Abenteuer

Ein Bergsträßer will auf dem Fahrrad in vier Jahren die Welt umrunden

Der 32-jährige Bergsträßer Daniel Döbele hat seine Zelte in der Heimat abgebrochen / Die Planungen für seine große Tour laufen seit zwei Jahren

Von 
Nadine Kunzig
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Bergstraße. Das schwarze Reisefahrrad blitzt im Sonnenlicht, die gelben Seitentaschen liegen auf dem Rasen neben einigen gut gefüllten Kartons, einem Zelt, einem Schlafsack, Aufbewahrungsboxen, Kameraequipment – und einem Wackeldackel. Den hat Daniel Döbele auf den Namen „Freddy“ getauft; schließlich wird er ihn auf seiner vierjährigen Weltreise begleiten. „Er soll den Menschen, die ich treffe, ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, sagt der 32-Jährige und blickt auf sein Hab und Gut, das alles auf das Fahrrad passt. „Das sind meine ,3 Zimmer, Küche, Bad‘ und alles, was ich noch habe und brauche.“ Glücklicher könnte er nicht sein.

Am dritten August-Wochenende begann sein ganz persönliches Abenteuer, das ihn auf seinem Fahrrad einmal um die Welt führen soll. „Die größte Herausforderung dieser Reise bin wahrscheinlich ich selbst“, sagt Döbele kurz zuvor und lacht. Denn er weiß, dass er viele Stunden alleine unterwegs sein wird, obwohl er sonst ein sehr geselliger Mensch ist. Doch der Traum, die Welt zu sehen, ist stärker als alle Bedenken. „Es gibt so viele Orte, Kulturen und Landschaften, die mich interessieren. Doch wie soll man alles sehen, wenn man sein Leben lang arbeiten geht und nur einmal im Jahr – wenn überhaupt – einen größeren Urlaub machen kann? Wir haben nur eine begrenzte Zeit auf der Erde, und ich will später nicht auf mein Leben zurückblicken und sagen, dass ich nur im Büro gesessen habe.“ Der Fahrradsessel ist ihm da dreimal lieber.

„Ich bin ein langsam Reisender“

Die angepeilte Route

Lediglich eine grobe Route hat sich Daniel Döbele ausgedacht. Er will bei seiner Weltreise mit dem Fahrrad flexibel sein. Wichtig ist ihm, dass er immer mit der Sonne fährt.

Start war vor wenigen Tagen bei seinem Elternhaus in Mörlenbach. Eine Woche nimmt er sich Zeit, um bis ins 150 Kilometer entfernte Saarbrücken zu radeln. Dort hat er studiert und möchte sich mit Freunden treffen.

Anschließend geht es weiter durch Frankreich, die Schweiz, Spanien und Portugal. Den Jahreswechsel möchte er auf den Kanaren verbringen.

Im Frühjahr 2023 möchte er in Richtung Spanien, Frankreich, Italien und Kroatien aufbrechen, den Balkan herunterfahren und im April/Mai in Istanbul ankommen.

Es folgen Georgien, Armenien, der Iran und im Winter 2023 Dubai und Oman.

2024 geht es weiter nach Usbekistan und über den Pamir Highway, die zweithöchste Fernstraße der Welt, nach Tadschikistan und Kasachstan. In Nowosibirsk (Russland) möchte er in die Transsibirische Eisenbahn einsteigen und damit bis an den Baikalsee fahren.

Durch die Mongolei und China geht es im europäischen Winter nach Vietnam.

Im Frühjahr 2025 fährt er weiter nach Laos, Thailand, Malaysia, Singapur, Indonesien und entweder nach Australien oder Neuseeland.

Weiter soll es nach Amerika gehen, wo Döbeles Planung ungenauer wird. „Denn bis dorthin muss ich erst mal kommen, dann wäre ich um die halbe Welt geradelt.“

Ein paar Ideen hat er schon, aber er möchte variabel bleiben und auch sehen, wie er bis dahin finanziell dasteht. nk/ü

Für diesen Traum hat er seinen Job in der IT-Branche gekündigt, seine Wohnung aufgegeben, die Möbel und das Auto verkauft – und Geld gespart. „Ich habe mehr als ein Jahr komplett auf Konsum verzichtet, mir noch einen Nebenjob gesucht, um nun vier Jahre lang Freizeit zu haben“, sagt er und seine Augen beginnen zu strahlen. Hinzu kommt, dass er mit wenig Budget reisen wird. „Ich koche mir mein Essen selbst und schlafe die meisten Nächte im Zelt. Dadurch gebe ich nur sehr wenig Geld aus und kann entsprechend lang unterwegs sein.“ Er rechnet damit, dass er im Durchschnitt 50 Kilometer pro Tag fährt. Auf das Flugzeug möchte er verzichten, zum Überqueren der Meere lieber Schiffe nutzen.

„Ich will bei meiner Reise keinen Geschwindigkeitsrekord aufstellen, ich bin ein langsam Reisender“, sagt Döbele und lehnt sich in seinem Gartenstuhl zurück. Kurz schaut er verträumt in den Kirschbaum, der im Garten seiner Mutter in Mörlenbach steht. Er will keine sieben Tage am Stück nur unterwegs sein, sondern Orte besuchen, statt nur an ihnen vorbeizuradeln. „Außerdem braucht mein Körper auch mal eine Pause“, sagt er. Schnell wird sein Blick wieder klar, und er lehnt sich mit den Ellenbogen auf den Gartentisch. Sein Traum wird Wirklichkeit. Richtig realisiert hat er das noch nicht. „Das ist alles so surreal.“ Die Aufregung hält sich beim Gespräch mit der Redaktion, vier Tage vor Abfahrt, in Grenzen. Schließlich hatte er zwei Jahre Zeit, um jegliche Szenarien in der Theorie durchzuspielen und sich intensiv vorzubereiten. „Ich könnte ein dreistündiges Referat über Luftpumpen halten“, sagt er schmunzelnd.

Radfahren hat mehrere Vorteile

Bücher hat er gelesen, Dokumentationen geschaut, sich mit anderen Fahrradreisenden ausgetauscht, einen Erste-Hilfe- und Selbstverteidigungskurs absolviert und nach und nach sein Reiseequipment gekauft, eine Packliste zusammengestellt und sogar einen Online-Kurs zum Thema Fahrradreisen gemacht. Mehr geht nicht. Die Corona-Pandemie spielte ihm dabei in die Karten. Gerade während des ersten Lockdowns 2020 hatte er viel Zeit, um seine Reise zu planen. Vorbilder fand er in einem deutschen Ehepaar, das seit mehreren Jahren mit den Rädern unterwegs ist, einen Reiseblog im Internet veröffentlicht und Reisenden Tipps gibt. Die Idee, mit dem Fahrrad zu fahren, festigte sich daraufhin immer mehr – und hat für ihn zugleich mehrere Vorteile: Es ist eine preiswerte Fortbewegungsvariante, es geht zwar langsam, aber schnell genug vorwärts, um vieles zu sehen, man lernt Einheimische und andere Reisende besser kennen, ist flexibel und kann Orte entdecken, die mit einem Auto unzugänglich sind.

Mit einer Kamera sowie einer Drohne wird er seine Reise dokumentieren und die Erlebnisse auf Instagram und später auch auf Youtube teilen. „Vorrangig mache ich das für meine Familie und Freunde, aber natürlich auch für alle, die das interessiert.“

Und er freut sich, wenn ihn jemand zwischendurch besucht. Das hat seine Mutter Martina definitiv vor: „Ich finde sein Vorhaben genial und freue mich, wenn wir dieses Weihnachten zusammen auf den Kanaren verbringen.“ Sorgen macht sie sich nur wenige, bisher überwiegt auch ihre Vorfreude. „Wer sich am meisten sorgt, ist meine Schwester Luisa. Aber egal, wo ich auf der Welt bin, ich könnte in maximal zwei bis drei Tagen wieder zu Hause sein – das sorgt für eine gewisse Sicherheit“, sagt Döbele.

„Ich bin nicht furchtlos“

„Was kann schon Schlimmes passieren, außer dass ich meine Planung über den Haufen werfen muss, weil ich ein Visum eventuell nicht bekomme? Und auch wenn ich viel früher wieder heimkommen muss, ist das in Ordnung. Denn ich kann stolz sein, dass ich überhaupt gestartet bin.“ Mutig fühlt er sich deswegen nicht. „Ich bin nicht furchtlos, aber ich setze mich schon so lange mit dieser Reise auseinander, dass ich mich einfach freue, wenn es jetzt endlich losgeht.“

Allerdings gibt er schmunzelnd zu, dass er noch nie der große Radfahrer war und auch bisher keinen Reifen geflickt hat. „Learning by doing“, sagt er schulterzuckend. Drei Probetouren, inklusive Übernachtung im Zelt, hat er unternommen. Mehr sollten es nicht sein, denn „sonst wäre ich einfach weitergefahren“.

Wohin soll es eigentlich gehen? „Immer der Sonne nach“, sagt er. Die Routenplanung hat er grob im Kopf, er weiß, welche Länder und Sehenswürdigkeiten er besuchen möchte. „Alles zwischendrin ist variabel.“ Deswegen kann er eine genaue Kilometerzahl nur schätzen: „45 000 Kilometer werden es am Ende sicher sein. Ob ich danach zurück nach Deutschland komme? Wer weiß ...“, sagt er verschmitzt, während ein Windstoß „Freddys“ Kopf zum Wackeln bringt. Daniel Döbele muss lächeln.

Daniel Döbele ist 32 Jahre alt und in Mörlenbach aufgewachsen. ...

Daniel Döbele ist 32 Jahre alt und in Mörlenbach aufgewachsen. In Weinheim ging er auf die Dietrich- Bonhoeffer- sowie auf die Johann- Philipp-Reis-Schule. Nach seinem Studium in Saarbrücken wohnte er in Weinheim und zog im Januar die

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