Bergstraße. „Einigermaßen entsetzt“ sind die Mitwirkenden der Festspiele Heppenheim darüber, dass die traditionsreiche Kulturveranstaltung weiterhin ohne jegliche Förderung durch das Land Hessen auskommen muss. Das hatte Iris Stromberger, Intendantin der seit vier Jahren für die Festspiele verantwortlichen TheaterLust gGmbH, bei der Bilanzpressekonferenz Anfang September mitgeteilt. Begründet werde die finanzielle Absage aus Wiesbaden mit einer angeblich fehlenden überregionalen Bedeutung.
Jetzt gehen die Ensemble-Mitglieder und Mitarbeiter auf die Barrikaden. In einem Brief an das zuständige Hessische Ministerium für Kunst und Kultur machen die betroffenen Künstler aus allen Gewerken nachdrücklich deutlich, dass dies aus ihrer Sicht kein akzeptabler Zustand ist und die Festspiele dringend in die Förderung aufgenommen werden müssen. Den Brief haben 17 Mitwirkende und Förderer der Festspiele unterzeichnet. Initiatoren sind die Schauspielerin Saskia Huppert und der Schauspieler Stephan Wilhelm Müller. Müller spielte unter anderem bei der diesjährigen Shakespeare-Inszenierung von „Der Sommernachtstraum“ die Rolle des Demetrius, Huppert stand in dem Stück als Helena auf der Bühne.
„Weit über die Region hinaus bekannt“
Betont wird in dem Schreiben, dass die Festspiele Heppenheim seit über fünf Jahrzehnten das kulturelle Leben in Hessen prägen: „Sie sind weit über die Region hinaus bekannt, ziehen jedes Jahr Tausende Besucherinnen und Besucher in den Kurmainzer Amtshof und haben sich als traditionsreiche Bühne für zeitgenössisches und klassisches Theater fest etabliert.“
Zugleich stehe das Theaterfestival für etwas, was in der Kulturlandschaft keine Selbstverständlichkeit sei: Eine faire Bezahlung und ein respektvoller Umgang mit Künstlerinnen, Künstlern und allen beteiligten Gewerken. Von Schauspiel bis Technik, von Bühnenbau bis Kostüm: Viele der mit den Festspielen verbundenen Arbeitsplätze seien lokal verankert, sorgten für wirtschaftliche Impulse in der Region und garantierten die hohe Qualität der Aufführungen, argumentieren die Unterzeichner weiter.
Nachdem sich die Familie Richter als Gründer der Festspiele zurückgezogen und anschließend die Pandemie Theateraufführungen über Jahre unmöglich gemacht hatte, hatten vor vier Jahren Iris Stromberger und Ingo Schöpp-Stromberger mit der TheaterLust gGmbH die Leitung übernommen. Seit 2022 gab es vier Spielzeiten mit stetig steigenden Zuschauerzahlen.
„Weder gerecht noch nachhaltig“
„Dass eine Kulturinstitution dieser Strahlkraft bis heute ohne jede Unterstützung durch das Land Hessen auskommen muss, ist nicht länger hinnehmbar und künftig auch faktisch unmöglich! Während andere Festspiele im Land selbstverständlich gefördert werden, lastet die gesamte Verantwortung auf der Stadt Heppenheim und der künstlerischen Leitung. Das ist weder gerecht noch nachhaltig“, heißt es in dem Schreiben.
Andere Festspiele in Hessen, darunter so groß angelegte wie die in Bad Hersfeld, Hanau, Bad Vilbel und Wetzlar, erhielten öffentliche Mittel aus verschiedenen Quellen, darunter zum Teil erhebliche Landesmittel, hatte schon Iris Stromberger bei der Bilanz-Pressekonferenz betont. Es sei unverständlich, warum nicht wenigstens ein kleiner Teil der Landesförderung nach Heppenheim fließe. Immerhin sei der hessische Ministerpräsident Boris Rhein Schirmherr der Veranstaltung. Der Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Christoph Degen, habe sich beim Besuch der Festspiele begeistert gezeigt. Dabei geht es den Organisatoren nicht um Millionenbeträge. „Schon mit 20.000 Euro wäre uns sehr geholfen“, erklärte Intendantin Stromberger. Nur etwa zwei Drittel der Kosten können durch den Ticketverkauf gedeckt werden. Die Besucher mussten im vergangenen Sommer dennoch nicht tiefer in die Tasche greifen. Tickets gab es wie im Vorjahr – je nach Platzkategorie – für 35, 40 und 45 Euro.
Stadt wartet mit Vertrag bis der Haushalt steht
Gleichzeitig muss auch die Stadt Heppenheim sparen. Der Vertrag mit der Stadt, der über vier Jahre geschlossen war, ist ausgelaufen. „Die Festspiele haben ihren Preis“, sagte Bürgermeister Rainer Burelbach Anfang des Monats bei einer Sitzung des örtlichen Haupt-, Finanz- und Wirtschaftsförderungsausschusses. Aktuell sehe er sich außerstande, einen neuen Vertrag mit finanziellen Verpflichtungen abzuschließen, bevor nicht der Haushalt 2026 beschlossen ist. Im aktuellen Haushalt 2025 stehen 100 000 Euro für die Festspiele bereit. Hinzu kommen noch sogenannte Hand- und Spanndienste, also tatkräftige Unterstützung durch den Bauhof. Unterstützt wurden die Festspiele in der Vergangenheit durch Geld von der Sparkassenstiftung Starkenburg, der GGEW, der Odenwaldquelle, der Bergsträßer Winzer eG und der Merck‘schen Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft. Trotz – nach eigenem Bekunden – intensiver Bemühungen und der Kontaktaufnahme mit mehr als 20 örtlichen Firmen ist es den Verantwortlichen nicht gelungen, weitere Sponsoren oder Spender zu gewinnen.
Wenn sich das Land Hessen bei den Heppenheimer Festspielen weiter nicht finanziell beteiligt, drohe „nicht weniger als das Ende einer jahrzehntelangen Erfolgsgeschichte“, befürchten die Unterzeichner des Briefs. „Das wäre das ein kulturpolitisches Armutszeugnis für Hessen, das sich zu Recht gerne als Kulturstandort von Rang präsentiert.“
Die Festspiele stehen nach Einschätzung der Unterzeichner für eine „kontinuierliche künstlerische Qualität und hohe Besucherresonanz, für faire Bezahlung und verlässliche Arbeitsbedingungen für Künstlerinnen und Künstler, Technikern und Kollegen aus vielen anderen Gewerken, sowie für eine lebendige Kulturvermittlung in einer Region, die von der Landespolitik häufig übersehen wird.“ All dies dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.
„Ein fatales Signal für den Kulturstandort Hessen“
„Wir fordern das Land daher mit Nachdruck auf, die Heppenheimer Festspiele ab sofort in die Landesförderung aufzunehmen. Alles andere wäre ein fatales Signal für den Kulturstandort Hessen – und für die Menschen, die in Kunst und Kultur nicht nur ihren Beruf, sondern auch ihre Lebensgrundlage sehen“, heißt es in dem Schreiben an das Ministerium.
Iris Stromberger und Ingo Schöpp-Stromberger haben sich –wie berichtet – entschlossen, zunächst auf eigenes Risiko und in abgespeckter Form weiterzumachen – mit einem Konzept, das den explodierenden Kosten Grenzen setzt. Mit der Beschränkung auf ein einziges Stück und eine verkürzte Spielzeit reduziert TheaterLust das eigene finanzielle Risiko, falls die Festspiele 2026 ausfallen müssen, weil es von der Stadt Heppenheim keine weitere Unterstützung gibt.
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