Bergstraße. Entlang des rund 3,5 Kilometer langen Fahrradwegs an der Nibelungenbahn zwischen Einhausen und Riedrode wurden gestern weiße Kunststoffzaunpfosten eingeschlagen. Alle vier Meter einer. Noch am gleichen Nachmittag wurden dazwischen in vier Reihen leitfähige Schnüre gespannt und unter Strom gesetzt. Eine Spannung von 7000 Volt soll Wildschweine daran hindern, Richtung Süden zu wandern und damit die in den Kreis Bergstraße vorgedrungene Afrikanische Schweinepest (ASP) zu verbreiten.
Aufgrund der geringen Stromstärke ist ein Kontakt mit dem Wildzaun für Menschen und Hunde nicht gefährlich. Unangenehm sei eine Berührung aber schon, warnt ein Mitarbeiter des Forstamtes Groß-Gerau, der den Zaun gestern mit seinen Kollegen installiert und später auch „scharf“ schaltet. Die Forstmitarbeiter aus dem Nachbarkreis sind zur Amtshilfe in den Kreis Bergstraße gekommen. Schließlich muss es nach dem Fund des infizierten Wildschwein-Kadavers im Westen von Einhausen am vergangenen Freitag schnell gehen. Und im Kreis Groß-Gerau kämpft man schon seit Wochen gegen die Afrikanische Schweinepest.
Die Strecke zwischen Einhausen und Riedrode ist längst nicht die einzige, die mittels Elektrozäunen abgesperrt wird. In der vom Kreis mit datum 30. Juli erlassenen „6. Allgemeinverfügung zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen“ wird die Errichtung von Zäunen innerhalb der infizierten Zone (Sperrzone II) angeordnet. Eine innerhalb der Allgemeinverfügung auf der Webseite des Kreises Bergstraße aufrufbare Karte zeigt den geplanten Verlauf des Zaunes. Dieser soll demnach von Langwaden entlang der A 67 bis nach Lorsch führen, von dort neben der Nibelungenbahn bis Rosengarten und entlang des Rheins in nördliche Richtung bis kurz vor Gernsheim. Weitere Zäune sind vorgesehen bei Lorsch entlang der A 67 bis hinter die Rastanlage Lorsch, von Wehrzollhaus entlang des Rheins und Altrheins Richtung Lampertheim und von der A 67 in Höhe Hüttenfeld entlang der L 3110 über Neuschloß bis Lampertheim.
„Das wichtigste Ziel ist es, die weitere Verbreitung der ASP zu verhindern“, sagt der im Bergsträßer Landratsamt zuständige Dezernent Matthias Schimpf. Dabei sei es notwendig, dass sich auch die Bürger an die zum Schutz vor der Tierseuche erlassenen Auflagen halten. Spaziergänger sollen in der freien Natur die Wege nicht verlassen, um Wildschweine nicht aufzuscheuchen. Brennholz suchen ist daher ebenso untersagt wie die beliebte Freizeitbeschäftigung Geocaching. Auch Pilzfreunde müssen derzeit auf die Suche nach den schmackhaften Waldgewächsen verzichten, erläutert Steffen Hering, Leiter des Forstamtes Lampertheim. Für Hunde gilt eine Anleinpflicht. Wichtig sei auch, dass Fußgänger und Radfahrer wieder die Tore schließen, wenn sie an einen der in den Elektrozäunen vorgesehenen Durchgänge kommen, so Hering.
Für die Überwachung der in der ASP-Schutzzone geltenden Regelungen sind nach Angaben von Matthias Schimpf die Ordnungsämter der Kommunen zuständig. Ein eventuell fälliges Bußgeld werde vom Kreis erhoben.
Gestern Nachmittag konnte man bereits Michael Rödel und Heiko Helbig vom Einhäuser Ordnungsamt im Wald antreffen. Bislang habe man an diesem Tag noch niemand bei einem Verstoß erwischt, bei der großen Hitze seien jedoch auch nur wenige Menschen unterwegs. Im Auto haben sie einen ganzen Packen laminierter Hinweisschilder. „Afrikanische Schweinepest Restriktionszone“ ist in roter Schrift darauf zu lesen. Zudem sind die gültigen Verhaltensregeln vermerkt und die Telefonnummer des Veterinäramtes 06252/155977. Dort sollen aufgefundene Wildschweinkadaver gemeldet werden. „Die Schilder werden immer wieder abgehängt oder beschädigt und müssen daher ständig ersetzt werden“, sagt Michael Rödel.
Auch Mitarbeiter des zuständigen Forstamtes Lampertheim haben im Wald ein Auge darauf, dass die geltenden Regeln eingehalten werden. Um die Wildschweine nicht aufzuschrecken habe man mittlerweile in den in der Rheinebene gelegenen Wäldern des Forstamtes den Holzeinschlag gestoppt. Die Jagd ist hier ebenfalls verboten.
Um die Ausbreitung der ASP weiter einzuschränken, werden nach Angaben von Matthias Schimpf aktuell die Randbereiche der Sperrzonen intensiv nach Wildschweinkadavern abgesucht. Außerhalb der Zone soll die Zahl der Wildschweine durch intensive Bejagung stark verringert werden. Innerhalb der Sperrzone II gehe es später darum, den Schwarzwildbestand auf null zu bekommen, etwa auch durch den Einsatz sogenannter Schwarzwildfänge (eine Art Falle). Derzeit würden auch Überlegungen angestellt, wo im Kreis geeignete Standorte für Wildkadaverstellen eingerichtet werden können. „Da befinden wir uns noch im Gespräch mit den Kommunen“, sagt Matthias Schimpf.
Wichtig ist ihm, zu betonen, dass im Kreis Bergstraße die zuständigen Behörden „mit den Jägern und den Landwirten an einem Strang ziehen“. Aktuelle Informationen zur Tierseuche gebe man umgehend weiter.
Eine weitere Frage ist, was die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest den Kreis Bergstraße kosten wird. „Vom Land angeordnete Maßnahmen wie der Bau des Elektrozaunes“ sind nach Angaben von Matthias Schimpf auch finanziell Sache des Landes. Andere Kosten – etwa für Tierkörperbeseitigung – würden über die Tierseuchenkasse bezahlt. Dabei müsse der Kreis ein Viertel der Kosten übernehmen.
„Für einige Betriebe zählt jeder Tag“
Rund 50 weitere schweinehaltende Betriebe fallen nach Angaben des Hessischen Landwirtschaftsministeriums in die nach dem Fund eines infizierten Wildschweinkadavers bei Einhausen neu gezogenen Sperrzonen I und II. Für einige der betroffenen landwirtschaftliche Unternehmen könne das „schnell sehr dramatisch werden“, sagt der zuständige Dezernent im Landratsamt, Matthias Schimpf. In den Ställen werde es langsam voll und Schlachtungen seien nur sehr eingeschränkt und unter Beachtung von Auflagen möglich. So müssten die für eine Schlachtung vorgesehenen Tiere 14 Tage im Vorfeld beprobt werden, um sicherzugehen, dass sie nicht mit dem ASP-Virus infiziert sind. Dann müssten ein zertifizierter Transport und eine zertifizierte Schlachtung organisiert werden. Einen Schlachtbetrieb zu finden, sei sehr schwierig und die Nachfrage von Schweinefleisch aus einer ASP-Schutzzone sei natürlich ebenfalls nicht sehr groß. Wie man den betroffenen Schweinehaltern helfen kann, sei noch nicht entschieden. „Wir wollen zusammen mit dem Land eine Lösung finden“, sagt Matthias Schimpf. Und das möglichst schnell. „Die Zeit drängt. Für manche Betriebe zählt jeder Tag“, sagt der hauptamtliche Kreisbeigeordnete. Nicht zuletzt gehe es auch um den Tierschutz. Ewig könne man die Schweine auch nicht in den engen Ställen halten.
Schnell reagiert habe der Kreis beim Thema Ernte. Die in der bisherigen Restriktionszone erforderlichen Ausnahmegenehmigungen habe das Landratsamt in Tagesfrist erteilt, so Schimpf. kel
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