Probleme – weder auf der Baustelle noch bei den Vorbereitungen für Gas- und Stromleitungen. „Die beauftragte Firma ist bei der Verlegung der Gasleitung noch mit oberirdischen Arbeiten beschäftigt“, berichtet Scholl. Auf den Feldern stehe in den Senken Druckwasser, auch die Entwässerungsgräben seien voll. Aber der Rheinpegel sinke.
Auf der Baustelle für das Gaskraftwerk laufen die Gründungsarbeiten. Mehr als 500 Pfahlgründungen gibt es, um den Boden für den Anlagenbau vorzubereiten. Außer den elf einzelnen Turbinen mit jeweils einem Schornstein wird es Stützmauern – unter anderem für den Lärmschutz – und Gebäude für Schaltanlagen geben. Die Anlieferung der Turbinen ist auch noch in diesem Jahr geplant.
Das Gelände des AKW sei so hoch aufgeschüttet, dass Hochwasser kein Thema sei, erklärt Scholl. Auch für das Areal südlich vom Kraftwerk, auf dem früher externe Mitarbeiter ihre Autos geparkt haben und jetzt das neue Kraftwerk entsteht, gibt Scholl Entwarnung. Die beim Bau übliche Grundwasserhaltung ist hier zwar vorgesehen. Aber das geschieht unabhängig vom Hochwasser. Im Ried kommt es immer wieder vor, dass bei Arbeiten am Fundament Wasser in Baugruben auftaucht. Dann wird das Wasser abgepumpt, damit das Fundament trocken bleibt.
Schnell und flexibel liefern
Im Jahr 2022 werde in Deutschland der letzte Atommeiler vom Netz gehen, erklärt Scholl. Dann sollen am AKW-Standort in Biblis die Gasturbinen funktionsbereit sein, um im Bedarfsfall in Schwung gebracht zu werden. Wie Kraftwerksleiter Matthias Röhrborn beim Info-Forum zum AKW-Rückbau im Januar erläuterte, diene die elfte Gasturbine als Puffer. Falls eine der elf einzeln zuschaltbaren Anlagen ausfällt. Benötigt werden im Höchstfall zehn. Jede kann 30 Megawatt Leistung erzeugen. RWE sichert am Standort Biblis 300 Megawatt zu. Wenn im Netz elektrische Leistung fehlt, muss das Kraftwerk schnell und zuverlässig einspringen.
Auf der Baustelle ist also noch nichts von den Gasturbinen zu sehen, die eine Bauhöhe von 15 Metern erreichen werden. Die Schornsteine kommen auf 30 Meter. Damit bleiben sie unterhalb der 60 Meter hohen Reaktorgebäude und der 80 Meter hohen Kühltürme. /sm
Schneller Einsatz
Das Gasturbinenkraftwerk, das auf dem früheren Besucherparkplatz am abgeschalteten Bibliser Atomkraftwerk entsteht, wird zur Sicherung der Netzstabilität eine Reserve-Leistung von 300 Megawatt bereitstellen. Der erzeugte Strom wird nicht an den freien Markt geliefert.
Geplant ist, dass die elf gasbefeuerten Turbinen ab Oktober 2022 einsatzbereit sind und flexibel elektrische Leistung liefern.
Den Auftrag für den Bau und Betrieb hat RWE Generation vom Netzbetreiber Amprion bekommen. /sm
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