Kriminalität

Der Geiselnehmer von Rimbach schweigt

Die Staatsanwaltschaft ermittelt zu den Hintergründen der Tat am 7. Januar in Rimbach

Von 
Stephanie Kuntermann
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In dieser Bank hat der Geiselnehmer die Frau festgehalten. © Rene Priebe

Bergstraße. Die ganze Region war in Aufruhr, der Tatort im Zentrum des Orts weiträumig abgesperrt: Die Geiselnahme am 7. Januar war für die Polizei einer der größten Einsätze der vergangenen Jahre. Ein 36-jähriger Mann randalierte am frühen Morgen in der Rathausstraße, schlug dort eine Scheibe ein und stürmte gegen acht Uhr in die Volksbank Weschnitztal (der BA berichtete). Dort brachte er eine junge Frau in seine Gewalt, die in der Bank arbeitete. Er bedrohte sie mit einem Schraubenzieher und umklammerte ihren Hals.

Viele offene Fragen

Die Polizei Südhessen war mit zahlreichen Einsatzkräften, dem Spezialeinsatzkommando (SEK) und einer Verhandlungsgruppe vor Ort; SEK-Beamte sicherten die Umgebung, während das Verhandlungsteam mit dem Mann durch ein Fenster Kontakt aufnahm und ihn zum Aufgeben bewegte. Nach drei Stunden gelang das, der Angreifer ließ die 21-Jährige los, sie flüchtete, und die Beamten überwältigten ihn.

Einen guten Monat später sind die Hintergründe der Tat noch immer unklar, wie Oberstaatsanwalt Robert Hartmann auf Nachfrage erklärt: „Das Motiv der Tat ist aktuell noch unbekannt.“ Soweit die Ermittler wissen, fiel der Mann bereits am Vorabend (6. Januar) auf. Er wollte Kontakt zu einer „ihm bekannten Frau“ aufnehmen und soll versucht haben, Zugang zu ihrer Wohnung zu bekommen. Anderntags machte er sich auf den Weg zur Bank, doch warum es ihn dorthin zog, weiß bislang noch niemand.

Die Staatsanwaltschaft geht allerdings davon aus, dass sich Täter und Opfer vor der Geiselnahme nicht kannten. Auf die Frage, wie es um seinen mentalen Zustand bestellt war, kann Hartmann derzeit ebenfalls noch nicht viel sagen: „Ob der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt schuldfähig war, ist Gegenstand der andauernden Ermittlungen.“

Dabei geht es um die Frage, die Paragraf 20 des Strafgesetzbuchs regelt: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tief greifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“

Körperverletzung und anderes

Derzeit sind in diesem Fall noch weit mehr Fragen offen als beantwortet. Der Beschuldigte sei „bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten, allerdings nicht in Hessen“, führt die Behörde weiter aus: „Er wurde bereits mehrfach wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, Körperverletzung sowie Vermögens- und Straßenverkehrsdelikten verurteilt.“ Stand der Täter zum Zeitpunkt der Geiselnahme unter Drogeneinfluss? Das werde noch ermittelt, betont Hartmann.

Sein letzter Wohnsitz war in Köln. Gebürtig ist er in der Türkei und hat die deutsche Staatsbürgerschaft; ob er in der Türkei noch Familie oder Angehörige hat, wie seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind, all das liegt aktuell im Dunklen, da er keine Angaben macht, wie Hartmann bedauert. Der Geiselnehmer befindet sich aufgrund des Untersuchungshaftbefehls in einer Justizvollzugsanstalt, erklärt der Oberstaatsanwalt. Wie es dem Opfer gehe, sei ihm nicht bekannt.

In Rimbach ist derweil wieder Ruhe eingekehrt, das Leben geht seinen normalen Gang; Immobilienmakler Volker Gruch erinnert sich aber, als er an diesem Dienstag zur Arbeit fuhr. „Nur, um schnell ein paar Unterlagen zu holen“, sagt er im Gespräch. Sein Büro liegt gegenüber der Bank, und die Polizei forderte ihn auf, vom Fenster wegzubleiben: „Hätte ich hinausgeguckt, wäre ich direkt in der Schusslinie gewesen.“ Es war damals nicht klar, ob der Mann bewaffnet war. Im ersten Stock und im Erdgeschoss postierten sich jeweils zwei Beamte, und ein benachbarter Geschäftsmann berichtete Gruch, dass es in seinem Haus – ebenfalls in Sichtweise der Bank – ähnlich war.

Gespenstische Stille

Der Makler zog sich vorsichtshalber in einen rückwärtigen Raum zurück und erinnert sich noch an die Atmosphäre: „Es herrschte eine gespenstische Stille in Rimbach.“ Der Verkehr war von der B 38 umgeleitet worden, nur einige Schaulustige hatten sich vor den Absperrungen versammelt, suchten aber bald Schutz, als ein Regenguss herunterkam. Sollte er das Gebäude über den Hinterausgang verlassen und nach Hause fahren? „Warten Sie noch zehn Minuten, das ist bald vorbei“, sagte ein Beamter zu ihm – und tatsächlich wurde der Geiselnehmer wenig später festgenommen. Gruch ist der Polizei dankbar für ihre Professionalität und erleichtert über den Ausgang dieses Tages: „Das war für die Bankmitarbeiter und vor allem für die Geisel eine Riesenbelastung.“

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