Bilanz

Ehrenamtliche wünschen sich mehr Unterstützung bei finanzieller Förderung

Das Bergsträßer Koordinierungszentrum für Bürgerengagement wurde vor einem Jahr gestartet / Positives Feedback und großer Bedarf

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Die Ehrenamts-Card ist eine Anerkennung für ehrenamtliches Engagement. Das Bergsträßer Koordinierungszentrum für Bürgerengagement soll dagegen praktische Unterstützung für Vereine bieten. © Kreis Bergstraße

Bergstraße. Rund zweieinhalb Millionen Hessen betätigen sich ehrenamtlich – zum Beispiel in einem Sport- oder Musikverein sowie im sozialen und kulturellen Bereich. Auch im Kreis Bergstraße trägt das freiwillige Engagement zu einem funktionierenden Gemeinwesen in den Städten und Gemeinden bei. Der Kreis übernimmt unterstützende und koordinierende Aufgaben, um die Ehrenamts- und Vereinsarbeit zu stärken.

Vor einem Jahr kam das neue Koordinierungszentrum für Bürgerengagement hinzu – eines von aktuell elf in Hessen mit dem Ziel, Ehrenamtliche zu unterstützen und eine entsprechende hauptamtliche Infrastruktur vor Ort aufzubauen. Das Projekt wird über eine Laufzeit von drei Jahren vom Land Hessen mit Steuergeldern in Höhe von insgesamt 150 000 Euro gefördert.

Zufriedenheit nach zwölf Monaten

Zwölf Monate nach dem Start ziehen die Verantwortlichen im Landratsamt zufrieden Bilanz. Die Rückmeldungen aus der Bürgerschaft und aus den Vereinen und Verbänden seien überwiegend positiv, die Anmeldungen spiegeln den hohen Bedarf an unterstützender Arbeit, so Barbara Meyer, die seit Anfang 2022 für die Beratung, Vernetzung und die Koordination der Qualifizierungsangebote zuständig ist. Gemeinsam mit Steffen Maurer aus der Abteilung Vereinsförderung und Ehrenamt im Bereich Bürgerservice begleitet sie das Förderprogramm seit Juli 2021 hauptamtlich. Seither ist in Heppenheim eine zentrale Anlaufstelle für alle Belange rund ums Ehrenamt und die regionale Vereinsarbeit installiert.

Vernetzung über die Kreisgrenzen

Das Koordinierungszentrum ist aber auch über die Kreisgrenzen hinaus mit allen wichtigen Akteuren im Bereich Ehrenamt vernetzt, um auf Experten und Angebote für nahezu alle Themenbereiche in diesem breiten Spektrum einen Zugang zu genießen. In Kooperation mit der Kreisvolkshochschule (Kvhs) bietet man kostenlos Kurse, Seminare und Qualifizierungsangebote für Ehrenamtliche an.

Aktuelle Topthemen sind Digitalisierung und Datenschutz, Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchsgewinnung, aber auch die Vorstandsnachfolge macht vielen Vereinen Probleme. „Viele Menschen engagieren sich projektorientiert und wollen sich nicht jahrelang an Vereinsstrukturen binden“, so Landrat Christian Engelhardt. Eine flexible Mitarbeit wird einer klassischen Mitgliedschaft immer häufiger vorgezogen. Die moderne Lebenswelt und das Freizeitverhalten der Bürger und die Wahlperioden von Ämtern sind daher kaum noch kompatibel, was Vereine vor Herausforderungen stelle.

Hinzu kam im Jahr 2020 die Pandemie, die insgesamt zwar auch zu personellen, vor allem aber zu finanziellen Engpässen geführt hat. Feste und Aktivitäten fielen aus, Einnahmequellen brachen weg. Es gehe jetzt auch darum, Vereine über die bisherige Förderung hinaus passgenau zu unterstützen und ihnen attraktive Angebote zu machen, die ihren Bedarf widerspiegeln, so Engelhardt weiter.

Im „KoBe“ werden alle Informationen gebündelt und an die Kommunen im Landkreis verteilt, die wiederum als Multiplikator im Austausch mit den Engagierten vor Ort sind, so Steffen Maurer in Heppenheim: „Durch Beratung und Vernetzung machen wir das Ehrenamt fit für die kommenden Jahre.“

Enorm hohe Rücklaufquote

Vorausgegangen war eine Befragung von Vereinen und Ehrenamtlern im Kreisgebiet, an der sich gut eintausend Personen beteiligt hatten, was einer Rücklaufquote von circa 92 Prozent entspricht, so Meyer.

Finanzen und Nachwuchs

Die Auswertung habe einen verstärkten Unterstützungsbedarf besonders bei der Motivation von Ehrenamtlichen sowie bei finanziellen Fördermöglichkeiten und Nachwuchsarbeit ergeben. Aspekte wie Social-Media-Präsenz und Internet spielten dabei eine eher untergeordnete Rolle. Offenbar sind viele Vereine hier bereits ausreichend präsent.

Über das Koordinierungszentrum seien in der Folge neue Impulse und Themen eingespeist worden, um sie einfach und schnell der Zielgruppe zur Verfügung zu stellen, heißt es aus dem Landratsamt. Im ersten Halbjahr 2023 sind bereits entsprechende Kursangebote eingestellt, weitere sollen demnächst folgen, kündigt Maurer an. Entweder in Präsenz oder als „Webinar“, teilweise auch im hybriden Format.

Darüber hinaus bedient der Kreis auch landesweite Angebote wie die Ehrenamts-Card, die auf Antrag über die Landkreise verteilt wird und sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreue. Karteninhaber genießen landesweit mehr als 1200 Vergünstigungen beim Besuch von öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie Veranstaltungen. Beantragen kann die E-Card jeder, der sich mindestens fünf Stunden pro Woche über einen Zeitraum von wenigstens zwei Jahre engagiert. Im Kreisgebiet gibt es laut Maurer derzeit über 700 Karteninhaber.

Barbara Meyer betont in diesem Kontext auch die Ehrenamts-Suchmaschine, die zu Jahresbeginn „upgedatet“ wurde und ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Koordinierungsstelle fällt. Da der Kreis Bergstraße als einziger Kreis in Hessen nicht über eine Freiwilligenagentur zur Vermittlung von Ehrenamtlichen verfüge, so Meyer, komme dieser Schaltstelle eine besondere Bedeutung zu.

Neue Qualifizierungsangebote

Steffen Maurer ergänzt, dass man durch das enge regionale Netzwerk ganz ähnlich einer solchen Freiwilligenbörse „im Rahmen unserer Möglichkeiten“ agieren könne. Vereine seien ausdrücklich aufgefordert, ihren Bedarf zu veröffentlichen (www.ehrenamtssuche-hessen.de), um Lücken schließen zu können.

Im laufenden Jahr soll das Portfolio des Koordinierungszentrums weiter ausgebaut werden. Weitere Qualifizierungsangebote und Ideen-Workshops in den Bereichen Sport und Kultur sind bereits geplant. Nach Abschluss des Förderprogramms zum dritten Quartal 2024 müssten die Kreisgremien entscheiden, ob und in welcher Form ein solches Projekt weitergeführt beziehungsweise finanziell unterstützt wird.

Freier Autor

Mehr zum Thema

Sterntaler Dehoga fordert Konsequenzen für die Bensheimer Drachenberge

Veröffentlicht
Mehr erfahren