Europawahl

„Europa muss mit seinen neuen Herausforderungen wachsen“

Hessischer CDU-Spitzenkandidat Sven Simon hofft auf ein geeintes und militärisch robustes Europa auf Augenhöhe mit der Welt

Von 
Thomas Tritsch
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Sven Simon geht bei der Europawahl als Spitzenkandidat der Hessischen Union ins Rennen. © Thomas Zelinger

Bergstrasse. Der Gießener Sven Simon geht bei der Europawahl am 9. Juni als Spitzenkandidat der Hessischen Union ins Rennen. Bei einer Vortrags- und Gesprächsrunde der CDU Bergstraße im Restaurant Gossin in Heppenheim in Kooperation mit dem gastgebenden Stadtverband betonte der 45-Jährige die Notwendigkeit, die Europäische Union als geeinte und auch militärisch robuste Gemeinschaft auf Augenhöhe mit anderen Großmächten weiter zu entwickeln.

Sven Simon hat an der Gießener Uni Rechtswissenschaft studiert und dort auch promoviert. Titel seiner Dissertation war die „Liberalisierung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge im WTO- und EU-Recht“.

Diskussion um Promotion – Entzug offenbar nicht gerechtfertigt

Für Aufmerksamkeit sorgte 2022 der angekündigte Entzug seines Doktorgrades durch den Promotionsausschuss, was nach Angaben der Universität laut mehrerer Gutachten aber als nicht gerechtfertigt eingestuft wurde. Simon hatte Widerspruch eingelegt. Neben seiner politischen Arbeit ist er seit 2016 Inhaber der Professur für Völkerrecht und Europarecht mit öffentlichem Recht an der Universität Marburg. Seit 2019 sitzt er für die CDU im Europaparlament. Er ist verfassungspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und in den Ausschüssen für internationalen Handel, Wirtschaft und Währung sowie auswärtige Angelegenheiten aktiv. Anfang Februar wurde Simon auf einer Vertreterversammlung in Fulda auf Listenplatz eins gewählt. Hinter ihm folgen Michael Gahler und Anna-Maria Bischof.

Steffen Gugenberger vom Stadtverband begrüßte rund 60 Gäste und betonte die Stellung Europas für Sicherheit, Frieden und Wohlstand auch in der Exportnation Deutschland. Die Landtagsabgeordnete Birgit Heitland (Zwingenberg) bezog sich in Heppenheim auf die Versöhnungspolitik Konrad Adenauers zur Stärkung der EU und einem wirtschaftlich stabilen Deutschland in seiner Mitte. Die Gemeinschaft sei aktuell sowohl von Innen – die erstarkende Rechte – wie auch von außen durch das kriegerische Russland bedroht. Europa müsse daher selbstbewusst und wehrhaft auftreten. Die kommende Europawahl sei wegweisend in herausfordernden Zeiten, so Heitland in Heppenheim.

Kritik an Europapolitik der Ampelregierung

Alte Triebkräfte wie das Streben nach Macht sowie die Durchsetzung nationalstaatlicher Ideologien und Interessen beleuchtete auch Sven Simon in seiner Rede, in der er die Europapolitik der Ampel-Regierung als realitätsfern kritisierte. Aber auch auf europäischer Ebene sei die Situation eindeutig: das „links-grüne Parteienbündnis“ stehe für ein überschuldetes Europa der Bevormundung, der Gängelung, der Verbote und des wirtschaftlichen Niedergangs. Und die Rechtsradikalen wollten das Beste, was den Europäern jemals eingefallen sei, am liebsten sofort zerstören und in einen abgeschotteten Staat zurückverwandeln.

Er selbst stehe für einen pro-europäischen Aufbruch, für Innovation und Technologie. Verzicht und Minus-Wachstum seien keine Antworten auf den wachsenden Energiebedarf der Erde, auch nicht im Kontext der fortschreitenden Klimakrise.

Die kommenden Wahlen stünden mehr denn je im Zeichen von Sicherheit. Putin habe den Krieg zurück nach Europa gebracht, sagte er und fügte im gleichen Atemzug hinzu, dass man diese Feststellung mit Blick auf Serbien relativieren müsse. Die Spannungen im Kosovo machten Russlands völkerrechtswidrige Offensive gegen die Ukraine allerdings nicht weniger bedrohlich. „Etwas mehr Empathie gegenüber Osteuropa wäre aber ratsam“, so Sven Simon, der Europa trotz steigender Rüstungsausgaben als nur eingeschränkt verteidigungsfähig sieht. Schuld daran seien zu viele verschiedene Waffensysteme und zersplitterte Rüstungsmärkte, die der militärischen Leistungsfähigkeit schadeten. Eine fatale Lage, so der Abgeordnete – nicht zuletzt weil niemand weiß, wie Russland in Zukunft agieren und wer im Herbst ins Weiße Haus einziehen werde. Im Falle einer zweiten Amtszeit von Donald Trump könne die NATO „plötzlich blank“ dastehen. Trump ist ein ausgewiesener Kritiker der NATO.

In seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 drohte der Präsident immer wieder offen mit einem Rückzug der USA aus dem Bündnis. Die Schicksalsgemeinschaft Europa mit ihren 500 Millionen Menschen brauche ein starkes Verteidigungssystem, um sich auf internationalem Niveau behaupten zu können, so Simon, der in Heppenheim auch gegen die Europapolitik der SPD und der Grünen schoss. „Ist der Bauer ruiniert, wird klimaschädlich importiert“, kommentierte er die Bürokratie in der Landwirtschaft, die Bauern in ihrer Existenz bedrohe. Das von der EVP stark kritisierte Pflanzenschutzverbot der europäischen Grünen wurde seiner Meinung nach zurecht gekippt, weil es zu ideologisch und weit über das eigentliche Ziel hinausgeschossen sei.

Thema Zuwanderung: Berlin müsse die irreguläre Migration eindämmen, sonst werde die reguläre scheitern. Es sei ein nationales historisches Erbe, dass Deutschland jedem Menschen eine neue Heimat bieten wolle – egal, aus welchem Grund er oder sie hierher komme. 2023 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur rund 1.700 Personen als Asylberechtigte anerkannt, dies entspreche lediglich 0,7 Prozent aller Entscheidungen. „So wenige haben tatsächlich Anspruch auf politisches Asyl“, so der CDU-Politiker, der „nüchtern über Grenzen reden“ möchte. Es bedürfe einer klugen Kommunikation, um den Rechten hier nicht in die Hände zu spielen, fügte er hinzu. Statt kleinräumiger Strategien brauche es letztlich Lösungen im globalen Maßstab, um illegale Migration in ihrem Kern zu reduzieren.

Zusammenschluss der EU-Staaten auch beim Thema Energie

Auch beim Thema Energie hält Sven Simon einen deutschen Alleingang für unklug. Vielmehr gehe es um den Aufbau einer Energieunion im Schulterschluss mit Staaten wie Frankreich. Der Energiemarkt müsse durch paneuropäische Projekte europäisiert werden. Zum Beispiel mit Wasserkraft in Skandinavien und Solarenergie in Südeuropa, die Wasserstoff für die Stahlproduktion in Mitteleuropa liefern könnte.

Ging es einst bei der EU vor allem um Frieden und Wohlstand, müssten die Europäer heute um ihre künftige Rolle in der globalisierten Welt ringen. Simon sprach von einem Paradigmenwechsel von der Binnen- zur Weltorientierung. „Dazu müssen wir in der Welt geschlossen auftreten und die EU nach außen handlungsfähig machen.“

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