Viernheim. Der Viernheimer Haushalt für kommendes Jahr ist nicht genehmigungsfähig – sofern ein Loch von zwei Millionen Euro nicht zu stopfen ist. Bürgermeister und Finanzdezernent Matthias Baaß (SPD) schlägt den Stadtverordneten deshalb die Erhöhung der Grundsteuer B von aktuell 620 auf 815 Punkte vor. Die Fraktionen haben jetzt Beratungsbedarf, intern sowie mit der Verwaltung. SPD-Fraktionschef Daniel Schäfer fasst die Situation im Gespräch mit dieser Redaktion wohl auch im Sinne aller Parlamentarier zusammen: „Das ist niederschmetternd.“
Zur Erinnerung: Der gerade zu Papier gebrachte Etat-Entwurf 2025 hatte bereits einen Fehlbetrag von 3,7 Millionen Euro ausgewiesen. Laut Baaß sei er jedoch genehmigungsfähig. Dann kamen die Einschläge: weniger Zuweisungen vom Land, höhere Kreis- und Schulumlage. Noch mal drei Millionen Miese. Damit war eine Genehmigung ausgeschlossen. Eine Million Euro hat die Verwaltung selbst gestemmt, etwa bei den Personalkosten. Bleiben zwei Millionen, die es zu kompensieren gilt. Deshalb der Vorschlag, die Grundsteuer B zu erhöhen.
Mit dem Hebesatz von bisher 620 Punkten zählte Viernheim bereits zu den Spitzenreitern unter den Kommunen im Kreis Bergstraße. Mit 815 Punkten setzt es sich weiter an die Spitze. Allerdings werden weitere Kommunen mit Steuererhöhungen nachziehen – sie trifft das gleiche Los.
SPD-Mann Schäfer beschreibt die Situation als niederschmetternd, obwohl Chefkämmerer Baaß bereits angedeutet hatte, dass der gerade vorgelegte Etat-Entwurf noch zerschossen werden könnte. Irgendwo müsse das Geld ja herkommen, so Schäfer. Und zwar nachhaltig, das heiße, auch in den kommenden Jahren. Die Kommune habe nur diese beiden Einnahmequellen: Grundsteuer und Gewerbesteuer.
Schäfer: Es darf keine Denkverbote geben
Seine Fraktion habe noch keine Entscheidung getroffen, die Beratungen würden fortgesetzt, so Schäfer. Denn eine derartig drastische Erhöhung der Grundsteuer B sei für sehr viele Leute ein Schlag. Wolle man den Fehlbetrag komplett durch Einsparungen ausgleichen, bedeute dies erhebliche Einschnitte, die die Bürger spürten.
„Wenn wir Leistungen derart zusammenkürzen, dann geht es wirklich ans Eingemachte.“ Dabei denkt er, dass Baaß und seine Fachleute bereits jeden Stein drei mal umgedreht haben. „Dennoch, es darf keine Denkverbote geben.“
Steuererhöhungen passen so gar nicht ins Programm der Unabhängigen Bürger Viernheim (UBV). „Nein“, sagt Fraktionschef Walter Benz, „aber wir haben noch keine Entscheidung getroffen. Und die Fraktion hat bestimmt auch keine Patentlösung.“ Es könne nicht angehen, dass den Kommunen immer weitere Aufgaben aufgebürdet würden, ohne sie zugleich entsprechend finanziell auszustatten. Benz nennt beispielshalber die Kinderbetreuung.
Seine Fraktion werde den Etat-Entwurf nun genau unter die Lupe nehmen und nach Einsparmöglichkeiten suchen. Manche Investition lasse sich vielleicht auf bessere Zeiten verschieben. „Der Kreisel an der Friedrich-Ebert- und der Wiesenstraße ist bestimmt nicht schön. Aber er funktioniert. Das kann noch eine Weile so bleiben. Aber natürlich kann man damit den Etat auch nicht retten.“ Man dürfe nicht so viel auf die Bürger abwälzen, sagt Benz. Es treffe schließlich nicht nur die Eigentümer von Immobilien, sondern auch Mieter, es würden schließlich Mieterhöhungen folgen.
Walter Benz ist enttäuscht von den übergeordneten Volksvertretern, besonders von denen im Kreistag. „Die Leute kommen doch aus den Kommunen. Sie wissen doch, wie schlecht sie finanziell dastehen“, erzürnt sich der UBV-Sprecher.
„Es wird Sie nicht überraschen – wir sehen das sehr kritisch“, erklärt Tobias Gieding, Vorsitzender der FDP-Fraktion. Eine Entscheidung ist auch hier noch nicht getroffen. Er bestreite nicht, dass die Kommunen strukturell unterfinanziert seien. Dennoch könne man den Steuerzahler nicht immer weiter belasten. „Zumal wir sensationell hohe Einnahmen haben. Wir haben ein enorm hohes Steueraufkommen und keinen Einbruch auf diesem Sektor.“ Gieding sieht ein Problem auf der Ausgabenseite. Auch er nennt exemplarisch die Kinderbetreuung. Wie berichtet kostet die Stadt dieser Bereich inzwischen fast 15 Millionen Euro im Jahr. Der FDP-Fraktionschef empfiehlt den Kommunen, in Wiesbaden ein deutliches Zeichen zu setzen.
Pfenning: Baaß’ Vorschlag war zunächst ein Schock
Als der Bürgermeister dem Haupt- und Finanzausschuss seinen Vorschlag vorgestellt hat, war das für Astrid Pfenning „ein Schock“. Für die Fraktionschefin der Grünen kam das „vollkommen unvermittelt“. Nun gelte es, den Entwurf gründlich zu prüfen. Aber auch die Stadtverwaltung müsse Stellung zu der Frage beziehen, ob wirklich alle Mittel ausgeschöpft sind. Astrid Pfenning betont, dass es sich zunächst um ihre persönliche Einschätzung handle, die Fraktion würde noch beraten.
Von der Spitze der CDU-Fraktion war trotz zahlreicher Versuche niemand zu erreichen. /ü
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