Bergstraße. Am 9. Dezember wurde der Vertrag unterschrieben. Die Tinte ist längst trocken, und auch das Programm steht. Ab 15. Juli wird der Kurmainzer Amtshof endlich wieder zur Bühne. Nach zwei Jahren Pause steht den Festspielen Heppenheim ein großer Neustart ins Haus. Regie übernimmt die Schauspielerin und Regisseurin Iris Stromberger. Seit 2018 führt sie erfolgreich TheaterLust in Darmstadt, das mit einem eigenen Ensemble und werkgetreuen Inszenierungen von Komödien anspruchsvolle Unterhaltung bietet.
Die Tochter des Schauspielers, Regisseurs und Drehbuchautors Robert Stromberger („Die Unverbesserlichen“, „Diese Drombuschs“) hat als Regisseurin seit den 1990er Jahren zahlreiche Theaterstücke inszeniert und ist zudem als Chanson-Sängerin und Autorin tätig. Zuletzt hat sie unter anderem „Loriots gesammelte Werke“, „Zum Lachen in die Kammer“ und „Ein seltsames Paar“ für das Staatstheater Darmstadt inszeniert.
Unterstützt wird die neue Intendantin in Heppenheim von ihrem Ehemann Ingo Schöpp, der die Festspiele als Verwaltungsdirektor führt und unter anderem auch für den Bühnenbau zuständig ist. Mit zum Ensemble gehören außerdem ihr Sohn Fabian Stromberger und dessen Frau Elinor, die man beide aus Theater-, Film- und Fernsehrollen kennt.
Frau Stromberger, Sie kommen als neue Chefin und Regisseurin nach Heppenheim, haben bei den Festspielen aber auch schon als Schauspielerin auf der Bühne gestanden.
Iris Stromberger: Ja, das ist lange her. Ich habe 1991 in der Inszenierung „Es begann in Pavia“ mitgespielt. Noch unter der Regie von Hans Richter, dem es aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr gut ging. Seine Assistentin hat ihm damals schon viel Arbeit abgenommen. Im Folgejahr hat er sich dann aus dem Theaterbetrieb zurückgezogen.
Was verbinden Sie persönlich mit dem Theater im Amtshof?
Stromberger: Ich habe natürlich auch als Gast etliche Inszenierungen miterlebt. Und ich schätze die wunderbare Atmosphäre in diesem historischen Ambiente sehr. Das Publikum erlebt hier Theater in einer ganz besonderen Unmittelbarkeit. Die Nähe zur Bühne und der gesamte ungezwungen-legere Rahmen erinnern an die Urform des Theaters, als man noch mit dem Thespiskarren übers Land gezogen ist und aus Holzfässern und Brettern eine einfache Wanderbühne aufgebaut hat. Es ist eine Besinnung auf das einfache Grundgerüst des Schauspiels, die in Heppenheim schon immer spürbar war. Ein ganz besonderer Reiz für Publikum wie für die Akteure auf und hinter der Bühne.
Dennoch ging es mit dem Hoftheater in den vergangenen zehn Jahren sukzessive bergab: die unglückliche Liaison mit importierten Inszenierungen der Hamburger Kammerspiele ab 2016, der Rückzug von Sabine Richter 2018, und zuletzt die Insolvenz der Festspielgesellschaft im Zuge der Pandemie. Wie haben Sie die letzten Jahre aus der Distanz wahrgenommen?
Stromberger: Die Kammerspiele machen sicherlich gutes Theater. Aber das Konzept, für Hamburg produzierte Stücke an die Bergstraße zu transportieren, hat nicht wirklich funktioniert. Es gab in Heppenheim exklusiv keine für die Festspiele inszenierten Premieren mehr. Das hat das Selbstverständnis der Festspiele auch in den Augen des Publikums doch sehr stark beeinflusst. Am Ende hat einfach der „Wumms“ gefehlt, dieses Saftige und Sinnliche, was in diese sehr gesellige Weinregion passt und auch vom Zuschauer erwartet wird. Genau das wollen wir wieder neu erschaffen.
Aber die Stücke für den Sommer 2022 stammen doch von Ihrem Darmstädter Ensemble, sind also ebenfalls vorproduziert.
Stromberger: Das stimmt nur bedingt. Wir wollten die Komödie „Cash“ schon im Frühjahr 2020 spielen, mussten die Premiere aufgrund von Corona verschieben. Als wir dann wussten, dass wir die Festspiele übernehmen würden, haben wir die Premiere in Darmstadt abgesagt. Die Rakete wird erstmals in Heppenheim gezündet, im Amtshof gibt es also nicht nur die Rauchfahnen zu sehen. Das ist bei Zuckmayers Weinberg nicht anders.
„Der fröhliche Weinberg“ wurde 2014 erstmals in Heppenheim gezeigt. Man hätte das durchaus früher erwartet.
Stromberger: Ich liebe dieses Stück! Und es passt bestens nach Heppenheim. Dieser Zuckmayer hat genau den „Wumms“, den ich meine. Ich meine damit noch nicht einmal die Vielzahl dieser so genau gezeichneten Figuren, es sind ja immerhin 20 Charaktere. Allein das Sujet ist perfekt für die Festspiele, diese ganze Fülle und Vielfalt des Lebens, die da auf der Bühne pulsiert. Es ist ja auch kein rein intellektuelles Stück – es geht um Liebe und Gefühle, um menschliche Schwächen und Konflikte. Das könnte auch gut in einem Heppenheimer Weingut spielen (lacht). Diese sinnliche Komponente verbinde ich zum Beispiel auch mit dem „Zerbrochenen Krug“.
…der bereits für 2023 geplant ist. Erstmals 1979 im Amtshof aufgeführt.
Stromberger: Es gibt so wenige exzellente deutsche Komödien, und diese gehört zweifelsohne dazu. 2001 war das Stück zuletzt in Heppenheim zu sehen. Als ich Uli Pleßmann aus Berlin für den Gunderloch im „Fröhlichen Weinberg“ besetzt habe, dachte ich sofort: Das ist mein Dorfrichter Adam. Das war einer dieser Momente, bei dem Schauspieler und Rolle sofort eine Einheit bilden. Wunderbar!
Wo wird eigentlich geprobt? Der Amtshof ist noch immer eine Baustelle.
Stromberger: Wir haben eine geeignete Halle gesucht und mit Hilfe der Stadt Heppenheim im nahen Ortsteil Erbach gefunden. Dort können wir das Bühnenbild vom „Fröhlichen Weinberg“ aufbauen. Start ist Mitte Mai. Die letzten Proben werden vor Ort im Amtshof stattfinden. Für „Cash“ starten die Vorbereitungen bereits im Februar in unserem Darmstädter Theatersaal.
Zumindest im ersten Jahr wird das Publikum im Amtshof allerdings ohne das gewohnte Zeltdach auskommen müssen.
Stromberger: Leider ist das Dach nach so vielen Auf- und Abbauten nicht mehr zu verwenden. Uns ist aber bewusst, dass eine Überdachung für den Zuschauer durchaus ein Kriterium ist. Bis zur ersten Spielzeit im Sommer ist eine Alternative aber nicht realisierbar. Später wird es eine Lösung geben.
Wie wird der Amtshof möbliert sein? Sind Biertische noch zeitgemäß?
Stromberger: Ein heikler Punkt, über den wir lange nachgedacht haben Es wird weiße Bänke geben, alle mit Lehne und Sitzauflage. Also deutlich bequemer als bislang. Zudem werden die Bänke und Tische längs zur Bühne angeordnet, so dass es nicht wie in einem Hörsaal aussieht. Außerdem haben wir uns gegen eine Tribünenbestuhlung entschieden. Ein so wuchtiger Fremdkörper würde diesem historischen Ort atmosphärisch nicht gut tun.
Wie viele Zuschauer sind maximal möglich?
Stromberger: Wir können 340 Plätze anbieten. Das sind deutlich weniger als früher, weil die Empore nicht mehr zur Verfügung steht.
Und es bleibt bei Bergsträßer Wein und Laugengebäck?
Stromberger: Die Winzergenossenschaft wird wieder dabei sein, eventuell kommen noch weitere regionale Winzer dazu. Wir führen derzeit noch Gespräche mit einem lokalen Gastronomen. Von Anfang an war klar, dass wir Heppenheimer Betriebe mit ins Boot holen wollen. Das kulinarische Angebot soll etwas erweitert und vielleicht auch dem jeweiligen Theaterstück angepasst werden.
Neben den beiden Inszenierungen gibt es zwei Mal Musik und zwei Soloabende mit Walter Renneisen sowie drei Mal die Komödie „Kunst“ von Yasmina Reza und ein Chansonprogramm.
Stromberger: Bei einem Neustart muss Walter Renneisen einfach dabei sein. Ich kenne ihn lange, wir standen schon gemeinsam auf der Bühne. Walter wird sein Programm „Deutschland Deine Hessen“ präsentieren und außerdem das Konzert von Sigi ’s Jazz Men moderieren, mit denen er seit 65 Jahren eng befreundet ist.
Ein anderer Name, der früher fast schon symbolisch für die Festspiele stand, lautet „Jedermann“. Hugo von Hoffmannsthals Tragödie war 1974 das Eröffnungsstück vor dem „Dom der Bergstraße“ und wurde in den ersten Jahren immer wieder gespielt. Ist hier ein Comeback denkbar?
Stromberger: Ein ganz klares Ja! Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Die Idee ist auf jeden Fall im Kopf. Der Platz vor der Pfarrkirche ist brillant für dieses Stück. Wir können uns das vorstellen.
Wird es einen Schirmherrn geben, der die Festspiele begleitet?
Stromberger: Helmut Markwort hat längst zugesagt. Er ist Darmstädter, Medienprofi und ein großer Freund des Theaters. Mit ihm habe ich schon vor vielen Jahren im „Datterich“ auf der Bühne gestanden.
Die Pandemie führt weiterhin Regie im Kulturbetrieb. Wie hoch schätzen Sie das wirtschaftliche Risiko ein?
Stromberger: Wir wollen wie gesagt mit den Proben für „Cash“ Mitte Februar beginnen. Die Ungewissheit der kommenden Monate kann problematisch werden. Das hängt jetzt vom Vorverkauf ab. Letztlich entscheidet Corona alles. Wir hoffen das Beste.
Haben Sie eine Notvariante in petto? So etwas wie „Festspiele light“?
Stromberger: Die entscheidenden Punkte sind sicherlich nicht die Kapazitäten im Amtshof oder die Anordnung der Zuschauer. Als Freilichtveranstaltung genießen wir ohnehin einen großen Vorteil in diesen Zeiten. Zudem können wir den Theaterbetrieb im Sommer nach den dann gültigen Corona-Regeln bestimmt sehr flüssig organisieren. Wichtiger ist der Vorverkauf. Wir müssen wissen, mit wie vielen Gästen wir rechnen dürfen, um wirtschaftlich agieren zu können. Doch die Menschen sind momentan verunsichert und haben Angst. Genau darin liegt das größte Risiko der Festspiele 2022. Aber noch bin ich optimistisch. Ohne eine chronische Zuversicht wäre ich in dieser Branche ohnehin fehl am Platz.
Das Programm
Mit dem Lustspiel „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer starten die Heppenheimer Festspiele am 15. Juli mit einem deutschen Lustspielklassiker.
Das zweite Stück ist eine komödiantische Farce von Michael Cooney mit dem Titel „Cash – und ewig rauschen die Gelder“. Premiere im Amtshof ist am 22. Juli.
Am 19. und 21. Juli wird Walter Renneisen beide Teile seines Soloprogramms „Deutschland, Deine Hessen“ präsentieren.
Die Formation „Sigi`s Jazz Men“ gastiert am 20. Juli. „Kleine Zwischenfälle – 7½ Begegnungen mit der Liebe“, heißt der szenische Liederabend mit Elinor Stromberger am 15. August.
Das A-Capella-Quartett Basta hat sich für den 22. August angekündigt.
Der Vorverkauf hat bereits begonnen – unter anderem im Medienhaus in Bensheim (Kartentelefon 06251 / 1008-16). tr
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