Pandemie

Fast alle Mitarbeiter in den Bergsträßer Heimen sind geimpft

Von 
Thomas Tritsch
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Bergstraße. Bundestag und Bundesrat haben dem verschärften Infektionsschutzgesetz (IfSG) Mitte Dezember zugestimmt. Der Gesetzentwurf sieht ab 16. März eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen vor. Die dort beschäftigten Personen müssen geimpft oder genesen sein und dies bis zum Stichtag auch nachweisen. Andernfalls riskieren sie eine Kündigung. Wer ab diesem Zeitpunkt in einer solchen Einrichtung anfangen möchte, muss die Impfung oder den Genesenen-Status ebenfalls sofort nachweisen. Eine Ausnahme gibt es nur bei Vorlage eines ärztlichen Attests, in dem steht, dass man nicht gegen Covid-19 geimpft werden kann.

Noch ist für Nachzügler genug Zeit

Die Neuregelung gilt für Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen sowie in ambulanten Rettungs- und Pflegediensten sowie in Geburtshäusern und ähnlichen Einrichtungen und ist zunächst bis 31. Dezember befristet.

Noch haben betroffene Beschäftigte genügend Zeit, um sich impfen zu lassen, während in den Einrichtungen längst die Vorbereitungen laufen. Das heißt vor allem: Gespräche. Denn die Arbeitgeber versuchen, bis zum 15. März noch möglichst viele der ungeimpften Mitarbeiter von einer Immunisierung zu überzeugen und so ihre wertvollsten Ressourcen zu sichern. Sonst drohen vor Ort eventuell schmerzliche Lücken in einem zumeist ohnehin eng gestrickten Dienstplan.

Zwar sei die Impfbereitschaft beim stationären Pflegefachpersonal in Deutschland insgesamt hoch, heißt es vom Berufsverband für Pflegeberufe: Dennoch könnte die Personaldecke, die bereits vor Corona gefährlich dünn war, an manchen Standorten bald bedenklich spannen – auch im ambulanten Bereich, wo die Impfbereitschaft insgesamt geringer ausfällt als im stationären Sektor.

Das Gespräch gesucht

Der Caritasverband Darmstadt, der in Bensheim unter anderem das Seniorenheim St. Elisabeth betreibt, habe in den zurückliegenden Wochen nochmals sehr intensiv Gespräche mit ungeimpften Mitarbeitern geführt, wie der Träger mitteilt. Und dies nicht nur in der Pflege. Denn innerhalb des Verbands sind auch die Bereiche Suchthilfe und Gemeindepsychiatrie betroffen.

Laut der Direktoren Stefanie Rhein und Winfried Hoffmann habe man mit dem Personal in Einzel- und Gruppengesprächen über die Beweggründe gesprochen, warum im Einzelfall bislang keine Impfung erfolgt ist. Dabei sei auch darauf hingewiesen worden, dass der Arbeitgeber die Pflicht hat, alle nicht geimpften Mitarbeiter am 16. März an das Gesundheitsamt zu melden. Wenn es danach zu einem Tätigkeitsverbot kommt, werde auch kein Gehalt mehr gezahlt, so die Verbandsspitze.

Bis zum entscheidenden Termin würden voraussichtlich 97 Prozent der Mitarbeiter geimpft sein. „Wir werben weiterhin für die Impfung, weil wir alle Mitarbeitenden dringend an ihren Arbeitsstellen brauchen, und bedauern jeden, auf den wir durch diese Gesetzesvorgabe verzichten müssen“, so der Vorstand.

„Da uns das Thema Fachkräftemangel schon längere Zeit beschäftigt, führt das Ausscheiden von Mitarbeitenden zu prekären Situationen“, heißt es weiter. Nicht nur im Bereich der stationären Altenhilfe, auch in den ambulanten Pflegediensten führe dies dazu, dass man Klienten letztlich ablehnen müsse.

Im Betreuten Wohnen der Suchthilfe und in der Gemeindepsychiatrie werde es ebenso zu einer Herausforderung, alle Menschen weiterhin wie gewohnt begleiten zu können, so der Caritasverband. Der Vorstand bedauere es, dass jene nun die Leidtragenden sind, die seit zwei Jahren „mit unermüdlichem Einsatz diese Krise meistern und sich mit vollem Engagement um die uns anvertrauten Menschen kümmern“.

Leider habe die Debatte über bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege in der Politik an Gewicht verloren. Der Vorstand findet das Thema auch im neuen Koalitionsvertrag auf Bundesebene zu wenig gewichtet. Von Verbesserungen der Rahmenbedingungen sei derzeit nichts zu erkennen, bemängelt der Caritasverband.

Keine ernsten Probleme erwartet

Die Senioren-Residenz Sankt Katharina in Heppenheim erwartet im Frühjahr keine ernsten Probleme. Wie Einrichtungsleiter Alexander Sieb mitteilt, seien aktuell nur drei Mitarbeiter ungeimpft. Bis zum entscheidenden Termin würden diese sich aber ebenfalls immunisieren lassen wollen, so der gelernte Altenpfleger, der seit 2016 für die Incura-Gruppe in Pflege und Management tätig ist.

Das Haus am Heppenheimer Postknoten, das er seit 2018 leitet, beschäftigt 96 Mitarbeiter. Sieb weist darauf hin, dass das Gesetz auch Kollegen aus den Bereichen Haustechnik und Verwaltung betreffe. Auch hier gilt demnächst: Impfen oder Zuhause bleiben. Im Heppenheimer Seniorenhaus gebe es auch in diesen Sparten keine Impfverweigerer.

Beim Diakonischen Werk Bergstraße mit seinen gut 100 Mitarbeitern ist vor allem der Bereich der stationären Eingliederungshilfe betroffen. Der Leiter des Werks, Tobias Lauer, weiß momentan über 95 Prozent der relevanten Mitarbeiter geimpft und mehr als 80 Prozent geboostert. „Bis Mitte März werden etwa 90 Prozent ihre dritte Impfung erhalten haben.“ Größere Probleme erwartet er daher kaum. Kein einziges Betreuungsverhältnis stehe auf dem Spiel. Vereinzelte Ausfälle – und mehr sei nicht zu befürchten – könnten personell aufgefangen werden. Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe sind von dem Gesetz ausgenommen.

Was mit den Ungeimpften geschieht, weiß noch niemand

Für Tobias Lauer, Leiter des Diakonischen Werks Bergstraße, ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht nachvollziehbar. Kritisch kommentiert er allerdings die politisch gesetzten Rahmenbedingungen. Die Vorgabe sei klar und aus seiner Sicht auch richtig, doch in der konkreten Umsetzung hapere es. Was genau mit jenen Mitarbeitern passiert, die am 16. März dem Gesundheitsamt gemeldet werden, sei bislang nicht bekannt.

Die zuständige Dezernentin im Kreis weiß das momentan auch noch nicht so genau. Diana Stolz bestätigt, dass die Umsetzung der neuen Regelung über die Gesundheitsämter laufen soll. „Wir warten aber noch auf konkrete Ausführungshinweise des Landes“, so die Erste Kreisbeigeordnete.

Klar ist: Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn seitens eines Mitarbeiters entsprechende Nachweise nicht vorgelegt werden. Diese können dann die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen. Doch die Gesundheitsämter sind in der Regel jetzt schon überlastet, müssen unter anderem Kontaktnachverfolgungen und Bürgeranfragen erledigen. Wenn sie sich jetzt auch noch um die Organisation der Impfpflicht kümmern müssen, befürchten viele einen Kollaps im System.

Diana Stolz hofft auf einen baldigen Erlass, der den Gesundheitsämtern Maßgaben zur Umsetzung vorgibt. Grundlage dafür seien die Beratungen zwischen Bund und Ländern, um eine bundesweit möglichst einheitliche Umsetzung zu erreichen, so die Dezernentin. Alles andere ist aus ihrer Sicht nicht sinnvoll. Unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern wären kontraproduktiv, ein weiteres Corona-Regelmosaik würde die Menschen verwirren, ist die Dezernentin überzeugt.

Stolz teilt außerdem mit, dass für die Immunisierungen im Kontext der Impfpflicht auch im Kreis Bergstraße der neue Novavax-Impfstoff eingesetzt werden soll. Das Vakzin ist proteinbasiert, was eine seit langem bekannte Methode ist. Daher könnte der Impfstoff auch für Menschen interessant sein, die Vorbehalte gegen neuartige mRNA- und Vektorimpfstoffe haben. tr

Der aktuelle Sachstand

Nach aktuellem Sachstand können Ungeimpfte auch nach Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Impfpflicht am 16. März bis zu einer offiziellen Behördenentscheidung weiter in ihren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen arbeiten.

Das Bundesgesundheitsministerium lässt verlauten: Bis das jeweilige Gesundheitsamt die Entscheidung über ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot getroffen hat, dürfen die betroffenen Mitarbeitenden grundsätzlich weiterbeschäftigt werden.

Die Frage ist nun, wie lange dieser Prozess vor Ort dauern wird und Mitarbeiter weiter zur Arbeit erscheinen dürfen.

Das Gesundheitsamt kann gegenüber den betroffenen Personen ein Verbot aussprechen, das Unternehmen oder die Einrichtung zu betreten. In diesen Fällen dürfte ein Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.

Weigert sich der Arbeitnehmer dauerhaft, einen 2 G-Nachweis oder ein ärztliches Zeugnis über die Kontraindikation vorzulegen, könne als letztes Mittel eine Kündigung in Betracht kommen.

Hier dürfte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedoch regelmäßig zunächst eine Abmahnung erfordern, so das Bundesgesundheitsministerium. tr

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