Arbeiterwohlfahrt

Die Krise wird auch in der Kita spürbar

Der Bundespräsident der Vereinigung war zu Besuch im Bensheimer Stubenwald / Armutsanstieg verhindern

Von 
Thomas Tritsch
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Michael Groß, Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (links), traf sich in Bensheim an der Kita Stubenwald zum Gespräch mit (von links) Sebastian Parker, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt im Kreis Bergstraße, Kita-Leiterin Sina Struck und Ludwig Kern, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Bergstraße. © Thomas Zelinger

Bergstraße. Der Präsidiumsvorsitzende des Arbeiterwohlfahrt-Bundesverbandes besucht zurzeit deutschlandweit Einrichtungen der Organisation, um sich ein Bild über die Situation vor Ort zu machen. Ein Fokus liegt auf dem Thema Armut. Michael Groß machte auch an der Bergstraße Station, wo er unter anderem die Schuldnerberatung sowie die Kinder- und Jugendhilfe des Kreisverbands und die Kleiderkammer der Arbeiterwohlfahrt Lampertheim besucht hat.

In der Kita Stubenwald in Bensheim ist das Thema Armut nicht akut, wie Groß von der stellvertretenden Leiterin Sina Struck erfahren hat. Die Einrichtung unter der Trägerschaft des Wohlfahrtsverbands liegt mitten im Gewerbegebiet Campus Stubenwald. Firmen aus Bensheim haben die Möglichkeit, sich mit einer monatlichen Miete Belegplätze für ihre Mitarbeiter zu sichern. In der Regel sind beide Elternteile berufstätig. Die 111 Plätze sind auf sechs Gruppen in zwei Häusern verteilt und werden von insgesamt 35 Mitarbeitern pädagogisch betreut.

Allerdings mache sich die aktuelle Krise auch in der Kita bemerkbar, so Sina Struck. Und dies weniger in der Sorge um den Arbeitsplatz als um die Bewältigung des normalen Alltags angesichts stark wachsender Preise für Wohnen, Mobilität und Lebensmittel – eine Entwicklung, die auch das Management in der Einrichtung betrifft; zum Beispiel am Frühstücksbuffet oder beim Mittagessen. Es sei nicht auszuschließen, dass der höhere Kostenaufwand sich auf die Kita-Gebühren auswirken wird. Auch bei der Einstellung neuer Mitarbeiter sei die Fahrstrecke zur Arbeit aufgrund hoher Spritpreise mittlerweile ein Kriterium geworden. Die stellvertretende Leiterin geht davon aus, dass sich das Ausmaß der Krise erst im kommenden Jahr zeigen wird.

Steigende Benzinkosten

Das sieht der Geschäftsführer des Kreisverbands Bergstraße in der Arbeiterwohlfahrt ähnlich: Sebastian Parker verweist auf die vielen ambulanten Leistungen seiner Organisation und die damit einhergehenden Benzinkosten. Auch Dienste, die der Verband komplett aus eigenen Mitteln finanzieren müsse – etwa ohne die Hilfe von Kommunen –, seien von der aktuellen Krise stärker betroffen.

Hinzu kommt, dass die Pandemie den Mangel an Fachkräften in den Bereichen Kinderbetreuung, Pflege und Sozialpädagogik erheblich verschärft habe. Zu den wachsenden Energiekosten kommen die neu ausgehandelten Gehälter, denn die Tarife im öffentlichen Dienst (TVöD) werden ab Dezember nach oben angepasst. „Als Träger beobachten wir das natürlich sehr genau“, so Parker in Bensheim.

Im Gespräch mit Parker und dem Vorsitzenden des Kreisverbands, Ludwig Kern, äußerte der Bundespräsident der Arbeiterwohlfahrt seine Sorge um eine gesellschaftliche Abwärtsspirale für jene, die bereits vor der Krise über wenig Geld verfügten. „Ein Aufstieg in ein höheres soziales Niveau bleibt in Deutschland nahezu unmöglich“, so Michael Groß. Der Blick in die Arbeit der Schuldnerberatung zeige außerdem, dass die Altersarmut weiter massiv zunehmen werde. Der Bundesverband setze sich für eine effektive und nachhaltige Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Altersarmut ein. „Fest steht, dass dies nur durch frühzeitige, vorbeugende Maßnahmen verhindert werden kann.“

Schon heute müssten rund sieben Millionen Menschen mit einem Einkommen von unter 2000 Euro auskommen, sagte Groß. Er erkennt einen erheblichen Nachbesserungsbedarf beim Entlastungspaket des Bundes. Die Arbeiterwohlfahrt unterstütze zentrale Forderungen nach einem dritten Entlastungspaket, so der SPD-Politiker, der bis 2021 ein Bundestagsmandat hatte.

„Gaspreise deckeln“

Angesichts der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstandenen Marktsituation mit einer drohenden weiteren Explosion der Gas- und Energiepreise fordert die Arbeiterwohlfahrt die Bundesregierung außerdem auf, Maßnahmen einzuleiten, dass nicht noch mehr Menschen in Deutschland in die Armut rutschen. Berlin müsse den Bürgern Sicherheit geben und die Gaspreise auf einem noch bezahlbaren Niveau deckeln.

Die hohen Energiepreise führen laut Groß bereits heute zu großen finanziellen Schwierigkeiten bei Menschen in allen Altersklassen. Auch Einrichtungen wie Pflegeheime oder Kindertagesstätten stellen die Preissteigerungen vor Herausforderungen. „Einen Anstieg von Armut in unserem Land können und wollen wir uns aber nicht leisten“.

Auch Ludwig Kern beobachtet die Situation mit Sorge. „Die soziale Schere in Deutschland klafft weit auseinander, dies wird durch den Krieg in Osteuropa und seine internationalen Auswirkungen noch verschärft.“

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