Personalie

Der Weinheimer Hermannshof ist jetzt nur noch ein „Schaugarten“

Der Trägerverein der Einrichtung hat dem langjährigen Leiter Professor Cassian Schmidt gekündigt / Was zu den Hintergründen bisher bekannt ist.

Von 
Jürgen Drawitsch
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Auch während der Pandemie suchte Prof. Cassian Schmidt neben seiner wissenschaftlichen Arbeit zum Thema Stauden nach Lösungen für die Öffnung des Hermannshofs. Dem Leiter wurde gekündigt. © Thomas Rittelmann

Weinheim. Am 1. September hätte Professor Cassian Schmidt 25-jähriges Jubiläum feiern können. Im Jahr 1998 übernahm er die Leitung des Hermannshofs, der unter seiner Führung seine Bedeutung als Besuchermagnet mit Erholungswert sowie als Mekka der Pflanzenverwendung ausbaute. Das Jubiläum wird es nicht geben. Cassian Schmidt wurde bereits im März vom Trägerverein des Hermannshofs betriebsbedingt gekündigt. Die Kündigung beschäftigt noch das Arbeitsgericht. Deshalb möchte sich Schmidt zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht öffentlich dazu äußern.

Während im Hermannshof die Tulpenblüte wieder Tausende Besucher anlockte und sich der Kalender mit Anfragen für Führungen füllte, deren Zahl im Sog der Bundesgartenschau in Mannheim sprunghaft anstieg, trennte man sich in Weinheim von einem der führenden Staudenfachleute in Deutschland. „Das ist ein großer Verlust für die Fachwelt und die interessierte Bevölkerung“, sagt Michael Moll, der Vorsitzende des Bundes deutscher Staudengärtner.

Vorstand kümmert sich

„Der Trägerverein Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof hat entschieden, den Fokus der Parkanlage stärker in Richtung Nutzwert für die breite Öffentlichkeit zu verschieben, und will dafür wissenschaftliche Tätigkeiten reduzieren. Aus diesem Grund entfällt künftig die Stelle des wissenschaftlichen Leiters“, begründet Vereinsvorsitzender Thorsten Baege den für die Öffentlichkeit überraschenden Schritt. Der Vorstand kümmere sich um die verbleibenden Belange des Gartens.

Weiterhin kostenloser Eintritt

„Der Hermannshof wird auch zukünftig ganzjährig für die Allgemeinheit und interessiertes Fachpublikum kostenlos zugänglich sein und die Besucher mit seiner vielfältigen Pflanzenwelt erfreuen. Die Unternehmensgruppe Freudenberg und die Stadt Weinheim werden den Verein und damit den Erhalt des Gartens weiterhin mit finanziellen Mitteln unterstützen und so dauerhaft als touristische Attraktion in Weinheim sichern. Die Parkanlage bleibt in der bestehenden Form erhalten“, sagt Thorsten Baege. Ein Nachfolger für Schmidt sei nicht geplant, die Kündigung mit der Stadt Weinheim abgestimmt gewesen.

Die Stadt Weinheim bezuschusst den Hermannshof seit vielen Jahren. Der Zuschuss erhöhte sich von 88 000 Euro im Jahr 2012 auf aktuell 100 000 Euro. Das entspricht laut Homepage des Gartens rund 20 Prozent der Kosten. Oberbürgermeister Manuel Just schreibt: „Die Stadt Weinheim ist der Familie und dem Unternehmen Freudenberg dankbar, dass sie seit vielen Jahren mit einem beträchtlichen Einsatz den Garten zum größten Teil finanzieren. Dass sich der Hermannshof bei der Ausrichtung künftig noch mehr in Richtung einer breiten Öffentlichkeit bewegen will, und dafür wissenschaftliche Tätigkeiten reduziert, war uns bekannt. Ich bin daher froh, dass der Hermannshof als Parkanlage und Garten in der Stadtmitte erhalten bleibt. Wichtig war uns die nach wie vor ganzjährige Öffnung ohne Eintritt. Dafür konnte ich mich erfolgreich einsetzen.“

OB Just respektiert Entscheidung

Der OB weiter: „Es ist bedauerlich, dass dies nun auch zu Veränderungen in der Personalaufstellung führt. Es ist im Trägerverein die übliche Vorgehensweise, dass der Oberbürgermeister, der kraft Amtes im Vorstand einen Sitz hat, solche Entscheidungen dem Vereinsvorsitzenden und damit den Gesellschaftern des Unternehmens überlässt und respektiert. Es ist mir aber wichtig, die außerordentlichen Verdienste von Prof. Cassian Schmidt zu unterstreichen. Der Hermannshof und die Stadt Weinheim haben ihm viel zu verdanken.“

Verdienste um Stadtbegrünung

Beachtlich sind indessen Cassian Schmidts Verdienste um die Entwicklung von Konzepten für eine klimaangepasste Stadtbegrünung. Diese Arbeit, die er ab 2004 sogar als Vorsitzender in einem Arbeitskreis des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) federführend leitet, machte den Hermannshof zusätzlich bundesweit zu einem Aushängeschild. Für seine vorausschauende, innovative und gut vernetzte Förderung der Pflanzenverwendung weit über die Grenzen Deutschlands hinaus verlieh der BdS Prof. Cassian Schmidt 2020 die goldene Ehrennadel.

Schmidt ist gelernter Gärtner der Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau. Er absolvierte während seiner Tätigkeit bei der Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin einen einjährigen Auslandsaufenthalt in den USA und erlebte dort die Prärie und die großzügige Gräserverwendung.

Als Staudengärtnermeister und diplomierter Landschaftsarchitekt wurde er 1998 Leiter des Schau- und Sichtungsgartens Hermannshof. Seit 2010 lehrt Prof. Schmidt als Honorarprofessor das Fach Pflanzenverwendung im Fachbereich Landschaftsarchitektur an der Hochschule Geisenheim University. Auch an den Akademien der Architektenkammern wirbt er deutschlandweit für den fachgerechten Einsatz von Pflanzen und deren fachlich und ökonomisch nachhaltige Pflege. Seine Expertise ist international gefragt, heißt es in einer Veröffentlichung des BdS.

Der BdS sorgt sich nun um Pflanzungen und die wissenschaftlichen Ergebnisse für ein 2018 auch im Hermannshof gestartetes Stauden-Gehölze-Modul, das im Herbst 2024 veröffentlicht werden soll. „Die Versuche wurden gestoppt“, sagt BdS-Vorsitzender Michael Moll. Einen Stopp gibt es indessen auch, was Führungen im Hermannshof betrifft. Auf der Internetseite des Gartens steht schon seit Wochen: „Es werden keine Führungen mehr für Mai und Juni angenommen.“ Nur die nächste öffentliche Führung zum Thema „Vorsommerblüher für trockene Standorte“ am Sonntag, 18. Juni, wird angekündigt.

Der Klimawandel wirkt sich nicht nur auf den Wald aus. Er verringert auch die Anpassungszeit für Pflanzen immens und wird nach Einschätzung von Experten bis 2080 zu einem Wandel der Pflanzenarten von 30 bis 70 Prozent führen. Um den Herausforderungen gerecht zu werden, gibt es seit Jahren in elf Hochschulen und Versuchsanstalten in Deutschland sowie an Standorten in Österreich und der Schweiz wissenschaftlich begleitete Untersuchungen und Sichtungen von Pflanzen. Es geht darum, sinnvolle Stauden- und Gehölzmischungen herauszufinden, die widerstandsfähig sind und ökologisch sinnvoll auf entsprechenden Böden im öffentlichen städtischen Grün verwendet werden können.

Sorge um Pflanzenmodul

Ein wichtiger und besonders wegen seiner Staudenexpertise gefragter Standort war bislang der Weinheimer Hermannshof unter Leitung von Prof. Cassian Schmidt. Er plädiert für Low-Tech-Systeme in der Stadtbegrünung, die Verwendung langlebiger, stresstoleranter und angepasster Stauden im Stadtgebiet sowie für Staudenmischungen passend zu den jeweiligen Lebensbereichen.

Der unter dem Dach des Bundes deutscher Staudengärtner (BdS) agierende Arbeitskreis Pflanzenverwendung wird seit 2004 von Cassian Schmidt geleitet. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Verwendung von Stauden im öffentlichen und privaten Grün zu fördern.

In den zahlreichen Projekten werden Kompetenz und Erfahrungen der Pflanzenexperten zusammengeführt. Über die Öffentlichkeitsarbeit des Arbeitskreises und des BdS wird dieses Expertenwissen allen Pflanzenverwendern in der Praxis zur Verfügung gestellt.

Zielgruppen für die Empfehlungen des Arbeitskreises sind insbesondere Grünflächenämter, Planungsbüros und Ausführungsbetriebe. Auch interessierte Laien können von den Ergebnissen profitieren, schreibt der BdS.

Die abseits vom großen Publikumsverkehr erfolgten wissenschaftlichen Pflanzversuche wirkten sich letztlich auch auf die Pflanzenwelt des Schau- und Sichtungsgartens aus. Außerdem profitierte die Ausbildung von Pflanzenexperten von Führungen durch den Hermannshof und zog immer wieder Studenten aus Deutschland und dem Ausland nach Weinheim.

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