Bergstraße. Seit März zeigt der Zweckverband Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB) jenen Kunden die Rote Karte, die ihren Biomüll nicht sorgsam trennen. Braune Tonnen, die nicht-organische Fremdstoffe enthalten, werden nicht mehr geleert und müssen nachsortiert oder gegen eine gesonderte Gebühr als Restabfall entsorgt werden – ein Sanktionssystem, das den Kunden zu einer gewissenhafteren Entsorgungsmentalität erziehen soll. Und es scheint zu wirken.
Nach Angaben der Geschäftsführung hat sich das elektronische Detektionssystem an den Fahrzeugen bereits gut bewährt. Wenngleich es derzeit noch zu früh für eine abschließende Beurteilung sei, erkennt der ZAKB eindeutig einen positiven Trend, so Sascha Bocksnick bei der Jahresbilanz am Standort Hüttenfeld. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Qualität der Bioabfälle langfristig verbessern können.“
Vorausblicken
Zu seinem 20. Jubiläum veranstaltet der Zweckverband am Sonntag, 3. Juli, von 10 bis 16 Uhr einen Tag der offenen Tür im Energiepark Hüttenfeld. Angekündigt sind Führungen, Info-Stände und Mitmach-Aktionen sowie ein Blick hinter die Kulissen der Abfallwirtschaft im Kreis Bergstraße. Als kommunaler Entsorger sammelt, verwertet und beseitigt der ZAKB alle Abfälle aus privaten Haushalten im Kreis Bergstraße. Gemeinsam mit seiner Tochtergesellschaft, der Energie- und Dienstleistungs-GmbH, beschäftigt er rund 240 Mitarbeiter. tr
Positiver Trend
Seit vielen Jahren hat der Verband auf das Problem hingewiesen und betont, dass Verpackungen, Glas und Batterien in den braunen Tonnen nichts zu suchen haben. Dadurch werde die Weiterverarbeitung der Abfälle und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben enorm erschwert – und der gesamte Prozess letztlich teurer. Mittelfristig würde das auch der Gebührenzahler zu spüren bekommen.
Parallel zur Aufklärungsarbeit, die wenig gefruchtet hat, wurden daher im Sommer 2021 die Sammelfahrzeuge mit Scannern ausgestattet. Nach einer Verwarnphase ab August, in der die Behälter trotz falscher Befüllung noch einmal geleert und Betroffene für eine korrekte Abfalltrennung sensibilisiert wurden, läuft seit März der Regelbetrieb. Laut Bocksnick rangiert der Anteil der Fremdstoffe durchschnittlich aktuell bei etwa acht Prozent. In der vorangegangenen „gelben Phase“ waren es circa 9,5 Prozent.
Weiter wachsen
Die Verbandsfamilie des Zweckverbands Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße wächst weiter:
Zum 1. Januar des kommenden Jahres wird Wald-Michelbach neues Mitglied. Die Verbandsversammlung hatte dies im vergangenen Jahr einstimmig beschlossen.
Damit gehören bald 22 Städte und Gemeinden zum Verband.
Die Stadt Hirschhorn als letzte verbleibende Kommune im Bergsträßer Kreisgebiet außerhalb des ZAKB hat noch nicht final entschieden, ob sie dem Verband beitreten will. tr
Landrat und ZAKB-Verbandsvorsitzender Christian Engelhardt beurteilt den Trend positiv. Nur bei richtigem Trennen könnten Abfälle verwertet und Wertstoffe wiederverwendet werden. Die erfreuliche Tendenz beim Bioabfall zeige, dass die meisten Bürger Verständnis für die Maßnahme hätten. Auch Geschäftsführer Bocksnick hätte mit mehr Kritik gerechnet: Doch die Mehrzahl der Kunden, die eine Rote Karte sehen, reagiere mit Einsicht auf die abfallwirtschaftliche Abmahnstrategie. In Mehrfamilienhäusern mit falsch befüllten Biotonnen wird sich der ZAKB an die Hausverwaltung wenden. Bei andauernden Verstößen wären steigende Mietnebenkosten die Folge.
Rückwärtsfahren
Das Rückwärtsfahrverbot in engen Straßen begleitet den Zweckverband Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße seit mehreren Jahren.
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat eine Branchenregelung erlassen, nach der das Zurücksetzen etwa in engen Stichstraßen aus Sicherheitsgründen nach Möglichkeit zu vermeiden ist.
Der Verband meldet nun, dass von 1100 überprüften Straßen 530 nicht länger rückwärts befahren werden dürfen. Davon können aber rund ein Drittel durch spezielle Engstellenfahrzeuge angesteuert werden.
Die jeweilige Abfuhrlogistik in den anderen Straßen müsse man dem Bergsträßer Zweckverband zufolge zusammen mit den Städten und Gemeinden organisieren, um die Vorgaben zu erfüllen und dennoch alle Müllbehälter erfassen zu können.
Als letzte Möglichkeit nennt der ZAKB zudem Sammelplätze für ganze Straßenzüge oder einen individuell buchbaren Abholservice über den Verband oder andere Dienstleister. tr
2,5 Millionen Euro Überschuss
Große Abfallmengen, hohe Nachfrage in den Wertstoffhöfen, umfangreicher Gesundheitsschutz: Trotz etlicher Herausforderungen seit Beginn der Pandemie sei es gelungen, die Entsorgung im Kreis als Teil der kritischen Infrastruktur durch ein verlässliches Entsorgungsangebot sicherzustellen“, so Bocksnick.
Aber auch wirtschaftlich verlief das vergangene Geschäftsjahr erfolgreich: Für 2021 legte der Zweckverband einen Jahresüberschuss von rund 2,5 Millionen Euro vor. Neben der stetigen Optimierung von Prozessen bei der Abfuhr, in der Verwaltung und in den verbandseigenen Anlagen hatte sich besonders ein stark gestiegener Papierpreis – aktuell 220 Euro pro Tonne – an den Rohstoffmärkten positiv auf das Ergebnis ausgewirkt, so der zweite Geschäftsführer Jonas Thiede, der mit Bocksnick seit Herbst vergangenen Jahres eine Doppelspitze bildet. In diesem Segment sei die Dynamik am Markt momentan besonders hoch. Allerdings macht sich die Volatilität auch in negativer Richtung bemerkbar, die Preise können schnell in den Keller sacken. Perspektivische Prognosen über die weitere Preisentwicklung seien daher äußerst schwierig. Die Abfallmengen seien insgesamt relativ konstant.
Weichen stellen
Die Konzentration auf erneuerbare Energien über die Nutzung von Photovoltaik, Biogas oder Biomasse vor rund zehn Jahren sei rückblickend eine richtige Entscheidung, so Sascha Bocksnick.
Der Verband prüft aber auch alternative Energien für seine Flotte, die derzeit 49 Fahrzeuge umfasst. Neben Biodiesel seien auch Wasserstoff und Elektroantriebe denkbar.
Im Flächenlandkreis sei der Mobilitätsradius der Entsorgungsfahrzeuge allerdings ein zentraler Faktor, so die Geschäftsführung. tr
Steigende Energiekosten
Auf der anderen Seite muss der ZAKB aber auch tiefer in die Kasse greifen: Zu den massiven Kostentreibern gehören die steigenden Energie- und Dieselpreise. Weil der Verband im vergangenen Jahr seine Touren aufgrund der Pandemie anders planen musste, kamen 150 000 Euro an zusätzlichen Dieselkosten hinzu. Der Krieg gegen die Ukraine und die wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Russland haben die Situation zusätzlich verschärft. Und auch Nutzfahrzeuge, Abfallbehälter und Dienstleistungen wurden teurer, teilweise um über 30 Prozent, heißt es aus dem Verband. Ähnliche Preissteigerungen werden bei den demnächst neu auszuhandelnden Entsorgungsverträgen für Abfälle erwartet. Hinzu kommen Lieferengpässe in vielen Bereichen der Wirtschaft, die weitere negative finanzielle Folgen mit sich bringen, so Thiede weiter.
Diese Faktoren und die finanziellen Rücklagen fließen in die nächste Gebührenkalkulation des ZAKB mit ein. Ob die Abfallgebühren wie in den vergangenen vier Jahren stabil bleiben, lasse sich derzeit noch nicht sagen, so die Verbandsspitze.
Nach Angaben von Christian Engelhardt sollen die Rücklagen als Puffer dienen, damit sich in Zeiten steigender Betriebs- und Rohstoffpreise und einer wachsenden Inflation die erhöhten Kosten nicht gleich auf die Gebühren auswirken. Die Kunden würde das freuen.
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