Heppenheim. Der Boden bebt. Auch 100 Meter entfernt von der alten Brücke über die A 5 bei Heppenheim spürt man noch deutlich, wie die Bagger dem Bauwerk zu Leibe rücken, das über Jahrzehnte die Verbindung auf der B 460 zwischen Lorsch und Heppenheim an der Autobahnauffahrt sichergestellt hat. Seit einigen Tagen übernimmt diese Aufgabe parallel zur alten Trasse eine Behelfsbrücke, deren mächtige Stahlträger vor zwei Wochen eingehoben wurden.
Unerbittlich rammen die Kolosse im gleißenden Scheinwerferlicht ihre riesigen Meißel in den Stahlbeton. Es ist 1 Uhr in der Nacht von Freitag auf Samstag. Seit 22 Uhr sind Autobahn und Bundesstraße gesperrt. 36 Stunden haben die rund 30 Männer vom Bau nun Zeit, um die Brücke samt Pfeilern und den Brückenköpfen in Bauschutt zu verwandeln und zur Seite zu schaffen.
Mario Felger beobachtet das Geschehen zufrieden. Der Bauleiter steht auf der Behelfsbrücke, das Handy immer griffbereit, falls es irgendwo Probleme geben sollte. Gibt es aber nicht. Als es dann doch mal klingelt, braucht der Kollege von der Verkehrssicherung lediglich eine Unterschrift. Also alles bestens. Wenn nur der peitschende Regen nicht wäre.
Da geht es den Männern auf den riesigen gelben Maschinen besser. Sie sitzen in ihren klimatisierten Fahrerkabinen im Warmen und dürfen das machen, wovon kleine Jungs immer träumen: Bagger fahren. Aber das hier ist kein Spiel, sondern harte Arbeit: Rund 1350 Kubikmeter Stahlbeton haben die Profis kleinzukriegen und abzutransportieren. Das entspricht etwa 135 voll beladenen Lastwagen. Diese Menge Bauschutt könnte man auf einem Handballfeld mannshoch stapeln.
Die Präzision, mit der die Piloten der Hydraulik-Monster zu Werke gehen ist faszinierend – ebenso wie das fast schon blinde Verständnis untereinander, mit dem die Mannschaft arbeitet. Ein kurzer Wink von Kabine zu Kabine, und Positionen werden getauscht. Souverän steuern die Männer ihr tonnenschweres Arbeitsgerät hin und her – ein wahres Baggerballett, das trotz der späten Stunde manche Schaulustigen angezogen hat. Darunter auch eine Frau, deren Vater damals beim Bau der Brücke mitgearbeitet hat. Für ihn macht sie ein paar Fotos.
Rund 3500 Tonnen wiegt der gesamte Schutt, der in stattlichen Brocken von der Brücke hinab in das knapp einen Meter hohe Sandbett auf der Autobahn fällt. Das haben die Männer mit zwei riesigen Radladern auf der Fahrbahn ausgebreitet, um den Asphalt vor Beschädigungen zu bewahren. Erst als diese Vorbereitungen abgeschlossen sind, dürfen die Männer in den Baggern dem Beton an den Kragen gehen und die Brücke in Schutt und Asche legen.
Dieser Schutt wird übrigens fein säuberlich getrennt: Ein Bagger mit einer Art Riesenzange zieht aus den Betontrümmern die Eisenstangen heraus, die wieder eingeschmolzen und somit weiterverwendet werden können. Die Betonbrocken werden von einer riesigen Maschine zermahlen. Das geschredderte Material eignet sich hervorragend für den Unterbau neuer Straßen. So schließt sich der Kreis.
Stunde um Stunde nagen die Bagger an der Brücke, an der zuvor schon der Zahn dermaßen genagt hatte, dass sie nicht mehr zu retten war. Seit einigen Jahren schon musste die Zahl der Fahrspuren auf dem maroden Bauwerk auf zwei reduziert werden, um die Belastung in Grenzen zu halten. Parallel dazu liefen die Planungen an: für den Bau der Behelfsbrücke, für den Neubau – und natürlich auch für den Abriss. Allein die Unterlagen dafür füllen einen dicken Aktenordner. Hinzu kommen noch einmal knapp 200 Seiten für das sogenannte Leistungsverzeichnis, in dem gewissermaßen jeder einzelne Handgriff aufgelistet ist, der zum Abbruch der Brücke erforderlich ist. In seinem Baucontainer hat Mario Felger die Unterlagen aus dem Aktenschrank geholt, um dem Mann von der Zeitung die erbetenen Zahlen zu geben. Im Grund hat er die wesentlichen Daten natürlich alle im Kopf, aber da will er dann schon ganz genau sein. Dem Profi bereitet auch das Zeitfenster von 36 Stunden keinerlei Sorgen. „Das klappt schon. Sie sollen mal sehen, wie flott das geht, wenn die Bagger erst einmal losgelegt haben“, hatte er gesagt – und recht behalten.
Als die Brücke mit allem Drum und Dran niedergelegt ist, kommen wieder die Radlader zum Zug, die das Sandbett von der Autobahn räumen. Die Kehrmaschine besorgt den Rest. Am Sonntagvormittag rollt der Verkehr auf A 5 und B 460 wieder.
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