Bergstraße. Die Apfelernte 2025 an der Bergstraße zeigt, wie sehr das Wetter und die natürlichen Rhythmen der Bäume das Jahr prägen können. Während andernorts über extreme Trockenheit oder Frostschäden geklagt wurde, blickt man in der Region insgesamt auf eine recht stabile Saison zurück – wenn auch mit weniger Sonne und etwas weniger Süße in den Früchten. „Die Ernte ist abgeschlossen und im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben“, berichtet Reinhard Bitsch von der Kelterei Bitsch in Lindenfels-Glattbach. Der Familienbetrieb verarbeitet nicht nur die Äpfel aus dem eigenen Bestand – rund 800 bis 900 Bäume in Glattbach und Gronau –, sondern auch die von zahlreichen Streuobstwiesenbesitzern aus der gesamten Region. „Unsere Kundschaft kommt aus halb Südhessen – von Darmstadt über das Ried bis nach Weinheim“, erzählt Bitsch. Wie schon im Vorjahr blieb die Erntemenge konstant. „Es war kein überragendes Jahr, aber ein ordentliches“, sagt Bitsch. Die Sorten hätten jedoch nicht ganz so viel Zucker, weil der Sommer zu kühl und zu wechselhaft gewesen sei. Zu wenig Sonne, immer mal wieder Regen – das merke man den Äpfeln an. Trotzdem sei das Ergebnis zufriedenstellend. Denn eigentlich, so erklärt der erfahrene Kelterer, wäre 2025 im natürlichen Zweijahresrhythmus der Apfelbäume ein schwächeres Jahr gewesen, aber dafür sei das Jahr es „wirklich gut“ gewesen.
Nach einer halben Stunde hat man seinen frischen Saft
Regionale Unterschiede gab es dennoch: „Richtung Darmstadt war das Aufkommen etwas höher, Richtung Weinheim etwas geringer“, so Bitsch. Aber das gleiche sich über die gesamte Region aus und hänge stark vom einzelnen Standort ab – von Streuobstwiese zu Streuobstwiese könne das sehr unterschiedlich sein, so Bitsch weiter. Auch bei den Kunden habe sich das gespiegelt. Aus dem Süden der Region seien in diesem Jahr etwas weniger Anlieferer gekommen, aus dem Norden dafür mehr – insgesamt also gleichbleibende Anzahl. In der Kelterei selbst ist der Betrieb derzeit in vollem Gange. Die Äpfel werden von Privatleuten und Landwirten angeliefert, gewaschen, genadelt und anschließend gepresst. „Ab 150 Kilo kann man bei uns pressen lassen“, sagt Bitsch. „Das dauert etwa eine halbe Stunde, und dann hat man seinen frischen Saft.“ Viele nehmen den naturtrüben Saft direkt mit nach Hause, um daraus selbst Apfelwein zu machen. Wer den Saft haltbar machen möchte, kann ihn pasteurisieren lassen – so bleibt er über Monate genießbar.
Auch die Kelterei Bitsch hat in den letzten Jahren modernisiert. „Wir lesen kaum noch von Hand“, erklärt Bitsch. Mittlerweile habe man einen hydraulischen Schüttler. Das schone die Bäume, spare Zeit und Kraft. Der Schüttler werde auch für andere Baumbesitzer eingesetzt. Während der klassische Apfelsaft und Apfelwein das Hauptprodukt bleiben, werden gelegentlich auch Mischungen hergestellt – etwa mit Birne oder Quitte. Auch der neue Apfelweinjahrgang ist bereits in Arbeit. „Der Sommer war zwar nicht besonders, aber wir sind optimistisch. Die Qualität ist gut, auch wenn der Zuckergehalt der Äpfel etwas niedriger ist.“ Über die Jahrzehnte hat sich der Erntezeitpunkt deutlich verschoben: „Früher war im November noch richtig Betrieb, da haben wir noch viele Äpfel bekommen“, erinnert sich Bitsch. „Heute ist da schon fast alles vorbei. Die Ernte ist einfach früher – das liegt sicher am Klimawandel vermute ich.“ Die Erfahrung zeigt: Je extremer ein Jahr ausfällt, desto deutlicher zeigt sich die Wirkung im nächsten.
Mit etwas Geduld bekommt man die bessere Qualität
Auch Florian Schumacher von den Streuobstwiesenrettern zieht eine überwiegend positive Bilanz. Die Initiative hat sich der Pflege und Erhaltung alter Streuobstwiesen in der Region Bergstraße-Odenwald verschrieben – auf rund zehn Hektar Fläche mit etwa 300 bis 400 Bäumen, verteilt über Einhausen, Lorsch und Bensheim. „Unsere Ernte ist abgeschlossen und sie war insgesamt recht gut“, sagt Schumacher. Vor allem bei den frühen Sorten habe man Unterschiede bemerkt. „Der weiße Klarapfel und Grafensteiner waren schnell runtergefallen, oft angestochen – vermutlich durch Insekten. Solche Äpfel sind nicht lange haltbar und lassen sich schwer verwerten“, erklärt er. Viele Wiesenbesitzer würden dann aus Sorge zu früh ernten. Man merke, dass die Leute nervös werden, wenn die Äpfel anfangen zu fallen. Aber wer Geduld habe und etwas wartet, bekomme oft die bessere Qualität. Die späten Sorten hätten in diesem Jahr klar profitiert. „Sorten wie Rheinischer Bohnapfel, Bittenfelder Sämling oder Brettacher – also klassische Wirtschaftsäpfel, die für Saft und Apfelwein genutzt werden – waren wirklich gut“, lobt Schumacher. Die Sonne im Spätsommer habe den späten Sorten noch einmal richtig gutgetan. Geschmacklich seien diese „top“. Generell seien die Spätsommer-Sorten robust, widerstandsfähig und könnten bis ins Frühjahr gelagert werden, ohne an Qualität zu verlieren, so Schumacher.
Was die Ernteweise anbelangt, setzen die Streuobstwiesenretter weiterhin auf traditionelle Erntemethoden. „Wir schütteln die Äpfel runter und lesen sie per Hand auf“, erzählt Schumacher. Das dauere zwar länger, sei aber schonender für die alten Hochstammbäume. Diese Arbeit bedeute nicht nur Ernte, sondern auch Landschaftspflege. Die Wiesen seien Teil des regionalen Kulturerbes – und man wolle sie pflegen und so bestmöglich erhalten. Ein wachsendes Problem seien hierbei jedoch Schädlinge. Man merke deutlich, dass sie zunehmen, betont Schumacher. „Vor allem bei den frühen Sorten führt das dazu, dass sie schneller faulen und nicht richtig verwertbar sind.“ Das sei eine Herausforderung, die mit den zunehmenden Wetterextremen zusammenhänge. So werden die Jahre „immer durchwachsener“. Insgesamt zeige die Apfelernte 2025 in der Region ein zufriedenstellendes Bild: durchschnittliche Mengen, ordentliche Qualität, keine großen Ausreißer nach oben oder unten. „Weder besonders schlecht noch besonders gut – einfach ein solides Jahr“, fasst Reinhard Bitsch abschließend zusammen. Für 2026 erwartet er turnusgemäß wieder ein starkes Erntejahr. Und während in seiner Kelterei die letzten Fässer mit frischem Most gefüllt werden, wächst schon die Vorfreude auf den neuen Apfelwein.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/region-bergstrasse_artikel,-bergstrasse-ein-ordentliches-apfeljahr-nur-die-sonne-haette-haeufiger-scheinen-koennen-_arid,2339609.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/weinheim.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html