Landsmannschaft Schlesien - Kreisvorsitzender Winfried Labatzke erhielt die höchste Auszeichnung, die Vereinigung zu vergeben hat

Die Suche nach jüngeren Nachfolgern treibt ihn um

Von 
Brigitte Zimmermann-Petrullat
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Hohe Auszeichnung für Winfried Labatzke.

© Zimmermann-Petrullat

Bergstraße. Mit der Verleihung des "Schlesischen Adlers" wurde Winfried Labatzke, Bergsträßer Kreisvorsitzender der Landsmannschaft der Schlesier, von Vertretern der Bundes- und Landesebene überrascht. Das Schlesierkreuz ist die höchste Auszeichnung, die die Landsmannschaft Schlesien in Deutschland zu vergeben hat. Wir sprachen mit dem Geehrten.

Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Winfried Labatzke: Es ist die außergewöhnlichste Auszeichnung, die innerhalb der Landsmannschaft der Schlesier verliehen werden kann. Und es ist mir eine große Ehre.

Was hat Sie anfangs bewegt, sich bei der Landsmannschaft zu engagieren?

Labatzke: Ich bin erst jenseits der 55 dazu gekommen, weil ich die Fakten über die Vertreibung kannte, das unvorstellbare Leid, das uns bis ans Ende des Lebens begleitet. Mein Vorgänger hieß Rudolf Pradler aus Fürth, der lange in Lorsch als Förster im Einsatz war. Er hat mich geworben.

Wie lange sind Sie ehrenamtlich für die Vertriebenen aktiv?

Labatzke: Seit dem 1. Juli 1998 bin ich Mitglied und seit dem 22. März 2003 bin ich Kreisvorsitzender.

Welche Ziele stehen hinter Ihrem Engagement?

Labatzke: Die sozial-kulturelle Aufgabe der Verankerung der Schlesier im Kreis Bergstraße sowie den angrenzenden Regionen in Nordbaden und Rheinland-Pfalz. Ich will den Schlesiern eine geistige Heimat geben - unabhängig davon, ob sie sich in einer Landsmannschaft organisieren oder nicht.

Welche besonderen Herausforderungen haben Sie in Ihrer Amtszeit gemeistert?

Labatzke: Die Aufrechterhaltung der Patenschaft mit Breitenmarkt - zu Oberschlesiern in Polen, die wegen besonderer Fachkenntnisse 1945 ihre Heimat nicht verlassen mussten. Sie durften bis 1990 ihre deutsche Muttersprache nicht benutzen. Wir treffen uns mit ihnen und spenden dafür, dass ihren Enkeln wieder Deutschunterricht erteilt wird.

Wie ist die Mitgliederentwicklung im Kreis Bergstraße?

Labatzke: Auch wenn wir die größte Gruppe in Hessen sind, ist der Trend nicht erfreulich. Es sterben mehr weg, als neue Mitglieder hinzugenommen werden. Wir überlegen, wie wir die Nachfolgegenerationen erreichen.

Welche Erlebnisse haben Sie nachhaltig beeindruckt?

Labatzke: Die Beerdigung von Victor Kik, Ehrenbürger von Breitenmarkt. Sowohl Polen als auch Oberschlesier haben Seite an Seite getrauert. Zusammen mit Bernhard Gaide, dem Vorsitzenden der gesamten deutschen Minderheit in Polen durfte ich auf Geheiß des polnischen Pfarrers den Breitenmarkter Patenschaftsbegründer würdigen. Unser jüngstes Mitglied und Kassenwart Christian Midzielski, geboren in Gleiwitz, begleitete mich. Breitenmarkt wird zu 80 Prozent von Deutschen bewohnt und dürfte daher ein zweisprachiges Ortsschild führen.

Wie ist Ihre Familie durch Ihr Engagement tangiert?

Labatzke: Meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder: Alle unterstützen mich - bei der Bewirtung, beim Versand von Artikeln per E-Mail. Meine Frau schreibt alles für mich. Ohne sie könnte ich die Arbeit nicht machen.

Was wünschen Sie sich für Ihre persönliche Zukunft und für die Vertriebenenorganisationen?

Labatzke: Ich wünsche mir persönlich, dass ich innerhalb meiner verbleibenden Zeit eine gute Nachfolgeregelung finde. Und ich freue mich, mit meiner Tochter Anja, mit dem 40 Jahre alten Kreiskassenwart Christian Midzielski aus Bürstadt und seiner Frau Violetta heute schon junge Leute dabei gehabt zu haben, die vielleicht gemeinsam mit anderen im späteren Alter - so wie wir - in verschiedene Aufgaben hineinwachsen könnten. Der Schlesischen Landsmannschaft wünsche ich, dass deren Hauptanliegen - das Recht auf Heimat und Eigentum - auf friedlichem Wege für die betroffenen Schlesier verbindlich durch die Regierungen geregelt werden. Und weiterhin: Dass der Jugend schulisch die Fakten der Geschichte vermittelt werden.

Verleger Großpietsch will zum Vertreibungselend der Schlesier nicht mehr schweigen

Winfried Labatzke, Kreisvorsitzender der Landsmannschaft der Schlesier im Kreis Bergstraße, begrüßte bei der Auftaktveranstaltung ins Jubiläumsjahr als Referenten den Verleger Peter Großpietsch (Bild: Funck), "einen profunden Kenner, der uns am Beispiel der Heimatvertriebenen aus der Grafschaft Glatz das Thema 70 Jahre Vertreibung beleuchtet."

Großpietsch präsentierte kurz die Grafschaft als Bergland mit Bäderlandschaft, Wallfahrts- und Wintersportorten. Bereits Friedrich der Große suchte 1765 Heilung seiner Gichtbeschwerden in Bad Landeck. Im Jahr 1939 wohnten in der Grafschaft 182 000 Menschen; 1946/47 wurden 181 000 davon vertrieben. "Die allerwenigsten von uns, die wir Kinder der Vertreibung waren und sind, haben sich bisher gegenüber den eigenen Familien und der Öffentlichkeit in aller Brutalität des Erlebten mitgeteilt", so Großpietsch.

Bis zum heutigen Tage habe sich niemand in Deutschland offiziell für diese Traumata interessiert. "Wir hörten Frauen um Hilfe schreien. Mitunter auch unsere Mütter. Und keiner durfte helfen. Wir haben bis heute geschwiegen. Unser Vertreibungselend und die Zeit danach fallen auch gelegentlich heute noch unter die politische Korrektheit. Mein Empfinden dazu: Hier herrscht angeordneter deutscher Gedächtnisverlust. Deshalb will ich nicht mehr schweigen", so der Verleger des "Grafschafter Boten", der auflagenstärksten Zeitung der deutschen Heimatvertriebenen.

Mit der Zeitung und dem 1953 gegründeten Verein "Zentralstelle Grafschaft Glatz/Schlesien" sieht er eine Chance, die Erinnerung wachzuhalten und den Kontakt zur alten Heimat zu pflegen. Für Großpietsch ist es eine Herzensangelegenheit, den Stammeszusammenhalt der Schlesier - und damit Kultur, Tradition, Geschichte als Erbe der deutschen Grafschaft Glatz in Schlesien - zu wahren und fortzuentwickeln.

Dieses "Fortentwickeln" wird durch die Gründung der "Stiftung Grafschaft Glatz/Schlesien" in Ankum gesichert. Zahlreiche Zustiftungen und Spenden ermöglichen eine öffentlichkeitswirksame Arbeit, unter anderem die Ausweitung und Pflege des umfangreichen, 300 Quadratmeter großen Archivs einer 700 Jahre alten Geschichte. bzp

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