Weinbau

Auch die Bergsträßer Winzer können erst einmal aufatmen

Das Europäische Parlament hat die EU-Pflanzenschutz-Verordnung vorerst gestoppt. Die pauschalen Verbote hätten nach Einschätzung von Kritikern auch bei den Winzern zu erheblichen Ernteverlusten durch Schädlingsbefall geführt.

Von 
Thomas Tritsch
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Beim Bergsträßer Weinbau werden nach Angaben von Verbandsvorsitzendem Otto Guthier schon jetzt weitaus weniger Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe eingesetzt als noch vor einigen Jahren. Ganz ohne geht es jedoch seiner Einschätzung nach nicht. © Winzer eG

Bergstraße. Die geplante EU-Pflanzenschutz-Verordnung ist überraschend gescheitert. Mit 299 gegen 207 Stimmen bei 121 Enthaltungen hat das Europäische Parlament Ende November den Vorschlag mit klarer Mehrheit gestoppt. Damit ist der ambitionierte Reduktionsplan der Brüsseler Kommission, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der EU bis 2030 um 50 Prozent zu verringern, vorerst vom Tisch. Auch umfassende Einschränkungen von jeglichem chemischen Pflanzenschutz in sensiblen Schutzgebieten treten nicht in Kraft. Zudem lehnten die Parlamentarier die Rücküberweisung in den EU-Umweltausschuss zur Nachverhandlung ab.

Die Initiative „Sustainable Use Regulation“ (SUR) hatte zum Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch pauschale Verbote radikal zu minimieren. Die Crux: Viele Weinberge in Deutschland liegen in klar definierten Wasserschutz- und Vogelschutzzonen– also genau dort, wo die pauschalen Verbote gelten sollten. Experten hatten früh gewarnt: Erhebliche Ernteverluste durch Schädlingsbefall seien die Folge. Kritiker befürchteten eine Katastrophe für die Landwirtschaft und den Weinbau in vielen sensiblen Gebieten. Auch an der Hessischen Bergstraße.

Der Weinbauverbandsvorsitzende Otto Guthier hat den Prozess seit Sommer 2022 kritisch beobachtet. Damals hatte der Verbandsvorstand dazu getagt und im Anschluss alle Bergsträßer Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie Bürgermeister angeschrieben. „Komplett ohne Pflanzenschutz ist Wein nicht herstellbar“, betont der Heppenheimer, der pauschale Verbote als unrealistisch kommentiert. Dies bewirke letztlich einen massiven Rückgang der durch Landwirtschaft und Weinbau kultivierten Bereiche. An der grundlegenden Idee, das Ausbringen von Mitteln sukzessive zu reduzieren, sieht er aber einen richtigen Kurs.

Zwänge und Verbote seien der falsche Weg, um das Ziel einer Pflanzenschutzmittel-Reduktion zu erreichen, betont Guthier. Man könne sogar von einer Art Berufsverbot sprechen, wenn Winzern und Bauern die Flächen weggenommen würden. Gerade auch im Weinbau ist Rebland klar definiert und nicht beliebig zu vergrößern. Freiwilligkeit führe letztlich zu größeren Erfolgen als Ordnungsrecht. Es gehe darum, dass die Erzeuger mitmachen und nicht gegängelt würden, so der langjährige Geschäftsführer der Bergsträßer Winzer eG.

Schon jetzt deutlich verringert

Die von der Europäischen Kommission ursprünglich vorgeschlagene Strategie hätte das Gegenteil bewirkt. Es würden im kleinsten deutschen Anbaugebiet schon jetzt deutlich weniger Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe eingesetzt als noch vor einigen Jahren.

Die Mittel kosten Geld, das Ausbringen Zeit. An der Hessischen Bergstraße wurden bereits vor 25 Jahren sogenannte FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) ausgewiesen mit der Prämisse, dass Weinbau dort weiterhin möglich sein soll. Die EU-Verordnung hätte dazu geführt, dass fast ein Drittel der regionalen Rebfläche weggefallen wäre, weil die betreffenden Zonen als empfindliche Gebiete definiert sind. Davon wäre sogar der nach strengeren Richtlinien wirtschaftende Öko-Weinbau betroffen, weil die EU hier keine Unterschiede macht. Mit Blick auf die Ernährungsversorgung von Seiten der Agrarbetriebe, den Erhalt der heimischen Kulturlandschaft und dem Schutz der Artenvielfalt wäre dies wohl ein klarer Schritt zurück gewesen.

Überschwänglich glücklich ist Guthier nach der Entscheidung in Straßburg nicht, wohl aber erleichtert. „Die Freude ist verhalten!“ Denn der Verbandschef geht davon aus, dass im nächsten Jahr unter einer anderen Ratspräsidentschaft ein ähnliches Verfahren durch einen erneuten Vorschlag der Kommission eingeleitet werden wird. Perspektivisch führe daher kein Weg daran vorbei, bei solchen Entscheidungen auch die europäischen Weinanbaugebiete mit ins Boot zu nehmen, um die Branche in wichtige Prozesse einzubinden. Auf diese Weise könne man illusorische und wirtschaftsschädigende Weichenstellungen besser vermeiden.

Dass es nicht ganz ohne Pflanzenschutz geht, verdeutlicht der Winzer am schwierigen Weinjahr 2023. In vielen Regionen ist es zu einem verstärkten Befall der Reben mit Oidium gekommen. Der Echte Mehltau ist eine hartnäckige Pilzkrankheit bei Weinreben, die sehr schwierig zu bekämpfen ist. Da die meisten Mittel – im ökologischen Weinbau wie im konventionellen Bereich – lediglich vorbeugend wirken, muss der Winzer möglichst früh erkennen werden, ob und wann sich Sporen bilden könnten. Ohne Intervention sei dieses Problem kaum in den Griff zu bekommen, so Guthier. Ohne die Möglichkeit von Pflanzenschutz setze sich der Winzer existenziellen Risiken aus.

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