Bergstraße. 15 junge Männer aus zwei Integrationsklassen der Karl-Kübel-Schule haben nach 13 abendlichen Schwimmstunden im Bensheimer Basinusbad ihre Prüfung geschafft. Nun freuen sie sich auf die Freibadsaison und den Sprung ins kühle Nass. "Und zwar mit Kopfsprung", wie der 20-jährige Ahmad Khalid Amin voller Begeisterung bei der Pressekonferenz des Sportkreises Bergstraße - der Dachorganisation für 95 000 Sportler und 338 Vereine im Kreis - im Bensheimer Hallenbad berichtete.
Amin bedankte sich im Namen aller Schüler dieses Flüchtlingskurses bei den Übungsleiterinnen und Trainern der DLRG sowie der DJK SSG Bensheim, die ihnen zu später Stunde mit Geduld und Humor die Angst vor dem Wasser nahmen. In den Ländern, aus denen die jungen Männer stammen, gehört Schwimmen nicht zum Schulprogramm. Einige Teilnehmer waren daher völlig unerfahren mit dem Element Wasser. Andere wiederum hatten "Hundekraul" gelernt, mit dem man nicht weit kommt. Hier galt es, den Schülern, die seit 15 Monaten in Deutschland sind, mit einer sauberen Brust- und Rückenschwimmtechnik Sicherheit im Wasser zu vermitteln.
Die sehr heterogene Gruppe schaffte es dank der guten Kooperation zwischen den beiden Vereinen und dem Engagement von vier Trainern pro Übungsstunde, dass alle Teilnehmer nach sechs Wochen mindestens 25 Meter ohne Pause schwimmen können und kleine Tauch- und Sprungübungen beherrschen. Einige schafften sogar 200 Meter und die anderen Prüfungen für den Freischwimmer. Wegen der Sprachschwierigkeiten wurde viel vorgeführt. Neben Markus Antoni und Sven Witpeerd von der DLRG haben Ulrich Späth, Tatjana Schmitt und Dorothee Sachinian von der DJK SSG Bensheim diese erfolgreiche "Wasserarbeit" mit den erwachsenen Nachwuchsschwimmern aus vielen Nationen gemacht.
Steigende Zahlen von Ertrunkenen
Darüber freute sich Lars Wagenknecht von der DLRG Bensheim-Heppenheim mit ihren rund 200 Mitgliedern sehr. Der Vorsitzende der Ortsgruppe Bensheim, der im Sommer häufig am Badesee Wachdienst macht, hofft, dass so die Einsätze geringer werden, bei denen Nichtschwimmer gerettet werden müssen. An bewachten und unbewachten Gewässern seien im vergangenen Jahr immerhin 64 Flüchtlinge ertrunken; die Zahl habe sich gegenüber 2015 mehr als verdoppelt. Erstmals seit zehn Jahren seien bundesweit insgesamt über 500 Menschen ertrunken. Seit 2010 seien rund 4000 Menschen im Wasser ums Leben gekommen, darunter viele Kinder und Jugendliche.
Für die Flüchtlinge, die den Freischwimmer geschafft haben, wollen Wagenknecht und die Leiterin der DJK-SSG Schwimmabteilung, Andrea Hermann, nach Möglichkeiten suchen, sie in bestehende Gruppen aufzunehmen. Die 322 Mitglieder der Schwimmabteilung werden bei der DJK SSG Bensheim von 20 ÜbungsleiterInnen trainiert. Die meisten der 25 Vereins-Angebote richten sich an Kinder- und Jugendliche, die ihre Schwimmkenntnisse festigen und verbessern wollen. Die Nachfrage sei größer als das Angebot an Schwimmbahnen zu altersgerechten Zeiten; es bestünden Wartelisten, so die Abteilungsleiterin. Man sei aber dankbar, dass es in Bensheim - im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden - überhaupt Trainingsmöglichkeiten gebe.
Weitere Schwimmkurse geplant
Dorothee Sachinian, Integrationsbeauftragte des Sportkreises Bergstraße, dankte Heike Bührer, Leiterin des Basinusbades, für die Bereitstellung des Variobeckens zu den für alle Vereine üblichen Konditionen. Das Becken sei für die Schwimmkurse mit den Flüchtlingen gut geeignet und soll auch für künftige Kurse genutzt werden. Sie lobte das Engagement der Ausbildungsvereine: Obwohl noch keine schriftliche - wohl aber eine mündliche - Förderzusage der Stadt Bensheim aus dem Programm "Sport und Flüchtlinge" vorliege, hätten DLRG und DJK SSG den ersten Kurs mit 15 Personen durchgezogen.
Insgesamt haben 90 Flüchtlinge, die in und um Bensheim leben oder zur Schule gehen, Interesse an Schwimmkursen. In den nächsten Kursen werden auch jugendliche Flüchtlinge von der Orbishöhe in Zwingenberg und aus dem Auerbacher Kinderheim zu Schwimmern ausgebildet. Dafür stehen Gelder zur Verfügung, die die Frauengruppe "Ortsgespräch Auerbach" bei der Dorfweihnacht gesammelt hat.
Am 8. Mai soll der nächste Flüchtlings-Schwimmunterricht starten - wieder im Basinusbad. Denn laut Dorothee Sachinian und Lars Wagenknecht mangelt es an alternativen Wasserflächen. Sie sehen auch die anderen Kommunen im Kreis und deren Schwimmmeister in den Freibädern in der Pflicht, die Sicherheit beim Baden durch Kurse für alle Bevölkerungsgruppen zu erhöhen. Die Sportkreis-Vertreterin äußerte die Hoffnung, dass andere dem Bensheimer Beispiel folgen, denn "flächendeckend kann der Sportkreisvorstand mit seinen Ehrenamtlichen den Mangel an Schwimmlernangeboten nicht bewältigen."
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