Bergstraße. Die Planungen für einen Radschnellweg von Frankfurt bis Mannheim, der auch durch den Kreis Bergstraße geführt wird, dauern an – auch wenn von dem Großprojekt lange nichts mehr zu hören war. 2019 wurde eine Machbarkeitsstudie vorgestellt, in der Optionen eines direkten Korridors zwischen Darmstadt und der Rhein-Neckar-Region erörtert werden. Ziel ist eine für den Pendlerverkehr durchgängig geführte Radschnellverbindung (RSV), die zur Entlastung des motorisierten Individualverkehrs beitragen soll. Im August 2023 hatte Hessen Mobil eine ähnliche Untersuchung für eine Direktverbindung zwischen Darmstadt-Eberstadt und Zwingenberg präsentiert. Eine Trasse von Weinheim nach Mannheim ist momentan in Arbeit.
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Fehlt noch die Streckenführung entlang der Bergstraße. Diesen Abschnitt will der Kreis Bergstraße jetzt gemeinsam mit den involvierten Kommunen Bensheim, Heppenheim und Zwingenberg voranbringen. Für Landrat Christian Engelhardt wäre dies ein wichtiger Beitrag für eine nachhaltige Mobilität im Kreis. Als Auftakt zu diesem Großprojekt – man geht von rund 16 Kilometern Strecke aus – wurde jetzt ein sogenannte Letter of Intent unterzeichnet. Also eine Absichtserklärung oder Grundsatzvereinbarung zur Realisierung einer solchen Trasse. Im Landratsamt trocknete am Donnerstag die Tinte. Unterzeichner waren neben Engelhardt der hauptamtliche Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf, die Bensheimer Bürgermeisterin Christine Klein und ihre Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung sowie die Rathauschefs Rainer Burelbach (Heppenheim) und Holger Habich (Zwingenberg). Mit dabei auch die Erste Stadträtin von Heppenheim, Christine Bender, und ihre Zwingenberger Amtskollegin Karin Rettig.
Schnellweg wird größtenteils auf Bestandsstrecken laufen
Der Landrat geht von geschätzten Kosten in Höhe von rund 23 Millionen Euro aus. Der Großteil werde von Bund und Land finanziert. Viele Radschnell- und Raddirektverbindungen werden durch das Land Hessen gefördert. Die Hälfte der nicht förderfähigen Kosten übernimmt der Kreis, der Rest verteilt sich auf die drei Kommunen, so Engelhardt weiter. Luisa Froitzheim, die in der Kreisverwaltung als Nahmobilitätskoordinatorin arbeitet, kalkuliert grob mit reinen Planungskosten in Höhe von circa vier Millionen Euro. Eine wacklige Zahl, weil in diesem Stadium noch keine Finanzierungsdetails vorliegen.
Holger Habich betonte, dass man diese Schätzungen im weiteren Prozess sicherlich noch nach unten korrigieren könne, zumal der Schnellweg größtenteils auf Bestandsstrecken verlaufe. Den interkommunalen Dreiklang kommentierte er als richtige Strategie für die Realisierung eines regionalen Projekts. Bei derartigen Vorhaben müsse man das große Ganze im Blick haben. Es gehe bei dieser konzeptuellen Planung aber auch darum, den Radverkehr als gleichberechtigte Mobilitätsvariante qualitativ zu erhöhen. Habich plädiert für ein Miteinander der unterschiedlichen Verkehrsformen und – wie dies leider zu oft der Fall sei – für einen scharfen Wettbewerb untereinander.
Bau der Raddirektverbindung kommt mit vorgegebenen Qualitätsstandards
„Bensheim steht bereit“, sagte Christine Klein. Die zuständige Dezernentin Nicole Rauber-Jung sprach von einer sehr guten Zusammenarbeit der drei Städte sowohl auf Verwaltungs- wie auch auf Dezernatsebene. Rainer Burelbach, der das südliche Ende der Trasse vertritt, kommentierte das Projekt als sinnvolle kommunale Gemeinschaftsleistung.
Mit dem Bau einer Raddirektverbindung sind aber auch vorgegebene Qualitätsstandards verknüpft. Unter anderem müssen sie ein zügiges Fortkommen ermöglichen (bis zu 30 Stundenkilometer) sowie ein möglichst flaches Profil haben. Auf mindestens 80 Prozent der Gesamtstrecke, die eine möglichst direkte Führung aufweisen sollte, wird eine hohe Oberflächenqualität vorausgesetzt. An Knotenpunkten der Route soll der Fahrradverkehr bevorrechtigt sein, so dass geringe Verlustzeiten, etwa beim Warten an Signalanlagen, entstehen. Oder aber die Strecke wird komplett ohne Ampeln geplant. Christian Engelhardt betonte, dass der Begriff Schnellweg nichts mit einem übermäßig hohen Tempo zu tun habe: „Es wird nicht gerast werden!“ Es gehe bei diesen Verbindungen um eine flotte Alltagsmobilität, um das Rad bei noch mehr Menschen als attraktive Alternative ins Spiel zu bringen.
Gemeinsame Planung soll den Prozess beschleunigen
Die gemeinsame Planung soll den Prozess beschleunigen. In der Vergangenheit war das Thema mehr als einmal an lokalen Widerständen und einseitig geführten Diskussionen gescheitert, so der Landrat. Im Schulterschluss will man nun die beste Trassenvariante definieren und einen Gang zulegen. Zumal Radwege abseits von klassifizierten Straßen – also von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen – meistens ohnehin im Zuständigkeitsbereich der Städte und Gemeinden liegen. Das Land Hessen fördert Planung und Bau von kommunalen Radwegen in der Regel mit 70 Prozent der Kosten.
Nach Angaben von Luisa Froitzheim könnten mehrere Passagen der künftigen Direktverbindung beleuchtet sein, eine durchgängige Erhellung bei Nacht sei aber nicht zu erwarten. Für nähere Details sei es derzeit noch zu früh. Nach der Absichtserklärung wartet nun ein längerer politischer und verwaltungsrechtlicher Prozess: Bis nach den Sommerferien soll eine Planungsvereinbarung vorliegen, die neben Art und Umfang der Maßnahme auch konkretere Kosten umfassen soll. Danach kann die Ausschreibung erfolgen. In 2025 rechnet der Landrat mit der Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange. Unter anderen werden Stellungnahmen seitens des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) als Interessenverband, der Straßenverkehrsbehörde und auch aus der Öffentlichkeit erwartet. Dann werden auch politische Gremien auf Kreis- und kommunaler Ebene das Thema auf dem Tisch haben. Es dauert also noch etwas, bis ein durchgängiger Radschnellweg die Bergstraße in Nord-Süd-Richtung durchquert.
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